Vor der Landtagswahl in Thüringen: Ramelow-Regierung forciert Staatsaufrüstung und Flüchtlingshetze

Nach dem mörderischen Messerangriff in Solingen kommentierte die World Socialist Web Site, es gebe in Deutschland nur noch eine Partei: die AfD. Vertreter aller etablierten Parteien ergehen sich in rechtsextremer Flüchtlingshetze und überbieten sich gegenseitig mit immer drastischeren Forderungen nach mehr Abschiebungen und der Errichtung eine Polizeistaats.

Ramelow spricht im Thüringer Landtag (AP-Photo/Jens Meyer) [AP Photo/Jens Meyer]

Die Linkspartei ist dabei keine Ausnahme. Vor den Landtagswahlen im Osten stellt sie sich ähnlich wie ihr Spaltprodukt Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an die Spitze der Kampagne. Einen besonders scharfen Ausdruck findet das in Thüringen, wo Die Linke mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt und eine rot-rot-grüne Landesregierung führt.

Die Maßnahmen, die Ramelow und der thüringische Innenminister Georg Meier (SPD) am Mittwoch auf einer gemeinsamen Regierungsmedienkonferenz präsentierten, könnten auch von der faschistischen AfD stammen.

Ganz unmittelbar werde die Thüringer Polizei „angewiesen, die sichtbare Präsenz von Polizeikräften an Orten, an denen eine Vielzahl von Personen zusammenkommen, deutlich zu erhöhen“, erklärte Meier. Dies beträfe z.B Versammlungen, Volksfeste, Sport- und Großveranstaltungen und Musikveranstaltungen.

Zudem werde die „polizeiliche Videoüberwachung“ ausgeweitet. Als Pilotprojekt solle unter anderem die Überwachung des Angers in der Landeshauptstadt Erfurt „energisch vorangetrieben“ werden. Dafür seien die Kamerastandorte „bereits festgelegt“ worden. Darüber hinaus würden die Thüringer Kommunen vom Ministerium „dabei unterstützt, Videoüberwachung auf Grundlage des Ordnungsbehördengesetzes einzurichten“.

Andere Maßnahmen zielen auf die Stigmatisierung von Flüchtlingen als Gewalttäter. Meier erklärte, dass die Thüringer Polizei von nun an neu angekommene Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen „über Regeln, Gesetze und Umgangsformen“ aufklären werde. Für ihn sei „an dieser Stelle zentral, dass wir sehr deutlich vermitteln, dass das Tragen von Messern in Deutschland nicht zum Alltag gehört“.

Im Zentrum stehen Massenabschiebungen. So werde eine „Zentralstelle für Rückführung“ im Thüringer Landesverwaltungsamt aufgebaut. Die Mittel dafür habe man „bereits im Haushalt für das Jahr 2025 angemeldet“. Die Zentralstelle werde die Landkreise unterstützen und sich eng mit dem Bund abstimmen.

Bereits jetzt ist Thüringen für seine unmenschlichen Abschiebungen berüchtigt. „Mit dem stärkeren Fokus auf Rückführungen konnten bereits dieses Jahr erheblich mehr ausreisepflichtige Personen abgeschoben werden als in den vergangenen Jahren“, brüstete sich Meier. So seien 2024 bereits 266 Personen abgeschoben worden, davon 246 im ersten Halbjahr. Im Vergleichszeitraum 2023 seien „es lediglich 151 und 2022 nur 124 Abschiebungen“ gewesen. „Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit 63 Prozent mehr Personen abgeschoben.“

Um die Zahlen weiter zu erhöhen und sicherzustellen, dass Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, auch tatsächlich deportiert werden, werde man „in Thüringen Plätze für Abschiebehaft schaffen“. Bisher habe man keine und miete „entsprechende Plätze“ im Bundesland Rheinland-Pfalz, klagte der Innenminister. Dies werde man nun angehen und auch „hier in Thüringen Abschiebehaftplätze schaffen“.

Diese seien auch notwendig im Hinblick auf Deportationen nach Syrien und Afghanistan. „Gefährder und Migranten, die schwere Straftaten begangen haben, müssen auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden können“, forderte Meier. Die Bundesregierung sei „aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“. Auf Landesebene würden bereits „alle Vorbereitungen getroffen, um Personen umgehend auch nach Syrien und Afghanistan abzuschieben“.

Immer wieder griff Meier die Bundesregierung, die ihrerseits den Krieg gegen Flüchtlinge anheizt, von rechts an. Thüringen fordere „den Bund auf, die Grenzkontrollen zu den Nachbarstaaten Österreich, Schweiz, Polen und Tschechien weiterzuführen“. Die Kontrollen hätten „die Anzahl ankommender illegaler Migranten im vergangenen Jahr um ca. 20 Prozent gesenkt“. Die Binnengrenzkontrollen innerhalb Europas seien erst „dann nicht mehr notwendig, wenn die Reformen des gemeinsamen europäischen Asylsystems auf EU-Ebene effektiv die illegale Migration in die EU verhindert“.

Damit fördert die „linke“ Landesregierung auch explizit die Barbarei an den europäischen Außengrenzen. Nach offiziellen Zahlen sind allein seit 2014 über 28.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Das vergangene Jahr war mit über 2500 Ertrunkenen das tödlichste seit 2020. Die von Meier angesprochene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) zielt darauf ab, die mörderische „Festung Europa“-Politik weiter zu verschärfen.

Weitere Maßnahmen, die Meier forderte, zielen auf die Überwachung und Kontrolle des Internets. So müsse die Bundesregierung „unverzüglich Vorschläge zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes vorlegen, um die Speicherung von IP-Adressen und ihnen zugeordneter Identitätsdaten … zu ermöglichen“. Für eine „effektive Aufklärung im Internet“, müsse die Bundesregierung „umgehend einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorlegen“.

Ramelow stellte sich in seinen Ausführungen voll hinter die Pläne seines Innenministers und trieb die nationalistische Hetze gegen Flüchtlinge auf die Spitze. Man werde sich von „keinem der Verfassungsfeinde das Land kaputt machen lassen“, polterte er. Man habe „sehr intensiv über Lücken im Asylrecht und im Asylvollzug gesprochen“ und ja, auch „die Frage von Auslieferungsquartieren bzw. Rückführungsquartieren“ sei „eine Notwendigkeit“.

Erst vor wenigen Wochen hatte Ramelow eine Reihe von Interviews gegeben, in denen er sich voll hinter den Kriegskurs der Nato gegen Russland stellte und sich sogar für einen Einsatz der Bundeswehr in der Ukraine aussprach. Im Mai hatte er bereits den Einsatz deutscher Blauhelm-Truppen im Gazastreifen ins Spiel gebracht und damit einen Vorstoß der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock unterstützt, die eine Schlüsselrolle dabei spielt, Israels Genozid an den Palästinensern zu ermöglichen und zu verteidigen.

Ramelows Ruf nach deutschen Militärinterventionen kommt nicht überraschend, sondern ergibt sich aus dem Charakter der Linkspartei als Stütze des deutschen Kapitalismus und Militarismus. Von Anfang an unterstützte sie die Nato-Offensive gegen Russland und auch das völkermörderische Vorgehen Israels. So verabschiedete der Bundestag am 10. Oktober 2023 einen pro-israelischen Entschließungsantrag der Ampel-Parteien und der Union mit den Stimmen aller (!) Abgeordneten der Linkspartei. Ramelow selbst hisste kurz darauf persönlich eine israelische Flagge vor der Staatskanzlei in Erfurt.

Zwischen der Flüchtlingshetze und der Kriegspolitik besteht ein direkter Zusammenhang. Je aggressiver die herrschende Klasse die Interessen des deutschen Militarismus verfolgt und den damit verbundenen Sozialkahlschlag vorantreibt, desto offener setzt sie auf Polizeistaatsmaßnahmen und Faschismus, um die explosive soziale und politische Opposition im Inneren zu unterdrücken. Mit ihrer Hetze versucht sie gezielt, Flüchtlinge und Migranten zum Sündenbock für die soziale Katastrophe zu machen und die extreme Rechte zu stärken.

Auch in dieser Hinsicht spielt die Linkspartei eine Vorreiterrolle. Gerade in Thüringen zeigt sich, wie stark auch die nominell linken Parteien mit der AfD paktieren. Direkt nach seiner Wiederwahl im Februar 2020 hatte Ramelow den Schulterschluss mit den Faschisten geübt und den AfD-Mann Michael Kaufmann mit seiner Stimme zum Vizepräsidenten des thüringischen Landtags gemacht. Er habe sich „sehr grundsätzlich entschieden, auch mit meiner Stimme den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe, die jeder Fraktion zugebilligt werden muss“, kommentierte er seine Stimmabgabe für den Rechtsextremen auf Twitter/X.

Seitdem kooperieren unter Ramelows Ägide alle Landtagsparteien eng mit den Faschisten. Vor allem die Zusammensetzung der Parlamentsausschüsse im Thüringischen Landtag gibt davon einen anschaulichen Eindruck. So wird etwa der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft vom AfD-Abgeordneten Dieter Laudenbach geleitet. Und auch die Ausschüsse für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und für Umwelt, Energie und Naturschutz werden von AfD-Leuten geführt. In der von der Linkspartei geführten Strafvollzugskommission stellt die AfD den Stellvertreter.

Darüber hinaus wird gerade in Thüringen sichtbar, wie die Linkspartei überall dort, wo sie (mit)regiert, die Kapitalinteressen durchsetzt und damit die Verzweiflung und Frustration schafft, die die Faschisten um den thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke ausschlachten. Umfragen zufolge kommt die AfD bei den Wahlen am Sonntag auf etwa 29 Prozent. Die Linke, die bei den letzten Landtagswahlen 2019 noch 31 Prozent der Stimmen erhalten hatte, liegt nur noch bei 15 Prozent.

Das ist die Quittung für ihre asoziale und militaristische Politik. Seitdem ihre Vorläuferin SED/PDS im Zuge der Wende den Kapitalismus in Ostdeutschland wieder eingeführt hat, war die Linkspartei wiederholt an rechten kapitalistischen Regierungen beteiligt. Ramelow selbst ist seit mittlerweile zehn Jahren im Amt. Seine rot-rot-grüne Minderheitsregierung setzt heftige soziale Angriffe mit Unterstützung der konservativen CDU durch.

Das Resultat ist eine soziale Katastrophe. Die aktuelle Armutsquote liegt in Thüringen mit 18,4 Prozent im Jahr 2022 weit über dem Bundesdurchschnitt von 16,8 Prozent. Laut einer Bertelsmann-Studie sind fast jedes vierte Kind und jeder dritte junge Erwachsene von Armut bedroht. Die durchschnittliche Grundrente beträgt lediglich 1.100 Euro und liegt somit unter der Armutsgrenze von 1.186 Euro. Die hohe Inflation der letzten Jahre – ein direktes Ergebnis der Nato-Kriegsoffensive gegen Russland – hat die ohnehin verzweifelte Situation armer Bevölkerungsschichten noch weiter verschärft.

Der Kampf gegen die soziale Verwüstung, Faschismus und Krieg erfordert eine politische Abrechnung mit der Linkspartei und ihrem Spaltprodukt, dem BSW, das im Wahlkampf ebenso aggressiv auf Flüchtlingshetze und Nationalismus setzt. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) weist diese reaktionäre Offensive, die auf die sozialen und demokratischen Rechte der gesamten Arbeiterklasse zielt, auf das Schärfste zurück.

„Die geflüchteten Menschen sind nicht unsere Gegner, sondern unsere engsten Verbündeten im Kampf gegen ein System, das den Menschen nichts mehr zu bieten hat als Barbarei und Krieg“, betont der Vorsitzende der SGP, Christoph Vandreier, in einem aktuellen Statement. „Deshalb fordern wir alle klassenbewussten Arbeiter auf: Verteidigt mit uns die Rechte von Geflüchteten und Migranten! Ihre Rechte sind unsere Rechte. Unterstützt den Aufbau der SGP! Gegen Kapitalismus und Krieg!“

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