Warschau: Massendemonstration gegen PiS-Regierung

Am Sonntag demonstrierten in der polnischen Hauptstadt Warschau Hundertausende für die Abwahl der rechtsextremen PiS-Regierung. Unter dem Motto Marsz Miliona Serc (Marsch der Millionen Herzen) hatte Oppositionsführer Donald Tusk von der rechten Bürgerplattform (PO) zwei Wochen vor der Parlamentswahl zur Demonstration aufgerufen. Auch die Führer der sozialdemokratischen Nowa Lewica, Włodzimierz Czarzasty und Robert Biedroń, und der Bauernbewegung Agrounia, Michał Kołodziejczak unterstützten die Demonstration. In weiteren Städten wie Krakau, Stettin, Toruń und Lodz gingen ebenfalls Tausende auf die Straße.

Teil der Demonstration in Warschau [Photo by X / Platforma Obywatelska ]

Die Organisatoren sprachen von einer Million, die Polizei von Hunderttausend Teilnehmern. Laut Angabe der Organisatoren war die Demonstration doppelt so groß wie die vom 4. Juni, eine der größten seit dem Ende des stalinistischen Regimes und der Einführung des Kapitalismus 1989. Auslöser war damals die Verabschiedung eines repressiven Gesetzes zur Errichtung einer Sonderkommission gegen „russische Einflussnahme“.

Auch jetzt spielte die repressive Politik der PiS wieder eine zentrale Rolle. Ende Juli war bekannt geworden, dass Joanna, eine junge Frau, in Krakau von ihrer Psychiaterin denunziert und von der Polizei misshandelt worden war, weil sie eine „Pille danach“ zur Abtreibung genommen hatte. Vor drei Jahren hatte die PiS-Regierung das Abtreibungsgesetz verschärft, um ihre Anhängerschaft im erzkatholischen und rechtsextremen Milieu zu stärken. Bereits vorher hatte Polen zu den Ländern mit den strengsten Abtreibungsregeln gezählt. Seit dem neuen Gesetz ist eine legale Abtreibung nahezu unmöglich.

Bereits damals hatten Hunderttausende im ganzen Land über Wochen hinweg spontan gegen das Verbot der Abtreibung demonstriert. Auch diesmal trieb die weit verbreitete Verachtung für die rechtsextreme Agenda der Regierung wieder Massen auf die Straßen. Die PiS, die seit 2015 die Regierung anführt, arbeitet systematisch daran, durch die Gleichschaltung von Gerichten und Medien ein autoritäres Regime zu errichten. Zugleich stärkt sie gezielt faschistische und antisemitische Kräfte, wie zuletzt mit der Hetzkampagne gegen die Filmregisseurin Agnieszka Holland.

Doch die Bürgerplattform des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, der von 2007 bis 2015 polnischer Regierungschef war, bietet keine Alternative. Tusks Partei als „liberal“ zu bezeichnen, wäre eine absurde Beschönigung. Wie der Wahlkampf bestätigt, verfolgt auch er eine ultrarechte Agenda. Er unterstützt den Krieg der Nato gegen Russland, steht uneingeschränkt hinter der Europäischen Union und greift die Sozialpolitik der PS von rechts an. Zum Ende des Wahlkampfs hetzte er immer aggressiver gegen Flüchtlinge und präsentierte sich als „besserer“ Nationalist und Militarist.

Tusk wirft der PiS vor, sie riegele die Grenze zu Belarus nicht effektiv genug ab, rüste nicht effektiv auf, beleidige die polnischen Beamten und diene insgeheim Russland. Wie alle Parteien des polnischen Parlaments Sejm stimmte auch die PO für das milliardenschwere Aufrüstungsprogramm der Regierung, das zugleich eine Militarisierung der Gesellschaft vorsieht. Gleichzeitig kritisierte sie begrenzte soziale Maßnahmen der PiS, wie das Kindergeld.

Im Kern ihres Wirtschaftsprogramms stehen umfangreiche Steuererleichterungen und Deregulierungen zugunsten von Unternehmen. So sollen beispielsweise Unternehmen bis zu einem bestimmten Jahresumsatz komplett von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall befreit werden. Diese soll von der staatlichen Sozialversicherung (ZUS) übernommen werden, deren Mehrausgaben als Vorwand für weitere Kürzungen dienen würden.

Dabei hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass das polnische Gesundheitssystem weitgehend kaputtspart ist, was 2021 zu Massenprotesten und Streiks von Ärzten, Krankenschwestern und Rettungssanitätern führte. Das gleiche gilt für das polnische Bildungswesen. Aber letztlich muss die gesamte arbeitende Bevölkerung die gewaltigen Kosten von Aufrüstung und Krieg in vollem Umfang tragen. Die zwischenzeitlich auf 18 Prozent gestiegene Inflation liegt immer noch bei über acht Prozent.

Laut offiziellen Zahlen der OECD ist die durchschnittliche Kaufkraft der polnischen Löhne allein im vergangenen Jahr um sieben Prozent gesunken. Gestiegene Lebensmittel- und Energiepreise verschärfen die Folgen dieser massiven Reallohnsenkungen.

Alle Parteien im Sejm, von rechts bis links, sind sich bei diesen Angriffen auf die Arbeiterklasse einig. Das gilt auch für die polnische Linkspartei Lewica, die laut Umfragen auf rund 10 Prozent kommt. Sie hat sich der rechten PO dermaßen unterworfen, dass selbst das Nachrichtenmagazin Polityka ihren Wahlkampf als „still und glanzlos“ bezeichnet. Sie verfolge lediglich das Ziel, nicht zu viel verlieren und im Sejm zu bleiben.

Trzecia Droga (Dritter Weg), ein Wahlbündnis der rechten Bauernpartei PSL und der neuen Partei PL2050 von Szymon Hołownia, distanzierte sich von den Demonstrationen der PO und positioniert sich im Wahlkampf zwischen PiS und PO. Mit ihren erwarteten rund 9 Prozent könnte sie beiden als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung stehen.

Den größten Schwankungen unterliegt in den Umfragen mit acht bis 15 Prozent die faschistische Konfederacja. Sie profitiert von der Diskreditierung des alten politischen Establishments und zieht laut Umfragen überdurchschnittliche viele junge Wähler an. Die beiden neuen Vorsitzenden der faschistischen Partei, Sławomir Mentzen und Krzysztof Bosak, sind beide Mitte 30 und genießen mediale Daueraufmerksamkeit.

Der Aufstieg des 34-jährigen Jungunternehmers Mentzen erinnert stark an Marine Le Pen und Giorgia Meloni, die ihren faschistischen Parteien eine moderne Maskerade verpassten und von den Medien umarmt wurden. Er bringt das Programm der Partei auf die Formel: „Wir wollen ein Polen ohne Juden, Homosexuelle, Abtreibungen, Steuern und die Europäische Union.“

Konfederacja stellt als einzige größere politische Gruppierung in Polen die Unterstützung für die Ukraine in Frage, führt eine Kampagne gegen ukrainische Flüchtlinge und greift die deutsche Führungsrolle in der EU noch schärfer an als die PiS. Sie fordert weitgehende Erleichterungen für Unternehmen und greift die Corona-Politik der PiS, die 120.000 Todesopfer gefordert hat, von rechts an, weil die Regierung zwischenzeitlich Lockdowns verhängt hat.

Wer auch immer in zwei Wochen die Wahlen gewinnt und die neue Regierung bildet, wird die Kriegspolitik, die sozialen Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Profite-vor-Leben-Politik fortsetzen. Ein beliebiger Vorfall an der Grenze könnte als Vorwand genutzt werden, „in den Konflikt einzutreten“, wie im März der polnische Botschafter in Paris, Jan Emeryk Rościszewski, erklärte.

Polnische Arbeiter und Jugendliche brauchen ihre eigene Partei, um als Teil der internationalen Arbeiterklasse die Gefahr eines dritten Weltkriegs und faschistischer Barbarei abzuwenden. Wir rufen alle polnischen Leser auf, die WSWS zu kontaktieren und eine polnische Sektion der Vierten Internationale aufzubauen.

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