Opel will Produktion in Rüsselsheim halbieren

Bei Opel-Rüsselsheim soll die Produktion drastisch gedrosselt werden. 600 weitere Arbeitsplätze sind bedroht, und das Management will anstelle des bisherigen Zweischichtbetriebs in Zukunft nur noch eine Schicht erhalten.

Die Informationen stammen aus einem internen Schreiben der IG-Metall-Betriebsräte, das an die Tageszeitungen Main Spitze in Rüsselsheim und Allgemeine Zeitung in Mainz weitergereicht wurde. Die Arbeiter wurden darüber bisher nicht informiert. In diesem Jahr sollen demnach nur noch 68.000 Wagen montiert werden, nachdem es im letzten Jahr noch über 123.000 Einheiten waren. Der Grund, so heißt es, sei eine Absatzschwäche, die der Brexit noch verschärfen werde.

In Rüsselsheim montieren heute noch knapp 3000 Beschäftigte hauptsächlich das Modell Insignia, während der Zafira noch in diesem Jahr auslaufen soll. Schon seit einem Jahr wird die Arbeit immer wieder für mehrere Tage eingestellt, und auch für den heutigen Freitag wurde Kurzarbeit anberaumt. Schon seit einem Jahr betreiben Vorstand und Betriebsrat ein aggressives Programm von Abfindungen, Altersteilzeit und Vorruhestand, um 3700 Stellen abzubauen. Mehrere hundert Leiharbeiter sind schon entlassen worden.

Auch im Entwicklerzentrum Rüsselsheim mit 7000 Beschäftigten ist die Lage angespannt. Dort sollen bis zu 2000 Angestellte zu dem französischen Engineering-Dienstleister Segula wechseln. Auch die übrigen Techniker und Forscher gehen einer ungewissen Zukunft entgegen, denn nur maximal die Hälfte der Arbeitsplätze sollen längerfristig erhalten bleiben.

Der Betriebsrat in Rüsselsheim arbeitet aufs Engste mit dem Vorstand zusammen. Vor zwei Jahren hatte sich der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug ausdrücklich des besten Einvernehmens mit Konzernchef Carlos Tavares gerühmt. Damals wurde Opel durch den PSA-Konzern übernommen, zu dem auch die Marken Peugeot, Citroën und DS gehören. Auch umgekehrt betonte Tavares, er sehe in der „wertvollen Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen … einen zentralen Faktor für den Erfolg des Unternehmens“.

Seither hat die Gewerkschaft gemeinsam mit dem Management den Sanierungsplan „Pace“ ausgearbeitet. Er sieht vor, in jedem Jahr 1,7 Milliarden Euro einzusparen und Opel um jeden Preis in die Gewinnzone zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt der PSA-Konzern nicht nur in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern, sondern auch in den Opel-Werken in Polen, Spanien, Ungarn und Österreich und in den britischen Vauxhall-Werken Ellesmere Port und Luton einen radikalen Sparkurs durch.

Die Gewerkschaften – allen voran die IG Metall, aber auch die britische Unite und die CGT und FO in Frankreich – haben sich verpflichtet, den Sanierungskurs gegen die Arbeiter durchzusetzen. Zu dem Zweck spielen sie die nationalen Standorte systematisch gegeneinander aus. Auf diese Weise konnte Opel in der Vergangenheit schon die Werke in Russland, im belgischen Antwerpen und 2014 in Bochum schließen.

Gegen diese Politik wächst allerdings auch in den deutschen Werken immer mehr die Wut der Arbeiter. „Das muss doch der Letzte jetzt merken, dass es auch bei uns ans Eingemachte geht“, sagte ein Opel-Arbeiter am gestrigen Donnerstag beim Schichtwechsel in Rüsselsheim.

Ein Team der WSWS informierte dort die Kollegen über den unabhängigen Streik der Montagearbeiter in Mexiko, der sich seit einer Woche wie ein Lauffeuer ausbreitet und auf die USA übergreifen könnte. Der Bericht: „Mexiko: 70.000 Arbeiter in Matamoros streiken seit einer Woche“, fand bei Opel reißenden Absatz. Die Arbeiter hatten davon noch nichts gehört, da die Medien diesen Streik vollkommen ausblenden.

Mehrere Arbeiter sagten uns: „Wir müssen es machen wie in Frankreich“, als sie die Flyer mitnahmen, „wie die Gelbwesten – die machen es richtig“. Dass die mexikanischen Arbeiter ihren Kampf unabhängig von den Gewerkschaften und gegen sie führen, stieß auf großes Interesse. Ein Arbeiter sagte: „Bei der Übernahme durch PSA wurde uns versprochen, dass die Arbeitsplätze gesichert sind.“ Der Betriebsratsvorsitzende habe persönlich garantiert, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen werde.

„Die Gewerkschafter können gut reden“, sagte Oleg, ein älterer Arbeiter. „Aber sie machen immer das Gegenteil von dem, was sie sagen. Die Gewerkschaft hat die Arbeiter ausverkauft.“ Er berichtete, dass er seit 28 Jahren in der Produktion von Rüsselsheim gearbeitet habe, doch jetzt sei er entschlossen, in Frührente zu gehen. Er sagte: „Das bringt hier alles nichts mehr, Opel hat keine Zukunft.“ Den Kampf der mexikanischen Arbeiter fand er interessant: „Davon haben wir hier nichts gehört.“

Zum Streik in Mexiko sagte Christian, ein jüngerer Arbeiter: „Uns hier geht es nicht viel anders als denen.“ Er setzte hinzu: „Ich werde hier sowieso bald entlassen: Ich bin ja Zeitarbeiter.“ Tatsächlich hat Opel seit einem Jahr schon die meisten Verträge der rund 600 Leiharbeiter gekündigt. Im letzten Jahr wurden stattdessen mehrere hundert Autoarbeiter aus dem polnischen Gliwice nach Rüsselsheim „ausgeliehen“. „Wir sind noch die letzten Leiharbeiter im Werk“, sagte Christian. „Aber jetzt kommt noch eine zweite Welle von Entlassungen auf uns zu.“

Mehr und mehr wird den Arbeitern klar, dass sie den Kampf gegen die Stellenstreichungen, Werkschließungen und Lohnsenkungen nicht der IG Metall überlassen können. Solange die Gewerkschaft jeden Arbeitskampf kontrolliert, ist kein Schritt vorwärts möglich. Gerade sind auch bei Ford in Köln und Saarlouis, sowie im französischen Blanquefort und bei Ford-Südwales tausende Arbeitsplätze bedroht.

Die Autoarbeiter müssen die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze in die eigenen Hände nehmen und sich an ihre Kollegen in den andern Werken und auf der ganzen Welt wenden, um mit ihnen gemeinsam den Kampf aufzunehmen. Als nächstes ist es notwendig, Aktionskomitees unabhängig von der IG Metall aufzubauen, wie das die Autoarbeiter in den Vereinigten Staaten zunehmend tun.

In Detroit haben Autoarbeiter beschlossen, den Kampf gegen 15.000 Entlassungen und Werkschließungen bei General Motors aufzunehmen, und die World Socialist Web Site (WSWS) und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) unterstützen diesen Kampf. Am 9. Februar wird vor der GM-Hauptzentrale in Detroit eine Demonstration von Autoarbeitern und Beschäftigten in der Zulieferindustrie stattfinden. Arbeiter auf der ganzen Welt können diese Demonstration auf Facebook mitverfolgen und unterstützen.

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