Syrizas Vermächtnis: Vier Jahre Kürzungen, Privatisierungen, Militarismus und Angriffe auf Flüchtlinge

Teil 3

Der ersten beiden Teile der Serie können hier (Teil 1) und hier (Teil 2) abgerufen werden.

Auch auf dem Gebiet der Innenpolitik ließ die Syriza-Regierung alle Hüllen fallen. Das zeigte schon früh die Personalie Giannis Panousis: Der Kriminologe und frühere Pasok-Politiker wurde stellvertretender Innenminister, zuständig für Bürgerschutz und Polizei. Panousis forderte u. a. die Wiedereinführung der kommunalen Polizei, rigorosere Verbrechensbekämpfung und mobile Einheiten in ausgewählten Regionen. Er sorgte auch dafür, dass die Polizei bei Demonstrationen weiterhin Waffen trug – was Syriza vor der Wahl noch abschaffen wollte.

Panousis hetzte in Pressekommentaren gegen Linke und behauptete, das linksautonome Athener Viertel Exarchia werde „von der Mafia kontrolliert“. Im April 2015 ließ er auf Anweisung Tsipras’ das von Anarchisten besetzte Rektoratsgebäude der Athener Universität mit Polizeigewalt und Tränengas räumen und 18 Personen verhaften.

Laut Eurostat-Angaben stiegen in Griechenland die Ausgaben für Öffentliche Ordnung und Sicherheit – darunter auch die Polizei – von 3,9 Prozent des Gesamthaushalts 2015 auf 4,5 Prozent im Jahr 2017.

Der Law-and-Order-Kurs der Syriza-Regierung spiegelte sich auch in weiteren Personalentscheidungen wider. So wurde der frühere Innenminister der rechten Regierung von Kostas Karamanlis (Nea Dimokratia - ND), Prokopis Pavlopoulos, auf Vorschlag von Tsipras Staatspräsident und der frühere Geheimdienstchef unter Karamanlis, Dimitris Papangelopoulos, stellvertretender Justizminister.

Im August 2018 avancierte die langjährige ND-Politikerin Katerina Papakosta zur stellvertretenden Bürgerschutzministerin und kontrollierte damit die Polizei. Sie hatte kurz zuvor eine neue rechte Partei gegründet (Nea Elliniki Ormi). Dass sie von dem Neonazi-Denken vieler Polizisten nicht weit entfernt ist, bewies sie durch übelste Flüchtlingshetze: „Die illegalen Einwanderer fluten unsere Grenzen zu Tausenden, wie die Kakerlaken“, erklärte Papakosta 2012.

Nach dem Ende der Koalition mit Anel im Januar holte Tsipras eine ganze Reihe ultrarechter Anel-Politiker in seine Fraktion und auf seine Wahllisten, darunter Terence Quick, zuletzt Staatssekretär im Außenministerium, Thanasis Papachristopoulos, Vassilis Kokkalis, Kostas Zouraris und Marina Chrysoveloni, Pressesprecherin für Anel. Auch Papakosta landete im Juli auf der Syriza-Wahlliste. Die ehemalige Anel-Politikerin und Tourismusministerin Elena Kountoura, Tochter eines bekannten Generals und Monarchisten, gewann sogar für Syriza einen Sitz im EU-Parlament.

Flüchtlingspolitik

Entgegen ihrer Wahlversprechen setzte Syriza die menschenverachtende Migrationspolitik ihrer Vorgänger nicht nur fort, sondern verschärfte sie sogar dramatisch.

Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) flohen mit Beginn der Flüchtlingskrise allein im Jahr 2015 über 850.000 Menschen – die meisten aus den Kriegsgebieten Syrien, Afghanistan und Irak – von der Türkei über das Mittelmeer nach Griechenland. Hunderte Flüchtlinge bezahlten die gefährliche Überfahrt auf dem Schlauchboot mit dem Leben.

Die griechische Regierung und die EU, die für die tödliche Kriegs- und Abschottungspolitik verantwortlich sind, ließen die erschöpften und traumatisierten Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, in notdürftigen Zeltlagern, Baracken oder unter freiem Himmel ohne hygienische Mindeststandards ausharren und von der Polizei misshandeln.

Um die Flucht der Menschen in die EU zu stoppen, vereinbarten die Nato-Länder auf Initiative Griechenlands, Deutschlands und der Türkei im Februar 2016 einen Militäreinsatz in der Ägäis. Unter dem Vorwand des Kampfs gegen „Schlepper“ und „illegale Migration“ soll die andauernde Nato-Operation in Zusammenarbeit mit der Grenzschutzagentur Frontex und den griechischen und türkischen Behörden die Festung Europa militärisch abriegeln und zugleich stärkere Präsenz gegen Russland zeigen.

Im selben Zeitraum vereinbarten die Westbalkanländer, darunter Nordmazedonien, die Schließung ihrer Grenzen und hinderten so die Flüchtlinge daran, nach Nordeuropa weiterzureisen. Rund 8.500 Flüchtlinge saßen plötzlich an der griechisch-mazedonischen Grenze fest. Die schockierenden Bilder über die furchtbaren Zustände im provisorischen Lager von Idomeni gingen um die Welt.

Doch die griechische Regierung und die EU verfolgten eine gnadenlose Politik der Abschreckung. Am 18. März schlossen sie ein kriminelles Abkommen mit der Türkei, das die Inhaftierung der Flüchtlinge in als „Hotspots“ bezeichneten Konzentrationslagern und ihre möglichst rasche Abschiebung in die Türkei vorsah.

Der EU-Türkei-Deal, den die Syriza-Regierung als Türsteher der Festung Europa umsetzte, hebelte das Grundrecht auf Asyl aus und wurde von mehreren Menschenrechtsorganisationen sowie den Vereinten Nationen als illegal eingestuft. Eingesperrt in den überfüllten Hotspots leben Tausende Flüchtlinge mittlerweile schon seit Jahren unter katastrophalen Verhältnissen. Zwei Monate nach dem Deal ging die Syriza-Regierung mit Tränengas und Blendgranaten gegen protestierende Flüchtlinge in Idomeni vor und ließ das wilde Lager räumen.

Der griechische Staat ist für unzählige Misshandlungen, Krankheiten und Todesfälle von Flüchtlingen verantwortlich, aber nur selten kommt ein Fall vor Gericht. In diesem Juli reichte eine syrische Familie wegen des Tods ihres Vaters im Moria-Lager auf Lesbos Klage ein. Der 46-jährige Mustafa Mustafa war im Januar 2017 beim Schlafen im Zelt an einer Kohlenmonoxidvergiftung erstickt, weil er versucht hatte, mit einem selbstgebastelten Ofen der nassen Winterkälte zu trotzen. In derselben Woche starben auch ein 20-jährige Ägypter und ein junger Pakistani an derselben Ursache.

Nur in einzelnen Fällen wurde Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Entschädigungszahlungen verurteilt. So erhielten in diesem Jahr vier minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan, die 2016 unter widerrechtlichen Umständen in Zellen eingesperrt worden waren, und neun minderjährige Flüchtlinge aus Marokko, Irak und Syrien jeweils 4.000 bis 6.000 Euro.

Die wachsenden Proteste von Flüchtlingen, Anwohnern und Helfern wurden mit Polizeigewalt und Schikanen unterdrückt. Als faschistische Schläger am 22. April 2018 einen Flüchtlingsprotest auf Lesbos attackierten, schritt die Bereitschaftspolizei hingegen nicht ein. Tsipras hatte diese migrantenfeindlichen Kräfte zuvor noch ermutigt, indem er das Urteil eines griechischen Verwaltungsgerichts aufhob, das ein Ende der Inhaftierung von Flüchtlingen auf den Inseln forderte.

In diesem Frühjahr ordnete die Regierung die Zwangsräumung von vier Hausbesetzungen im Stadtteil Exarchia an und setzte 200 bis 300 Flüchtlinge, die dort gelebt hatten, vor die Tür. Die nunmehr obdachlosen Geflüchteten errichteten ein Protestlager am Syntagma-Platz, das Ende April ebenfalls von der Polizei geräumt wurde.

In Absprache mit der EU behinderte die Syriza-Regierung auch die Arbeit von NGOs und Journalisten und kriminalisierte humanitäre Hilfe. Das zeigte der Fall der syrischen Profischwimmerin und Flüchtlingshelferin Sara Mardini, die selbst 2015 mit dem Boot nach Griechenland geflohen war. Zusammen mit über 30 Mitgliedern der NGO Emergency Response Centre International (ERCI) wurde sie im August 2018 wegen angeblichen Menschenhandels und Teilnahme an einer „kriminellen Vereinigung“ angeklagt und mehrere Monate inhaftiert.

Die Fakten der vierjährigen Amtszeit Syrizas sprechen für sich. Auf jedem Gebiet – in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, der Außen- und Innenpolitik und der Flüchtlingspolitik – hat die pseudolinke Partei zusammen mit ihrem rechtsextremen Koalitionspartner die Interessen der herrschenden Klasse gegen Arbeiter, Rentner und Jugendliche mit aller Härte durchgesetzt und so der neuen rechtsextremen ND-Regierung unter Kyriakos Mitsotakis den Weg gebahnt. Diese hat bereits in den ersten Monaten ihrer Amtszeit gezeigt, dass sie den rechten Kurs der Syriza-Regierung fortsetzt und verschärft.

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