Polnische Schulkinder sollen in Zukunft bereits in der Grundschule militärisch indoktriniert werden. Bildungsministerin Barbara Nowacka und Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz stellten am vergangenen Mittwoch ein entsprechendes Programm mit dem Titel „Edukacja z wojskiem“ („Bildung mit der Armee“) vor.
Die Regierungskoalition des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, die seit dem letzten Herbst amtiert, verstärkt damit die Militarisierung der polnischen Schulen.
Während des Pilotprogramms führen polnische Armeesoldaten einen dreistündigen Ausbildungskurs in Grund- und Sekundarschulen durch. „Das Hauptziel des Programms besteht darin, das Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen für den Bereich Sicherheit und Verteidigung zu schärfen und grundlegende Gewohnheiten und Fähigkeiten im Bereich Verteidigung und Katastrophenschutz sowie Verhalten in Krisensituationen zu entwickeln,” heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.
Teilnehmen können alle Klassenstufen ab der ersten Klasse der Grundschulen bis zu weiterführenden Schulzweigen (Sekundarschulen). Nur die achte Grundschul- und die erste Sekundarschulklasse sind ausgenommen. Für diese Klassenstufen hatte die abgewählte PiS-Regierung bereits 2022 „Sicherheitsausbildung“ – oder einfacher gesagt: Wehrunterricht inklusive Schießtraining – fest in den Lehrplan eingeführt.
Die Anmeldung erfolgt über die Kommunalverwaltungen. Das Programm soll vom 6. Mai bis zum 20. Juni dauern und etwa 3500 Schulen abdecken. Sofern es sich bewährt, soll es dauerhaft im Lehrplan etabliert werden, kündigten die Minister an.
Dass es bei dem Programm nicht um neutrale Wissensvermittlung über Erste Hilfe und Katastrophenschutz geht, sondern um die Schaffung einer militaristischen Kultur („die Armee in der Schule zeigen“), machten die Minister auf der Pressekonferenz mehr als deutlich.
„Wir erhöhen die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir leben in Zeiten, in denen alle Maßnahmen ergriffen werden müssen, die die Sicherheit verbessern können. ... Vom Vorschulkind bis zum Senior muss jeder auf Herausforderungen vorbereitet sein,“ betonte Kosiniak-Kamysz.
Die Bildungsministerin ergänzte, Patriotismus sei „die Bereitschaft, für das Vaterland zu handeln, aber vor allem, sich Kompetenzen anzueignen, um dem Land und dem Nächsten zu dienen. Und genau dafür ist unser Programm da.“
Das Lob auf den „Patriotismus“ erinnert eins zu eins an die Reden des früheren Bildungsministers Przemysław Czarnek von der PiS, der 2022 den Wehrunterricht und mit „Geschichte und Gegenwart“ („Historia i teraźniejszość“, HiT) einen neuen Staatsbürgerkunde-Unterricht eingeführt hatte. HiT soll 2025 laut Nowacka durch das Fach „politische Bildung“ ersetzt werden.
Wie gering die Unterschiede zwischen alter und neuer Regierung sind, zeigt besonders deutlich die Kontroverse um HiT. In der Opposition hatten die heutigen Regierungsparteien das Fachbuch von HiT noch als rechtes Machwerk kritisiert, weil es Feminismus, Kommunismus und sogar Teile der Popkultur als antipolnische Ideologien dämonisiere.
Nun jedoch preist Barbara Nowacka, die Vorsitzende der feministischen Partei Inicjatywa Polska (iPL), die Förderung „patriotischer“ Einstellungen bereits bei Siebenjährigen. Pseudolinke Organisationen und Parteien spielen nicht nur in Polen, sondern weltweit eine Schlüsselrolle dabei, die Rückkehr von Militarismus und Krieg mit feministischen oder identitätspolitischen Phrasen zu begleiten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die Tusk-Regierung knüpft nicht nur im Bildungs-, sondern auch in allen anderen Bereichen nahtlos an die Kriegspolitik der PiS an und verschärft diese. Tusk hat vor einigen Wochen öffentlich erklärt, man befinde sich in einer „Vorkriegszeit“ und müsse sich dementsprechend vorbereiten. Polen spielt seit langem eine Schlüsselrolle bei der Nato-Kriegsoffensive gegen die Atommacht Russland. Außenminister Sikorski schloss jüngst auch die Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine nicht aus.
Gewisse Unstimmigkeiten zwischen Tusks PO und der PiS sind vor allem taktischer Natur. So hat Präsident Andrzej Duda, der dem PiS-Lager angehört, kürzlich in einem Interview die Bereitschaft bekräftigt, im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ US-Atomwaffen in Polen zu stationieren. Tusk reagierte darauf kühl und forderte Duda zu Konsultationen in dieser Frage auf.
Laut Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat das Militärbündnis aktuell nicht vor, Atomwaffen in weiteren Mitgliedsländern zu stationieren. Stoltenberg erklärte das, während er mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak in Polen stationierte britische Truppen besuchte.
Stoltenberg und Tusk vertreten keine weniger aggressive Nuklear-Politik gegenüber Moskau. Laut der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) lagern derzeit etwa 150 US-Atomwaffen als Bestandteil der „nuklearen Teilhabe“ in Europa – in Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Italien, und der Türkei.
Bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen Duda und Tusk über die Stationierung von US-Atomwaffen in Polen geht es vor allem um die außenpolitische Orientierung. Während Tusk auf eine enge Zusammenarbeit mit den europäischen Großmächten, insbesondere mit Deutschland, setzt, bemüht sich die PiS um die Stärkung des engen militärischen Bündnisses mit den USA – auch als Gegengewicht zu Deutschlands Dominanz in der EU. Dabei sind beide bereit, einen dritten Weltkrieg zu riskieren und zu führen und dafür die gesamte Gesellschaft bis zu den Schulen zu militarisieren.