Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg:

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist keine Alternative zu Ampel und AfD

Aufgrund der breiten Opposition gegen die Kriegspolitik der Ampel-Koalition und der sozialen Verwüstung, für die sämtliche Parteien verantwortlich sind, werden der faschistischen AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei den anstehenden Landtagswahlen starke Gewinne vorausgesagt.

In Thüringen liegt die AfD mit knapp 30 Prozent fast 8 Prozentpunkte vor der zweitplatzierten CDU und dem BSW (18 Prozent). In Sachsen, wo am Sonntag ebenfalls Landtagswahlen stattfinden, liefert sich die AfD mit etwas mehr als 30 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU. Das BSW liegt mit etwa 14 Prozent auf Platz 3. In Brandenburg, wo der Landtag am 22. September gewählt wird, liegt die AfD mit 24 Prozent ebenfalls auf Platz eins und das BSW mit 17 Prozent knapp hinter SPD und CDU auf Platz 4.

BSW-Wahlplakat

Die AfD gewinnt nicht, weil es massenhafte Unterstützung für ihr faschistisches Programm gibt, sondern vor allem, weil die große Mehrheit die Kriegspolitik und den Sozialkahlschlag der Regierungsparteien ablehnt. Die AfD schlachtet die weit verbreitete Wut für ihre reaktionäre Agenda aus, die in Wirklichkeit darauf abzielt, den deutschen Militarismus weiter zu eskalieren. Deshalb wird sie von der herrschenden Klasse aufgebaut und hofiert. Nach dem Anschlag von Solingen am vergangenen Freitag treiben die etablierten Parteien diese rechtsextreme Kampagne auf die Spitze.

Auch das BSW setzt der Ampel-Regierung keine fortschrittliche Perspektive entgegen. Wie die AfD lenkt sie die soziale Wut über die sagenhafte Bereicherung der Reichen auf die Schwächsten der Gesellschaft, die Flüchtlinge. Sie verteidigt Krieg und Militarismus, will ihnen aber – wie die AfD – eine andere Zielrichtung geben.

Unterstützung kann die Partei gewinnen, weil sie den Ukraine-Krieg offiziell ablehnt und weil sie gegen die soziale Katastrophe auftritt, die die Mehrheit ihrer Vertreter als frühere Linken-Politiker zu verantworten haben. SPD, Linke und Grüne haben ihre Wähler immer wieder politisch betrogen, eine soziale Katastrophe nach der anderen organisiert und sich in wütende Kriegstreiber verwandelt.

Das begann mit dem industriellen Kahlschlag nach der Deutschen Einheit, dem 8000 Betriebe und Millionen Arbeitsplätze zum Opfer fielen, setzte sich fort mit der Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung, die Ostdeutschland in ein riesiges Experimentierfeld für Niedriglohnarbeit verwandelte, und gipfelte in den Folgen der Russlandsanktionen und des Ukrainekriegs. Die Linkspartei, die sich anfangs als Alternative zu SPD und Grünen ausgab, unterstützte diese Politik, wo immer sie in die Regierung eintrat.

Die sozialen Folgen sind mit Händen zu greifen. Auch 34 Jahre nach der Deutschen Einheit ist der Lebensstandard im Osten deutlich niedriger als im Westen. Vor allem in ländlichen Gebieten dominieren Überalterung, zerfallende Infrastruktur, Ärzte- und Lehrermangel und bittere Armut.

Auch sogenannte industrielle Leuchtturmprojekte, die mit viel Staatsgeld gefördert wurden, brachen immer wieder zusammen. Nun drohen Autowerke, Chiphersteller sowie zahlreiche andere Fabriken im Strudel des globalen Wirtschaftskriegs unterzugehen. Allein in Sachsen gerieten im vergangenen Jahr 14 größere Unternehmen in eine schwere Krise, gingen Pleite oder schlossen ihren Standort.

SPD, Grüne und Linkspartei sind inzwischen derart verhasst und diskreditiert, dass sie um ihren Einzug in den Landtag fürchten müssen. Die SPD, die Partei des Bundeskanzlers, erreicht in Thüringen und Sachsen in den Umfragen gerade noch 6 Prozent. Die Linke liegt in Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow seit zehn Jahren den Ministerpräsidenten stellt, bei 14 Prozent. Vor fünf Jahren waren es noch 31. In Sachsen wird sie mit 4 Prozent voraussichtlich erstmals den Einzug in den Landtag verpassen.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht

Mit ihrer Entscheidung, die Linkspartei nach 35-jähriger Mitgliedschaft zu verlassen und eine neue Partei zu gründen, versucht Sahra Wagenknecht die Lücke zu füllen, die SPD und Linkspartei hinterlassen. Die Linke hat im Osten Deutschlands lange Zeit eine Schlüsselrolle dabei gespielt, den Kapitalismus zu verteidigen und den Klassenkampf zu unterdrücken. Diese Rolle versucht nun das BSW zu übernehmen.

Es versucht, zu verhindern, dass sich die wachsende Empörung über die AfD-Faschisten mit einer Massenbewegung gegen Kapitalismus und Krieg verbindet. Es schwächt die AfD nicht, sondern stärkt sie.

Das BSW verspricht einen „Politikwechsel“, hat aber bereits seine Bereitschaft signalisiert, nach der Wahl mit der CDU, der SPD oder der Linkspartei eine gemeinsame Regierung zu bilden. Da es in den Umfragen zwischen 14 Prozent in Sachsen und 18 Prozent in Thüringen liegt, dürfte eine Regierungsmehrheit ohne seine Beteiligung schwierig oder unmöglich sein, solange die AfD nicht in die Regierung eintritt.

Im Hintergrund laufen längst die Vorbereitungen für eine Koalition mit dem BSW. So berichtete der Spiegel am 21. August: „Hinter der Wahlkampfkulisse lotet [der sächsische CDU-Ministerpräsident] Kretschmer mit dem BSW dem Vernehmen nach längst vertraulich aus, was künftig möglich wäre. Beamte christdemokratisch geführter Ministerien arbeiten schon an Papieren für Koalitionsverhandlungen.“

Das BSW verspricht mehr soziale Gerechtigkeit, weigert sich aber, das kapitalistische Privateigentum und die Macht der Banken und Konzerne anzutasten. Es legt großen Wert darauf, weder „links“ noch „sozialistisch“ zu sein.

Das BSW wirbt für Frieden in der Ukraine, lehnt aber eine Massenbewegung gegen den Krieg ab. Stattdessen richtet es ohnmächtige Friedensappelle an die Kriegstreiber. Es ist noch nicht einmal bereit, die Verantwortung der Nato klar zu benennen, die 2014 in Kiew einen rechten Putsch organisiert und mit der Aufrüstung der Ukraine den russischen Einmarsch provoziert hat. Stattdessen erklärt das sächsische Wahlprogramm: „Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine.“

Es folgen Forderungen nach Waffenstillstand und Verhandlungen, nach einer dauerhaften Friedensarchitektur für Europa, nach Beilegung von Konflikten auf dem Wege der Diplomatie, usw. „Aus der gefährlichen Spirale der Konfrontation“ gebe es „nur einen vernünftigen Ausweg: De-Eskalation und neue Abrüstungsverträge“. Der Kriegslogik müsse „endlich wieder die sachliche Argumentation des Interessenausgleichs entgegengestellt werden“.

Das ist eine bewusste Irreführung der Wähler. Man kann den Krieg in der Ukraine, der bereits hunderttausende Tote gefordert hat und in eine nukleare Katastrophe zu münden droht, nicht durch pazifistische Aufrufe an die Kriegstreiber beenden. Washington und Berlin heizen den Krieg nicht mit Waffen und Milliardensummen an, weil sie „unvernünftig“ sind, sondern weil sie handfeste imperialistische Interessen verfolgen. Sie wollen Russland – wie einst Jugoslawien – zerschlagen, um seine gewaltigen Ressourcen unter sich aufzuteilen.

Wie die AfD kritisiert auch die Wagenknecht-Partei den Nato-Krieg gegen Russland, weil sie Deutschland aus der Abhängigkeit der USA befreien will. Sie fordert eine Bundeswehr, die „ihren grundgesetzlichen Auftrag erfüllen“ kann und „dafür angemessen ausgestattet“ ist. Vor allem der ehemalige SPD- und Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine, Wagenknechts Ehemann und engster Berater, wirft der Bundesregierung vor, ein „Vasall“ der USA zu sein. Als hätte der deutsche Imperialismus nicht bewiesen, dass er auch ohne amerikanische Hilfe zu den brutalsten Verbrechen fähig ist!

Ansonsten verknüpft das Wahlprogramm der Wagenknecht-Partei Versatzstücke aus den übelsten Traditionen des Stalinismus mit Teilen des AfD-Programms: Nationalismus, Migrantenhetze, Aufrüstung der Polizei, Ablehnung von Covid-Schutzmaßnahmen. Die ersten Forderungen ihres sächsischen Landtagswahlprogramms lauten: „Bürgernahe Polizei; schnelle und effektive Justiz; unkontrollierte Migration stoppen; Aufarbeitung der Corona-Zeit.“

Was die Hetze gegen Migranten betrifft, lässt Wagenknecht keine Gelegenheit aus, die AfD zu übertrumpfen. Sie wettert gegen „unkontrollierte Migration“, fordert eine „Asylwende“ und die „Abschiebung krimineller Flüchtlinge“. Den Anschlag in Solingen kommentierte sie mit den Worten: „Wer unkontrollierte Migration zulässt, bekommt unkontrollierbare Gewalt.“

Hier zeigt sich der reaktionäre Charakter des BSW am klarsten. Rechte Stimmungsmache gegen Migranten dient der herrschenden Klasse überall dazu, faschistische Bewegungen zu fördern, die Polizei aufzurüsten, die internationale Arbeiterklasse zu spalten und die Schwächsten zum Sündenbock für die Verbrechen des Kapitalismus zu stempeln. Das ist auch das Ziel der AfD.

In den bestehenden Herrschaftsstrukturen verankert

Wagenknecht und Lafontaine sind das öffentliche Gesicht des BSW. Sie treten regelmäßig in den Medien auf. In der zweiten Reihe finden sich zahlreiche erprobte Politiker, die tief in den bestehenden Herrschaftsstrukturen verankert sind. Die meisten stammen aus der Linkspartei. Daneben finden sich auch Manager, Kleinunternehmer, bekannte Journalisten und andere Vertreter des sogenannten Mittelstands.

In Sachsen ist die Gewerkschaftsfunktionärin Sabine Zimmermann Spitzenkandidatin des BSW. Sie arbeitet seit 1992 hauptamtlich für den Deutschen Gewerkschaftsbund und ist seit 2002 Vorsitzende des DGB in Ostsachsen. 2005 wechselte sie von der SPD zur Linkspartei, für die sie bis 2021 im Bundestag saß.

Auch Katja Wolf, die Spitzenkandidatin des BSW in Thüringen, kommt aus der Linkspartei. Sie war zwölf Jahre lang Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach und ist, so die Tagesschau, „über Parteigrenzen hinweg vernetzt und anerkannt“. Wolf wird von Steffen Schütz, einem Unternehmer aus der Marketing-Branche, und Steffen Quasebarth, einem langjährigen Fernsehmoderator beim MDR, flankiert.

Der thüringische Spitzenkandidat der CDU, Mario Voigt, sagt, er „schätze Katja Wolf als Person und habe sie nie als verbohrte Ideologin kennengelernt“. Eine Regierungskoalition mit dem BSW hält Voigt für möglich, während Wolf ihrerseits betont, sie wolle das „Experiment Minderheitsregierung“ beenden, was – falls die AfD tatsächlich draußen bleibt – am ehesten durch ein Bündnis von CDU und BSW möglich wäre.

Dabei schließt das BSW auch eine engere Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Bereits im Juli hatte es sich im Europaparlament gegen einen „Cordon sanitaire“ ausgesprochen, mit dem andere Fraktionen die Wahl von rechtsextremen Abgeordneten in führende Positionen verhindern wollten.

Der BSW-Abgeordnete Michael von der Schulenburg bezeichnete das als „Missbrauch der Parlamentsmehrheit“. Das BSW habe „grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten mit den von diesen Brandmauern betroffenen Parteien und deren Parlamentsfraktionen“, sagte er. Aber man müsse anerkennen, „dass sie gewählt wurden und damit unterschiedliche Teile der europäischen Bevölkerung in diesem Parlament vertreten“.

BSW-Generalsekretär Christian Leye bestätigte auf Anfrage des Spiegels diese Linie auch für Deutschland. „Koalitionen oder eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es nicht geben“, sagte er. Allerdings werde man „nicht mehr dabei mitmachen, aus Prinzip gegen jeden AfD-Antrag zu stimmen, selbst, wenn er inhaltlich richtig ist“.

Vom Stalinismus zum BSW

Sahra Wagenknecht hat in ihrer 35-jährigen politischen Karriere zahlreiche Wandlungen durchlaufen, eines aber blieb konstant: Ihr Nationalismus, ihr Bekenntnis zur bestehenden Staatsmacht und ihre Feindschaft gegen jede Massenbewegung von unten.

Als 1989 Massenproteste gegen das DDR-Regime ausbrachen, trat die 20-Jährige der stalinistischen Staatspartei SED bei. Als die SED die Auflösung der DDR und die Einführung des Kapitalismus unterstützte, blieb sie in der Partei, die sich mittlerweile PDS nannte, und wurde dort zum Sprachrohr der „Kommunistischen Plattform“.

Mit Kommunismus hatte diese Plattform allerdings nichts zu tun. Sie war ein Zusammenschluss von Alt-Stalinisten, die die schlimmsten Seiten der SED-Diktatur rechtfertigten. Der Perspektive der sozialistischen Weltrevolution, die die trotzkistische Bewegung gegen den Stalinismus verteidigt hatte, begegnete sie mit erbitterter Feindschaft.

Nachdem die PDS in mehrere ostdeutsche Landesregierungen eingezogen war, verließ Wagenknecht die Kommunistische Plattform. 2011 veröffentlichte sie das Buch „Freiheit statt Kapitalismus“, in dem sie ein Loblied auf den westdeutschen Nachkriegskapitalismus und den (unter Arbeitern verhassten) Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) sang. Karl Marx, den sie früher gerne zitiert hatte, kam darin nicht mehr vor. Wagenknecht hatte sich endgültig zum Kapitalismus bekehrt.

„Wagenknechts Loblied auf Wettbewerb, Leistungsgesellschaft und Ludwig Erhard ist ein unmissverständliches Signal an die herrschende Klasse, dass die Linkspartei bereit ist, die kapitalistische Herrschaft mit allen Mitteln zu verteidigen, während immer breitere Schichten von Arbeitern mit ihr in Konflikt geraten,“ kommentierten wir damals.

Wagenknecht zählte mittlerweile zum engsten Führungszirkel der Linkspartei und ihrer Bundestagsfraktion. 2021 griff sie in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ die zunehmende Orientierung des Parteivorstands auf städtische Mittelschichten und die dort vorherrschende Identitätspolitik an.

Wagenknecht führte diesen Angriff nicht von links, vom internationalen Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse, sondern von rechts, von einem gesellschaftlich reaktionären, nationalistischen Standpunkt. Sie wetterte gegen Kosmopolitismus und Weltoffenheit, warb für Protektionismus und einen starken Staat, denunzierte Migranten und Flüchtlinge als Lohndrücker, Streikbrecher und kulturfremde Elemente und appellierte an den „Mittelstand“, an kleine und mittlere Unternehmen und Selbständige, die unter den Auswirkungen des Weltmarkts leiden.

Das Buch nahm die Programmatik des BSW vorweg, das soziale Demagogie und Friedensrhetorik mit Kernelementen des AfD-Programms verbindet und ausdrücklich den Kapitalismus verteidigt.

Arbeiter müssen Wagenknechts Versuch, den Kapitalismus auf einer extrem rechten Grundlage zu retten, zurückweisen. Faschismus, Krieg und Ausbeutung können nur durch die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen ihre Ursache, den Kapitalismus, bekämpft werden. Kein Problem kann gelöst werden, ohne die Macht der Banken und Konzerne zu brechen und sie unter demokratische Kontrolle zu stellen.

Eine solche Bewegung muss unabhängig von allen bürgerlichen Parteien – einschließlich dem BSW und der Linken – und den Gewerkschaften sein, die sich in Interessenvertreter der Konzerne verwandelt haben. Und sie muss international sein und die Arbeiter weltweit auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Klasseninteressen vereinen.

Für diese Perspektive treten die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterorganisationen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale ein. Wir rufen alle Arbeitenden und Jugendlichen auf, die gegen Krieg und den Aufstieg der AfD kämpfen wollen: Nehmt Kontakt zur SGP auf, studiert die World Socialist Web Site und unser Programm und werdet Mitglied der SGP.

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