Südafrika: Mindestens 76 Tote bei Wohnhausbrand in Johannesburg

Bei einem schrecklichen Brand in einem heruntergekommenen fünfstöckigen Wohngebäude im südafrikanischen Johannesburg, der am frühen Donnerstagmorgen ausgebrochen war, sind mindestens 76 Menschen ums Leben gekommen, darunter zwölf Kinder.

Sanitäter und Rettungskräfte am Schauplatz des tödlichen Brands in der Innenstadt von Johannesburg (Südafrika) am 31. August 2023 (AP Photo/Jerome Delay) [AP Photo/Jerome Delay]

Der tödliche Brand, dessen Ursache momentan untersucht wird, brach scheinbar im ersten Stock aus und breitete sich schnell auf die oberen Stockwerke des Gebäudes aus, das von Immigranten- und Obdachlosen-Familien in der Stadt mit mehr als 5,6 Millionen Einwohnern bewohnt wurde.

Reuters berichtete, das Gebäude sei „ausgebrannt, rußgeschwärzt und immer noch glühend gewesen, als am Donnerstag die Rettungskräfte sich um das Haus versammelten. Die Toten lagen in Decken gehüllt auf einer nahegelegenen Straße.“

Zeugen berichteten, dass die Bewohner vor Verzweiflung aus den Fenstern sprangen, um dem Inferno zu entkommen, und Babys aus dem dritten Stock zu den unten wartenden Menschen hinuntergeworfen wurden.

Vertreter der Stadt und medizinisches Personal erklärten auf einer Pressekonferenz, das jüngste der toten Kinder sei erst ein Jahr alt. Eine noch unbekannte Zahl von Bewohnern werde noch vermisst, und viele geborgene Leichen seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.

Die Rettungskräfte warnten, die Zahl der Toten könnte noch weiter steigen, da die Suche in den Überresten des Gebäudes noch nicht abgeschlossen ist. Mehr als 50 Menschen wurden bei dem Brand verwundet, sechs davon wurden schwerverletzt in ein örtliches Krankenhaus gebracht.

Associated Press (AP) berichtete am Donnerstag: „Feuerwehrleute kämpften sich, Stunden nachdem das Feuer bereits gelöscht war, durch die Überreste von Hütten und anderen Behelfsgebäuden, die das Innere des heruntergekommenen fünfstöckigen Gebäudes im Herzen des zentralen Geschäftsviertels von Johannesburg übersäten.

Noch lange nachdem das Feuer gelöscht war, trat Rauch aus dem geschwärzten Gebäude, während zusammengedrehte Decken und Laken wie Seile aus den zerbrochenen Fenstern hingen, an denen Menschen versucht hatten, den Flammen zu entkommen.“

Obwohl die Behörden die Brandursache noch nicht ermittelt haben, erklärte Mgcini Tshwaku von der Stadtteilverwaltung gegenüber den Medien, erste Hinweise deuteten darauf hin, dass der Brand durch eine Kerze ausgelöst wurde. Die Bewohner des Gebäudes hätten oft Kerzen als Lichtquelle benutzt und offene Feuer angezündet, um sich in der winterlichen Kälte warm zu halten.

Laut Augenzeugen, welche die Katastrophe von der anderen Straßenseite aus beobachteten, warfen einige Menschen Babys aus dem brennenden Gebäude. Mindestens einer der Toten sei ein Mann gewesen, der aus dem dritten Stock sprang und mit dem Kopf voran auf dem Pflaster landete.

Überlebende beschrieben, wie Bewohner hinter verschlossenen Toren an Ausgängen gefangen waren, weil es keine funktionierenden Fluchtwege gab. Ein Zeuge aus dem Nachbargebäude erklärte gegenüber dem Nachrichtensender eNCA, er habe Leute schreien und um Hilfe rufen hören: „Wir sterben hier drin.“

Niemand weiß, wie viele Menschen in dem Gebäude lebten. Laut einigen Schätzungen waren es 200 Personen, und ein Regierungsvertreter behauptete, von dem Brand seien 141 Familien betroffen. Da viele der Bewohner Immigranten waren, wird es schwierig werden, die Opfer zu identifizieren und festzustellen, wer noch vermisst wird.

Die Behörden behaupteten zunächst, in dem Gebäude hätten Hausbesetzer gelebt. Dem widersprach allerdings Lebogang Isaac Maile, der Leiter der Besiedlungsbehörde der Provinz Gauteng, zu der Johannesburg gehört. Er erklärte, einige der Toten hätten vermutlich Miete oder Erpressungsgeld an kriminelle Banden gezahlt.

Gegenüber Reuters erklärte Maile: „Es gibt Kartelle, die es auf diese Schwachen abgesehen haben. Denn einige dieser Gebäude, wenn nicht sogar die meisten, werden von diesen Kartellen kontrolliert, die dafür von den Bewohnern Mieten kassieren.“

Der Bürgermeister von Johannesburg, Kabelo Gwamanda, erklärte vor der Presse, die Stadt habe das Gebäude einer Wohltätigkeitsorganisation für vertriebene Frauen vermietet, allerdings sei es aber „letztendlich zu anderen Zwecken benutzt worden.“ Weiter äußerte er sich dazu nicht.

Als reichste Stadt Afrikas ist Johannesburg dennoch geplagt von Armut, Hunger und Obdachlosigkeit, vor allem im Stadtzentrum. Wie der AP-Bericht feststellt: „Verlassene und heruntergekommene Gebäude sind ein alltäglicher Anblick, und Menschen, die verzweifelt nach irgendeiner Form von Unterkunft suchen, nutzen sie als Obdach. Die städtischen Behörden bezeichnen sie als ,gekaperte Gebäude‘, und sie stellen seit Jahren oder Jahrzehnten ein Problem dar.“

Um die Verantwortung für die Katastrophe von sich zu weisen, bezeichnete der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa sie als „Weckruf“ in Bezug auf die Wohnungskrise der Stadt. Der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär und Geschäftsmann, der heute mit einem Nettovermögen von 500 Millionen Dollar zu den reichsten Personen des afrikanischen Kontinents zählt, behauptete auch, der Brand gehe darauf zurück, dass Wohngebäude „von Kriminellen übernommen werden, die von Schwachen und Familien, die Unterkunft in der Innenstadt brauchen, Mieten verlangen.“

Die Äußerungen Ramaphosas sind ein zynischer Versuch, zu vertuschen, was der Brand offenbart. Unabhängig von den genauen Umständen steht die Tragödie eindeutig im Zusammenhang mit der massiven sozialen Krise in Johannesburg und in Südafrika insgesamt.

Diese Bedingungen sind eine Anklage gegen die gesamte von Ramaphosa und dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) verkörperte Perspektive. Das Ende der Rassentrennung im Jahr 1994 war das Ergebnis eines großen sozialen Kampfs der Massen.

Doch der ANC sorgte dafür, dass als Ergebnis eine neue Republik errichtet wurde, die auf dem Kapitalismus und einer noch direkteren Beziehung zum globalen Finanzkapital basierte.

Laut dem Gini-Index der Weltbank liegt die Vermögensungleichheit in Südafrika bei 63 Prozent. Das bedeutet, das oberste eine Prozent der Verdiener erhält fast ein Fünftel des gesamten Einkommens und die obersten zehn Prozent 65 Prozent. Auf der anderen Seite verfügen 90 Prozent der Einkommensbezieher in Südafrika nur über 35 Prozent des Gesamteinkommens.

Diese soziale Entwicklung zeigt, dass das nationalistische und pro-kapitalistische Programm des ANC keines der sozialen Probleme gelöst hat, mit denen die Massen konfrontiert sind. Stattdessen hat es eine winzige nationale Bourgeoisie bereichert, während es die Massen weiter verarmte. Das beweist, dass die grundlegende soziale Spaltung die Klasse und nicht die Hautfarbe ist.

Tragödien wie der Brand in Johannesburg sind nicht auf die historisch unterdrückten und unterentwickelten Länder beschränkt. Sie sind zunehmend ein weltweites Phänomen, das mit der globalen Zunahme der Ungleichheit zusammenhängt.

Dies wurde durch das Inferno im Grenfell Tower in North Kensington, West London, am 14. Juni 2017 unterstrichen, bei dem 72 Menschen ums Leben kamen. Bei dieser Katastrophe, die im vierten Stock eines 24-stöckigen Wohngebäudes begann, befanden sich auch Kinder und ganze Familien unter den Toten, viele davon Immigranten. Viele von ihnen starben, weil sie in ihren Wohnungen gefangen waren und den Flammen nicht entkommen konnten.

Die Tragödie von Grenfell war auch das direkte Ergebnis Jahrzehnte langer staatlicher Deregulierung durch Labour- und Tory-Regierungen, bei der das kapitalistische Profitstreben über die Sicherheit und das Leben der Bewohner des Hochhauses gestellt wurde.

Die Brandkatastrophe in Johannesburg erinnert ebenso an den Brand von Ghost Ship in Oakland (Kalifornien) am 2. Dezember 2016. Das Feuer in dem ehemaligen Lagerhaus, das in ein Künstlerkollektiv mit Wohnräumen umgewandelt worden war, kostete 36 Menschen das Leben und war das tödlichste in der Geschichte der Stadt.

Der Brand von Ghost Ship war das Ergebnis eines Zusammenspiels von Bedingungen, deren Wurzeln allesamt im kapitalistischen System liegen, und die scheinbar auch bei der Katastrophe in Johannesburg eine Rolle gespielt haben: rapide steigende Wohnkosten zwingen die Menschen, billige unterdurchschnittliche Unterkünfte zu mieten, Immobilienbesitzer vermieten alte marode Gebäude, um ihre Einnahmen zu maximieren, und städtische Beamte lassen zu, dass die Feuerwehren unterbesetzt und unterfinanziert sind.

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