Am Dienstagmorgen begann die endgültige Räumung des Flüchtlingslagers Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze. Ende Februar hatte Mazedonien die Grenze geschlossen und Zehntausenden Menschen, die vor Krieg und Armut nach Europa geflohen waren, die Weiterreise verwehrt.
Die pseudolinke Syriza-Regierung will innerhalb einer Woche alle Flüchtlinge, die seit über drei Monaten in dem wilden Zeltlager ausgeharrt haben, in kontrollierte Unterkünfte transportieren. In den letzten Tagen hatten bereits 2.500 Menschen das Lager verlassen. Die verbliebenen 8.500 Flüchtlinge werden jetzt unter großem Polizeiaufgebot deportiert.
In aller Frühe zwischen 6 und 7 Uhr weckten Polizisten die noch schlafenden Flüchtlinge und forderten sie auf, in Busse nach Thessaloniki zu steigen. Die Polizei hatte die Flüchtlinge erst am Abend zuvor über die Aktion informiert, so dass sie in aller Eile ihr Hab und Gut zusammenpacken mussten.
Mit einem martialischen Aufgebot von etwa 1.400 bewaffneten Beamten der griechischen Spezialkräfte und Dutzenden gepanzerten Einsatzwagen belagerte die Polizei das Camp. Sogar aus Attika, der Athener Region, waren zehn Einheiten angerückt. Ein Helikopter überflog das gesamte Gebiet. Die Polizeipräsenz wurde auch in anderen Aufnahmezentren in Griechenland erhöht, um Proteste zu unterbinden.
Die Operation in Idomeni wird im Eiltempo durchgeführt. Die Polizei räumt systematisch erst den Westteil des Camps, dann die Gleise, wo Flüchtlinge seit Wochen den Güterverkehr blockierten, und schließlich das Hauptlager. Die leeren Zelte werden mit Bulldozern zerstört.
Bis 15 Uhr am Dienstagnachmittag waren schon 32 Busse mit über 1.500 Menschen nach Thessaloniki aufgebrochen. Sie sollen dort erst nach Staatsangehörigkeit separiert und dann auf insgesamt sechs Zeltunterkünfte in ehemaligen Industrie- und Unternehmensgeländen verteilt werden, darunter eine alte Fabrik, ein ehemaliges Logistikunternehmen und ein altes Supermarktlager. Sie befinden sich in kleinen Orten nahe der zweitgrößten griechischen Stadt, in Sindos, Kalochori, Evkarpia, Thermi und Derveni.
Die Syriza-Regierung ließ das gesamte Gebiet absperren und verbat der nationalen und internationalen Presse den Zutritt. Nur das griechische Staatsfernsehen durfte innerhalb des Camps berichten. Alle anderen Journalisten mussten das Lager verlassen und konnten die Ereignisse nur aus zwei Kilometer Entfernung verfolgen. Die Griechische Union der Fotoreporter verurteilte diesen Angriff auf die Pressefreiheit und forderte freien Zugang zum Lager.
Wie das Staatsfernsehen ERT berichtete, gab es bislang keinen Widerstand der Flüchtlinge und keine gewaltsamen Konflikte mit der Polizei. Die Menschen würden zwar enttäuscht, aber freiwillig das Lager verlassen. Dieses Bild einer gut und friedlich organisierten „Evakuierung“, das die Regierung über den staatlichen Fernsehsender zu verbreiten versucht, steht in direktem Gegensatz zu dem massiven Polizeiaufmarsch, dem Presseverbot und dem Umgang mit den Menschen und Helfern vor Ort.
Bereits am Montagabend wurden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Journalisten aus Idomeni vertrieben. Nur wenige ausgewählte NGOs dürfen mit jeweils fünf Mitarbeitern vor Ort bleiben. Andere Helfer und Journalisten, die dort bleiben, werden von der Polizei festgenommen.
Einige Journalisten haben versucht, weiter aus dem Innern des Lagers zu berichten. Ein Reporter der deutschen Bild-Zeitung, Paul Ronzheimer, musste um 3 Uhr nachts das Lager verlassen, aber kehrte heimlich über einen Waldweg zurück. Versteckt drehte er Handyvideos über die Lage, bis ihn die Polizei erneut verhaftete.
Seine griechische Kollegin Liana Spyropoulou konnte als Muslimin verkleidet weiterhin aus dem Camp berichten. Sie unterhielt sich mit zwei Flüchtlingsfamilien aus Syrien, die unbedingt in Idomeni bleiben wollen, und interviewte einen freiwilligen Arzt, der von den untragbaren Zuständen in Idomeni erzählte.
Da nahezu alle NGOs gehen mussten, seien er und sein Kollege fast die einzigen medizinischen Helfer vor Ort, sagte der Arzt. Wenn es bei den Tausenden erschöpften Menschen einen medizinischen Notfall gebe, hätten sie weder genug Medikamente noch Personal, um wirklich Hilfe zu leisten. Mittlerweile hätten sie keinen Zugang mehr zu ihrer Klinik und seien deshalb auf wenige Medikamente und Instrumente in ihrem Medizinzelt angewiesen.
Der Helfer kritisierte die repressive Taktik der Regierung, die unmenschlich sei und auf die Einschüchterung der Flüchtlinge abziele. Man versuche, die Menschen zu erpressen und zu zwingen, das Lager zu verlassen. Es sei jetzt viel schwerer geworden, Essen auszuteilen. Die Flüchtlinge sollten regelrecht „ausgehungert“ werden, so der Arzt.
Die NGO „Border Free – Association for Human Rights“ hatte in Idomeni eine Küche betrieben, die am Dienstag von der Polizei umstellt wurde. Sie musste alles abbauen und das Lager räumen.
Viele Flüchtlinge verlassen also das Lager, weil ihnen dort jede Lebensgrundlage geraubt wurde. Die Regierung hatte den Menschen in Idomeni von Anfang an jegliche staatliche Unterstützung versagt. Ihr Überleben hing von der Solidarität der Anwohner und der Hilfsorganisationen ab. Letzte Woche griff die Polizei sogar protestierende Flüchtlinge mit Tränengas und Blendgranaten an. Das sollte auch als Warnschuss dienen: Wer sich der Räumung des Lagers widersetzt, muss damit rechnen, brutal attackiert zu werden. Davon wären auch viele Kinder und Frauen betroffen, die in Idomeni leben.
Einige Hilfsorganisationen kritisieren die Räumung von Idomeni. Der Europareferent von ProAsyl, Karl Kopp, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass mit dem Idomeni-Lager jetzt das „Symbol der gescheiterten EU-Flüchtlingspolitik“ beseitigt werden soll. Ramona Lenz von Medico International warf der griechischen Regierung vor: „Es geht nicht darum, die Lage der Gestrandeten zu verbessern, sondern sie unsichtbar zu machen.“
Offiziell heißt es, die Flüchtlinge sollen in den neuen Unterkünften Asyl beantragen können. Doch laut Ärzte ohne Grenzen seien die Behörden mit den Asylanträgen überfordert, so dass die Menschen voraussichtlich jahrelang warten müssen. Immer mehr Flüchtlinge litten zudem unter Depressionen, Angstzuständen und Selbstmordversuchen.
Die kriminelle Flüchtlingspolitik der pseudolinken Syriza-Regierung stützt sich auf das Abkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Union, das im April die Schließung der Balkanroute und die Abschottung der europäischen Grenzen besiegelte.
Während am Dienstag die erschöpften Menschen in Idomeni aus den Zelten getrieben wurden, verteidigte der griechische Premierminister Alexis Tsipras den Flüchtlingsdeal bei einem Uno-Gipfel in der Türkei. Er lobte die „erfolgreiche Zusammenarbeit“ mit der Türkei in der Migrationsfrage, die zu einem „Modell für internationale Anstrengungen werden könnte, mit den humanitären Herausforderungen umzugehen“.
Die Angriffe auf die Rechte der Flüchtlinge gehen einher mit einer neuen Welle von Angriffen auf die Lebensgrundlage der gesamten griechischen Arbeiterklasse. Am Sonntag hat die Syriza-Regierung ein neues Sparpaket durch das Parlament gejagt, das alle bisherigen Austeritätsmaßnahmen in den Schatten stellt und weitere Steuererhöhungen, Kürzungen und Entlassungen beinhaltet.