Vergangene Woche berichtete die Mainzer Allgemeine Zeitung über ein Schreiben, das ihr aus dem Opel-Betriebsrat zugespielt worden war. Danach sollen in Rüsselsheim in diesem Jahr nur noch 68.000 statt der bisher geplanten 123.000 PKW vom Band laufen. Deshalb soll die Produktion von zwei auf eine Schicht halbiert und die heute noch 3000-köpfige Belegschaft stark verringert werden.
Intern wiegeln die IG Metall-Betriebsräte bei Opel ab: Alles nur Gerüchte, was man so höre. Dem Betriebsrat lägen keine konkreten Abbaupläne vor.
Aber die Opel-Arbeiter sind zu Recht beunruhigt. Die Pläne werden sich massiv auch auf die Zulieferbetriebe, das Forschungs- und Entwicklungszentrum ITEZ und das Komponentenwerk in Kaiserslautern auswirken. In Eisenach mit noch rund 1300 Kollegen wird wiederholt Kurzarbeit angeordnet; auch dort ist eine Schicht akut bedroht. Der Konzern greift auch die Autoarbeiter im britischen Ellesmere Port, im spanischen Saragossa und in Frankreich an.
Vor zwei Jahren hat General Motors, der frühere Besitzer, die Opel-Werke mit ihrer Schwester, der britischen Vauxhall, an den PSA-Konzern verkauft, zu dem die Marken Peugeot, Citroën und DS gehören. Seit über einem Jahr läuft das aggressive „Sanierungsprogramm“ namens „Pace“ mit dem Ziel, durch jährliche Einsparungen von 1,7 Milliarden Euro den Konzern in die Gewinnspanne zu bringen. Davon sind Autoarbeiter in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Polen, Ungarn und Österreich betroffen.
Der Opel-Gesamtbetriebsrat und die IG Metall sind an der Ausarbeitung und Durchsetzung des „Sanierungsvertrags“ aktiv beteiligt. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug hat ihn als „gute Grundlage für die Zusammenarbeit mit PSA“ hochgelobt. Um die Sparziele zu erreichen, hat der Betriebsrat schon den reibungslosen Abbau von 3700 Arbeitsplätzen organisiert, und letztes Jahr mussten die Opel-Arbeiter auf die Tariferhöhungen der Metall- und Elektroindustrie verzichten.
Um in der Belegschaft jeden ernsthaften Widerstand zu sabotieren, verfolgt die IG Metall eine Strategie des „Teile und Herrsche“, der Beschwichtigung und der Salamitaktik. Die im Sanierungsplan vorgesehenen Kürzungen und Entlassungen werden erst nach und nach bekanntgemacht. Um die Arbeiter zu spalten, wird ein Betrieb nach dem anderen angegriffen und werden erst die Leiharbeiter, dann die Beschäftigten der Zulieferbetriebe, zuletzt die Stammarbeiter entlassen.
Doch unter den Arbeitern hat die Unzufriedenheit stark zugenommen. Viele glauben nicht mehr an die Versprechen, dass die „Durststrecke“ bald vorüber sei, und dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Einem Reporter der World Socialist Web Site sagte am Dienstag ein wütender Arbeiter: „Das ist eine verlogene Bande, da drin. Da hat ein Haufen Banditen das Sagen.“
An diesem Tag sammelte ein Team der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) vor den Toren von Opel-Rüsselsheim Unterschriften für die Zulassung zur Europawahl. Die SGP kämpft für die internationale Einheit der Arbeiter und für ein sozialistisches Programm. Sie informierte die Opel-Arbeiter über eine bevorstehende Demonstration amerikanischer Autoarbeiter am 9. Februar vor der GM-Zentrale in Detroit, die sie aktiv unterstützt. Das Team verteilte Handzettel über den Streik der mexikanischen Montagearbeiter von Matamoros, der sich seit drei Wochen ausweitet.
Viele Arbeiter, die die Flyer gelesen hatten, kommentierten: „Die Arbeiter in Mexiko haben Recht. Wir sollten hier auch streiken.“ Andere ergänzten: „Wie die Gelbwesten in Frankreich: die machen es richtig.“ „Wir müssten hier auch was tun“, sagte ein jüngerer Arbeiter, „aber die Gewerkschaft will das nicht.“ Und eine Arbeiterin meinte: „Es ist traurig, dass von der IG Metall nichts kommt.“
Ein älterer Arbeiter sagte: „Wir warten schon lange darauf, dass endlich was passiert.“ Er erinnere sich noch daran, dass Rüsselsheim einmal 43.000 Arbeiter gehabt habe. Ein Arbeiter namens Ali, der die Kampagne unterstützte, erklärte, dass im Werk wahrscheinlich eine ganze Schicht wegfallen werde. „Man erfährt aber nichts Genaues, immer nur scheibchenweise“, so Ali. Auf die Frage, was er über die IG Metall denke, sagte er: „Immer wenn man sie braucht, ist von denen keiner da.“
Der Produktionsarbeiter Cem schilderte die Situation im Werk: „Wir arbeiten da drin wie die Sklaven, es fehlen nur noch die Handschellen und die Eisenkugeln an den Beinen.“ Cem kommentierte die Krise bei Opel und andern Autokonzernen wie Ford mit den Worten: „Die Autoindustrie ist doch in Deutschland das Rückgrat der ganzen Wirtschaft. Aber da herrscht ein derartiges Chaos vor, dass keiner weiß, was der Dieselgate und der Brexit noch alles anrichten. Für uns ist das schlimm: Es wird alles auf die Arbeiter abgewälzt.“ Er sagte, eine Kampagne für die internationale Einheit der Autoarbeiter unterstütze er gerne.
Gülnur, die beim Zulieferbetrieb Rhenus arbeitet, wies darauf hin, dass außer der WSWS niemand die Arbeiter über den Streik in Mexiko informiere: „Die IG Metall berichtet darüber nicht. Das geht schon lange so: Nicht nur informieren sie uns nicht, sie unternehmen auch nichts, um die Leiharbeiter zu verteidigen.“ Sie erklärte: „Ich sehe das anders: Heute sind die dran – und morgen kann es mich betreffen. Wir müssen alle zusammenhalten.“
Die SGP-Kandidatin Marianne Arens erklärte, dass die IG Metall und der Opel-Betriebsrat seit Langem der verlängerte Arm des Managements seien, und dass sie schon die Schließung der Opel-Werke im belgischen Antwerpen und in Bochum mit organisiert hätten. „Die Autoarbeiter können ihre Interessen nur verteidigen, wenn sie die Sache selbst in die Hand nehmen, unabhängige Aktionskomitees gründen und sich international organisieren“, sagte Arens.
Die Demonstration am 9. Februar in Detroit ist von besonderer Bedeutung. Wie das SPG-Team erläuterte, verbinden die amerikanischen Autoarbeiter dort den Kampf gegen 15.000 Entlassungen bei GM mit einem sozialistischen und internationalen Programm. Sie stehen in Kontakt mit den streikenden Arbeitern in Matamoros, Mexiko. Diese Montagearbeiter haben sich eigene Streikkomitees gewählt, die von den Gewerkschaften unabhängig agieren, und sie nehmen Kontakt zu Autoarbeitern von Ford, GM und Chrysler auf. Jede Arbeiterin und jeder Arbeiter, der diesen Kampf unterstützen möchte, kann sich mit einem Solidaritätsschreiben oder einer Spende an die Sozialistische Gleichheitspartei wenden.