BRICS-Gipfel in Kasan: Russland diskutiert Abkehr vom US-Dollar

Am Donnerstag endete im russischen Kasan ein dreitägiges Gipfeltreffen der BRICS-Koalition (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), an dem insgesamt Vertreter von 36 Staaten teilnahmen. Außer den Staatschefs der ursprünglichen fünf BRICS-Staaten waren auch der iranische Präsident Masoud Pezeshkian, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi anwesend.

Der russische Präsident Wladimir Putin (rechts) begrüßt den vietnamesischen Premierminister Pham Minh Chinh während eines bilateralen Treffens am Rande des BRICS-Gipfels in Kasan am 24. Oktober 2024. [AP Photo]

Das Gipfeltreffen in Kasan hat die Aufmerksamkeit auf die verzweifelte wirtschaftliche und geopolitische Krise des Weltkapitalismus gerichtet. Es fand in einer Situation statt, in der der US-Imperialismus und seine europäischen Verbündeten den Krieg gegen Russland in der Ukraine fortsetzen und den Völkermord in Gaza und einen möglichen israelischen Angriff auf den Iran unterstützen. Mehrere der teilnehmenden Staaten, vor allem der Iran, Russland und China, werden in den US-Medien jetzt als „Achse des Bösen“ verurteilt.

Angesichts der unablässigen Aggressivität der imperialistischen Mächte versuchen die BRICS-Staaten, regionale Verbündete zu gewinnen und die internationale Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern.

Am Mittwoch veröffentlichten die Teilnehmer des Gipfeltreffens in Kasan ein Kommuniqué, in dem sie dazu aufriefen, den Ukraine-Krieg „durch Dialog und Diplomatie“ zu beenden und „große Besorgnis“ über die „massenhaften Todesopfer und Verletzten unter Zivilisten, die Vertreibung und umfassende Zerstörung von ziviler Infrastruktur“ in Gaza äußerten. Auch die israelischen Angriffe und die Bombardierung des südlichen Libanon wurden kritisiert.

Das Kommuniqué erwähnte auch die „zerstörerischen Auswirkungen unrechtmäßiger unilateraler Zwangsmaßnahmen, darunter illegaler Sanktionen“ auf das Wirtschaftsleben. Die USA haben den Iran, seit ihrer einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens 2018, und Russland, seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs 2022, den Zugang zum US-Dollar und dem damit verbundenen SWIFT–System für internationale Interbankenzahlungen abgeschnitten und damit ihre Volkswirtschaften abgewürgt. Angesichts des militärischen Debakels der Nato in der Ukraine verhängt Washington zudem Sanktionen gegen chinesische Banken, die den Handel mit Russland finanzieren.

Die Drohungen Washingtons und seiner europäischen Verbündeten, Russlands Dollar-Reserven zu beschlagnahmen, haben viele Länder alarmiert, die bereits dem BRICS-Bündnis angehören oder ihm vielleicht beitreten – darunter Saudi-Arabien, das durch seine Ölverkäufe über große Dollar-Reserven verfügt, aber mittlerweile enge Handelsbeziehungen zu China unterhält.

Daher wurden auf dem Gipfeltreffen in Kasan Zahlungssysteme ohne den US-Dollar ins Leben gerufen oder erwogen sowie die Schaffung von Finanzmärkten außerhalb der Kontrolle der USA. Das Kommuniqué sprach sich für „die Verwendung lokaler Währungen bei Finanztransaktionen zwischen BRICS-Staaten und ihren Handelspartnern“ aus. Außerdem wurde „die Initiative der russischen Seite zur Einrichtung einer Handelsplattform für Getreide (Waren) innerhalb von BRICS (die BRICS-Getreidebörse)“ unterstützt. Ein Großteil des russischen und iranischen Ölhandels wird bereits außerhalb des US-Dollars abgewickelt, vor allem mit China und Indien, um US-Sanktionen zu umgehen.

Im Kommuniqué des Gipfeltreffens wurde der Interbank-Kooperationsmechanismus (ICM) der BRICS damit beauftragt, „die Machbarkeit einer unabhängigen grenzüberschreitenden Zahlungs- und Reserve-Infrastruktur, BRICS Clear, zu überprüfen.“ Ein solches System wäre ein potenzieller Konkurrent für SWIFT.

Russland und China beschleunigen obendrein den Ankauf von Gold, eine potenzielle alternative Hartwährung zum US-Dollar. Berichten zufolge ist dies entscheidend, damit sie weiterhin Handel treiben können, auch wenn US-Regulierungsbehörden chinesischen Banken mit Sanktionen drohen, weil sie versuchen, angesichts des Ukraine-Kriegs den Handel mit Russland zu beenden. Die Jerusalem Post schrieb letzten Monat in einem Artikel mit dem Titel „Anstieg um 601 Prozent: Russland löst beispiellose Goldkauf-Orgie aus“:

Russland und China haben einen neuartigen Ansatz entwickelt: Sie benutzen Gold als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen. Dabei wird Gold in Russland gekauft, zum Verkauf nach Hongkong transportiert und der Erlös auf lokale Bankkonten eingezahlt. Dieser Umweg ermöglicht es beiden Ländern, die Sanktionen zu umgehen und den Handel fortzusetzen.

Diese alternative Methode hat jedoch ihre Hürden. Russische Unternehmen mussten Kuriere einstellen, um Dokumente physisch über die Grenzen zu transportieren und die notwendigen Genehmigungen von chinesischen Bankern einzuholen.

Putin erklärte bei einer Pressekonferenz vor dem Gipfel: „Die ganze Welt hat begonnen, über die Frage nachzudenken, ob sie US-Dollar benutzen sollte, da die USA aus politischen Gründen die Verwendung des US-Dollar als internationales Zahlungsmittel einschränken.“ Er fügte hinzu, dass 95 Prozent des russischen Außenhandels und vor allem 95 Prozent des Handels mit China in nationalen Währungen und nicht in Dollar abgewickelt werden.

Washington und seine europäischen imperialistischen Verbündeten reagieren empört auf derartige Initiativen. Der US-Imperialismus versucht seit langem, andere Länder zu ermutigen oder zu zwingen, den Dollar zu benutzen. Vor allem seit der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion 1991 führte er eine Welle von imperialistischen Kriegen im gesamten ölreichen Nahen Osten. Sie beruhten auf finanziellen Kalkulationen, die weit über die Plünderung von Ländern wie dem Irak und Libyen durch amerikanische und europäische Ölkonzerne hinausgehen.

Angesichts des anhaltenden Niedergangs ihrer Wettbewerbsfähigkeit haben die USA seit Jahrzehnten riesige Handels- und Zahlungsbilanzdefizite in Höhe von hunderten Milliarden Dollar pro Jahr angehäuft. Um diese Defizite zu finanzieren und die notwendigen Waren von der Weltindustrie zu bekommen, haben sie Dollars gedruckt – oft in Form von massiven Rettungsaktionen. Andere Länder haben diese Dollars angenommen, selbst wenn sie keine so großen Mengen brauchten, um US-Produkte zu kaufen, weil sie Waren anderer Länder kauften, die auf den von den USA kontrollierten Märkten in Dollars verkauft wurden, wie Energie oder Getreide.

Die Strategen des US-Imperialismus waren daher entschlossen, genau die Art von Ereignis zu vermeiden, die auf dem BRICS-Gipfel in Gang gesetzt wurde: die Einrichtung eines internationalen Handels mit kritischen Gütern, der nicht in Dollar durchgeführt wird und auf Märkten stattfindet, die sich der geopolitischen Kontrolle der USA und der Nato entziehen.

Diese Gefahr wird in den offiziellen Nato-Kreisen durchaus erkannt. Im Jahr 2019 veröffentlichte die dänische Saxobank eine Studie über die Frage, was passieren würde, wenn der eurasische Handel nicht mehr in Dollars abgewickelt würde. Sie prognostizierte, dass dies „dem US-Dollar einen beträchtlichen Teil des Welthandels entziehen [würde], wodurch den USA immer weniger Mittel zur Finanzierung ihrer zweistelligen Defizite zur Verfügung stünden.“ Weiter hieß es, dass „der US-Dollar innerhalb von Monaten 20 Prozent“ an Wert gegenüber den durchschnittlichen asiatischen Währungen „und 30 Prozent gegenüber dem Gold“ verlieren werde.

Tatsächlich sprachen Vertreter der US-Regierung während des BRICS-Gipfels zahlreiche Drohungen gegen die BRICS-Staaten aus. Sie richteten sich in erster Linie gegen Russland und Nordkorea. Nordkorea wurde beschuldigt, Truppen nach Russland für den Krieg in der Ukraine geschickt zu haben, was die Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum verschärft und China ins Visier nimmt.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte auf einer Pressekonferenz in Rom: „Wir haben Beweise, dass nordkoreanische Truppen ... in Russland eingetroffen sind. Wenn sie Kriegsbeteiligte sind – wenn sie auf Russlands Seite an diesem Krieg teilnehmen wollen –, dann ist das eine sehr, sehr ernste Sache.“ Das US-Verteidigungsministerium erklärte: „Die Auswirkungen eines solchen Schritts würden nicht nur in Europa, sondern auch im indopazifischen Raum zu spüren sein.“

Der Sprecher des US-Sicherheitsrats, John Kirby, erklärte, nordkoreanische Soldaten in der Ukraine wären „Freiwild“ und könnten von US-geführten Streitkräften in der Ukraine angegriffen werden.

Darin zeigt sich die entscheidende Schwäche des BRICS-Gipfels. Es handelt sich um eine Koalition kapitalistischer Regierungen, die eine „multipolare“ Weltordnung errichten wollen, um mehr oder weniger friedlich mit den imperialistischen Nato-Mächten zu koexistieren, wie es auch die stalinistische Bürokratie vor der Auflösung der Sowjetunion versucht hat. Sie wollen eine Verständigung mit dem Imperialismus, doch die imperialistischen Mächte sind völlig rücksichts- und skrupellos, wenn es darum geht, ihre eigenen Interessen durch Völkermord und Krieg zu verfolgen. Sie wollen keine Multipolarität, sondern Welthegemonie.

Die bürgerlichen Regime der BRICS-Staaten sind sich obendrein schmerzlich bewusst, dass in ihren eigenen Ländern in den letzten Jahrzehnten eine Arbeiterklasse von mehreren Milliarden Menschen herangewachsen ist. Die Präsenz des blutbefleckten ägyptischen Diktators al-Sisi, der im Jahr 2013 durch einen Putsch an die Macht gekommen ist und die revolutionären Kämpfe der ägyptischen Arbeiter in Blut ertränkt hat, ist nur ein Beispiel für ihre Feindseligkeit gegenüber den Arbeitern. Das Kommuniqué des Gipfeltreffens forderte obendrein einen „angemessen ausgestatteten IWF“ – der Organisation, die den Arbeitern von BRICS-Kandidaten wie Pakistan und Sri Lanka einen brutalen Sparkurs aufgezwungen hat.

Putin erklärte auf seiner Pressekonferenz vor dem Gipfeltreffen, BRICS bringe Staaten auf der gemeinsamen Grundlage von Kapitalismus und traditionellen Überzeugungen zusammen: „Alle unsere so genannten traditionellen Werte der chinesischen Kultur, der christlichen Kultur, der islamischen Kultur sind im Grunde genommen die gleichen, wenn sie von einer Sprache in die andere übersetzt werden.“

Genau wie in den Nato-Staaten herrscht auch unter den Arbeitern in den BRICS-Staaten Widerstand und Empörung über die Drohungen der Nato, in die Ukraine einzumarschieren um gegen Russland zu kämpfen, oder über Israels Völkermord in Gaza. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Aufbau einer „multipolaren“ kapitalistischen Welt eine tragfähige Perspektive für den Kampf gegen den Imperialismus wäre.

BRICS ist eine heterogene Koalition von Regimen, die wenig mehr gemeinsam haben als das Bewusstsein der tödlichen Bedrohung durch die dominante Rolle des US-Imperialismus und des Dollars. Untereinander bestehen scharfe Spannungen. BRICS-Mitglieds- und Kandidatenstaaten, darunter Indien und Pakistan oder der Iran und Saudi-Arabien, haben immer wieder Kriege gegeneinander geführt oder damit gedroht.

Die einzige tragfähige Perspektive für einen Kampf gegen die unablässige Kriegseskalation der imperialistischen Mächte ist der Aufbau einer revolutionären sozialistischen Bewegung gegen imperialistischen Krieg und Kapitalismus in der internationalen Arbeiterklasse.

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