Streik in den mexikanischen Maquiladoras weitet sich aus

Arbeiter berichten über Gründung von Streikkomitees

Im mexikanischen Matamoros haben zehntausende Maquiladora-Arbeiter nach zwei Wochen spontaner Streiks ihren Arbeitskampf noch ausgeweitet. Die Maquiladoras sind Montagebetriebe in Nordmexiko, in denen schlecht bezahlte Arbeiter hauptsächlich für den Export in die USA schuften.

Am Freitag, den 25. Januar begann um 14 Uhr ein offiziell genehmigter Streik. Die Gewerkschaft sah sich letzte Woche gezwungen, den Streik offiziell auszurufen, nachdem sich die Arbeiter der Anweisung, zurück an die Arbeit zu gehen, widersetzt hatten. Kurz nach 14 Uhr hissten die Arbeiter überall in der Stadt die rot-schwarzen Fahnen an den Werkstoren, die traditionell einen Streik ankündigen. Sie feierten den offiziellen Streikbeginn und nahmen Videos für die sozialen Netzwerke auf. Begeistert strömten ihre Kollegen, die bisher noch gearbeitet hatten, aus den Fabriken.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, kurz vor Mitternacht, hatten sich vier Maquiladoras (Polytech, CTS, Core und AFX) bereit erklärt, die Löhne um zwanzig Prozent zu erhöhen und einen Bonus von 1.700 Dollar auszuzahlen, wie es die Arbeiter gefordert hatten.

Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen verweigerte jedoch alle Zugeständnisse, weil sie befürchten, dass sie damit die Arbeiter in ganz Mexiko und weltweit ermutigen würden, ebenfalls gegen ihre gekauften Gewerkschaften zu rebellieren und eine Massenbewegung der Arbeiterklasse für soziale Gleichheit aufzubauen. Stattdessen versuchten sie, die Arbeiter mit viel zu geringen Boni zu locken, oder drohten mit der Verlegung von Maschinen, mit Werksschließungen, Massenentlassungen und Strafverfahren gegen aufmüpfige Arbeiter.

Die Arbeiter berichten immer neue Einzelheiten darüber, wie sie mit dem Aufbau unabhängiger Streikkomitees begonnen haben. Ein Arbeiter aus einem Autoteilewerk von Autoliv, bei dem der spontane Streik begonnen hatte, erklärte der WSWS, dass sie am 12. Januar ein von der Gewerkschaft unabhängiges Komitee von fünf Arbeitern gewählt hätten, um den Streik zu organisieren. Die Arbeiter hatten festgestellt, dass die Gewerkschaft und das Management zusammenarbeiteten, um ihnen die Boni und Lohnerhöhungen, die ihnen schon versprochen waren, vorzuenthalten. Da beschlossen sie, „für unsere Rechte und das, was uns zusteht, zu kämpfen“.

Der Arbeiter sagte: „Diese unabhängigen Komitees werden dafür sorgen, dass die Gewerkschaft und die Unternehmen nicht mehr hinter unserem Rücken Deals aushandeln. Das sind Arbeiter, die uns erklären, was gesagt und beschlossen wurde. Ich glaube wirklich, dass die unabhängigen Komitees viel nützlicher sind als die Gewerkschaften, denn wir fragen uns: ‚So sieht der Vorschlag aus, was machen wir nun?‘ Die Gewerkschaft hat uns das nie gefragt.“

Eine Arbeiterin bei dem Autozulieferer Fisher Dynamics berichtete, wie sich ihre Maquiladora am 15. Januar dem Streik angeschlossen hatte: „Wir diskutierten unter uns Kollegen: ‘Wir arbeiten uns kaputt. Die Arbeitszeiten sind zu lang, es gibt zu viel Druck von der Gewerkschaft, die Gewerkschaftsdelegierten sind immer auf der Seite des Unternehmens und nie auf der Seite der Arbeiter. Außerdem wollen wir auch den Bonus von 1.700 Dollar und die zwanzigprozentige Lohnerhöhung haben … Dann sagten zwei von ihnen: ‘Wir haben das doch alle satt, nicht wahr? Schaut euch an, was in den anderen Werken passiert, ich glaube, wir können gewinnen. Wir müssen was dagegen unternehmen!“

Die Konzerne und die Gewerkschaften fürchten die wachsende Stärke dieser Komitees und haben in den letzten Tagen eine „staatliche Intervention“ angefordert. Am Freitag um 13 Uhr fand eine Pressekonferenz statt, an der der Staatssekretär im Arbeitsministerium, Alfredo Dominguez Marrufo, und der Vertreter des Bundesstaats Tamaulipas bei der Bundesregierung, José Ramón Gómez Leal, auftraten. Letzterer wurde von Präsident Andres Manuel López Obrador (AMLO) persönlich geschickt. Diese Politiker forderten die Arbeiter auf, einen „Aufschub von zehn Tagen oder mehr“ für weitere Verhandlungen zu akzeptieren, um „einen Streik zu vermeiden, der unerwartete Folgen haben könnte“.

Angesichts der Tatsache, dass die Streikposten bereits jetzt von schwer bewaffneten Marinesoldaten und der Polizei bedroht werden, müssen die Arbeiter diese Warnung als ernste Drohung der AMLO-Regierung auffassen. Berichten zufolge haben sie zu Beginn der dritten Streikwoche bereits mit dem Aufbau von Selbstverteidigungsnetzwerken zu ihrem Schutz begonnen.

Am Donnerstag wurde die Schließung eines Werkes angekündigt, durch die 1.700 Arbeiter und ihre Familien kein Einkommen mehr hätten. Am Freitag sperrten das Management und die Gewerkschaften in etwa einem Dutzend Werken die Arbeiter ein und weigerten sich, den Beginn des „offiziellen“ Streiks anzuerkennen. Einige von ihnen legten den Arbeitern illegale Dokumente des Schlichtungsrates von Matamoros vor, um sie dazu zu bringen, an ihren Arbeitsplätzen zu bleiben. Gewerkschaftsfunktionäre behaupteten, ihnen seien „die Hände gebunden“, und verteidigten die Maßnahmen.

Gleichzeitig haben Autoarbeiter aus den USA und Kanada gegenüber dem WSWS Autoworker Newsletter bestätigt, dass der Streik Engpässe bei Autoteilen in der ganzen Industrie auslöst.

Am Freitag warnte die Handelskammer in Matamoros die Regierungsbehörden, der Streik werde die Wirtschaft der Stadt etwas über sechs Millionen Dollar pro Monat kosten. Allerdings meldete der Verband der Maquiladoras von Matamoros nach der ersten Streikwoche, dass die Unternehmen bereits mehr als 100 Millionen Dollar verloren hätten. Kommentatoren wiesen darauf hin, dass sich die Kosten für die Boni und Lohnerhöhungen für das ganze Jahr auf weniger als 200 Millionen Dollar belaufen würden.

Diese Zahlen verdeutlichen, welche enormen Profite die transnationalen Konzerne aus den Arbeitern herauspressen. Die Regierung lässt es zu, dass riesige Steuergeschenke über hunderte Millionen in die Taschen ihrer Vorstände und Finanzinvestoren fließen, während jeder Widerstand mit Polizeistaatsmaßnahmen unterdrückt wird.

Der streikende Arbeiter Bernardo erzählte der WSWS: „Die Konzerne verlieren mehr als das, was wir von ihnen wollen. Das sagt mir, dass sie uns bezahlen können, aber die Arbeiter einfach im Elend halten wollen.“ Er warnte seine Kollegen außerdem: „Es ist fast sicher, dass die Bundesregierung uns verraten wird. Und wenn sie das Militär gegen uns einsetzt, wird die Lage ungemütlich. Eine Intervention der Bundesregierung gegen uns wird eine Revolution rechtfertigen.“ Er sprach sich für einen Generalstreik in ganz Nordamerika gegen die Drohungen der Konzerne und der Regierung aus: „Das wäre ein schwerer Schlag gegen die Konzerne.“

Während die internationalen Medien den Streik in Matamoros fast vollständig totschweigen, setzt die Trump-Regierung in den USA ihre anti-mexikanische rassistische Demagogie fort. Die kanadischen und amerikanischen Gewerkschaften setzen die gleichen Taktiken ein und arbeiten mit Hochdruck daran, die wachsende Solidarität zwischen Arbeitern in ganz Nordamerika zu untergraben.

Der Vorsitzende der kanadischen Autoarbeitergewerkschaft Unifor Jerry Dias rief am Freitagmorgen in einer Pressekonferenz zum Boykott von General Motors-Autos auf, die in Mexiko gebaut werden. Dabei handelt es sich um einen offenen Angriff auf mexikanische Autoarbeiter, der in Mexiko und ganz Nordamerika zu Arbeitsplatzverlusten führen wird. GM erklärte an, dass in Ontario (Kanada) „mehr als 60 Autozulieferer mit der Produktion in Mexiko zusammenarbeiten“.

Im Gegensatz zum Nationalismus der Gewerkschaften fordern die Arbeiter in den USA und Kanada eine internationale Antwort auf die Krise des kapitalistischen Systems. Ein Autoarbeiter in Oshawa (Kanada) warf Dias in einem Interview mit dem WSWS Autoworker Newsletter vor, er „verbreitet Hass und Ablehnung gegenüber Mexikanern“.

Weiter erklärte der Arbeiter: „Es ist offensichtlich, dass er diese Spaltung fördert, damit wir ihre Sache nicht unterstützen. Die Konzerne, Gewerkschaften und Medien zeigen, was sie wirklich sind! Je mehr sich der Streik in Mexiko ausbreitet, desto mehr entlarvt das ihre korrupten Absichten.“

Am 16. Januar traf die Arbeitsrechtlerin Susana Prieto in Matamoros ein. Sie ist eine Aktivistin der Bewegung für Nationale Erneuerung (Morena), der auch Präsident Obrador (AMLO) angehört. Offensichtlich kam sie mit dem klaren Auftrag der Regierung, in den Streik einzugreifen. Anfangs gelang es ihr, das Vertrauen der Arbeiter zu gewinnen, indem sie Unterstützung für den Streik heuchelte und vorgab, den Hass der Arbeiter auf das Management und die verräterischen Gewerkschaften zu teilen.

Sie versuchte jedoch, die unabhängige Initiative der Arbeiter zu ersticken und für Verwirrung zu sorgen, als sie den Arbeitern erklärte, es sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich, auf die Gewerkschaften zu verzichten. Sie verbreitete die Illusion über eine mögliche „staatliche Intervention“ zugunsten der Arbeiter. Letztendlich ging es ihr nur darum, die Arbeit der Basiskomitees zu behindern. Aber die Aktionskomitees sind demokratisch gewählt, sie kommunizieren mit den Kollegen und stimmen sich gemeinsam über alle Schritte ab.

Am Freitagmorgen rief Susana Prieto die Arbeiter auf, sie sollten die Unternehmen nicht hindern, vor dem „offiziellen“ Streikbeginn Maschinen abzubauen. Außerdem schlug sie vor, eine Verschiebung des Streiks zu akzeptieren, wenn die Gewerkschaft das für nötig halte. Prieto beschwor die Arbeiter: „Jetzt ist nicht die Zeit, gegen eure Gewerkschaftsdelegierten zu kämpfen.“ Den skeptischen Arbeitern versuchte sie weiszumachen: „Die Gewerkschaftsdelegierten sind nur Arbeiter wie ihr, mit der Lizenz, euch zu repräsentieren.“

Die Arbeiter müssen Prietos Vorschlag, auf die korrupte Gewerkschaftsbürokratie und die kapitalistische AMLO-Regierung zu vertrauen, zurückweisen. Deren einzige Reaktion auf die Gefahr für ihre kapitalistischen Interessen wird die gewaltsame Unterdrückung der Arbeiter sein.

Stattdessen müssen die Arbeiter in Matamoros durch den Aufbau von Streikkomitees ihre unabhängige Stärke weiter entwickeln. Die Arbeiter haben die Initiative ergriffen, und ihr Streik erschüttert die gesamte nordamerikanische Autoindustrie. Sie können ihre Stärke ausbauen, wenn sie als nächstes ein stadtweites Streikkomitee aus Vertretern aller Werke aufbauen und so die vollständige Kontrolle über den Kampf übernehmen. Gleichzeitig sollten sie an ihre Klassenbrüder- und Schwestern in den USA, Kanada und weltweit appellieren.

Alle Arbeiter, die eine gemeinsame internationale Strategie entwickeln wollen, sollten uns unter der E-Mailadresse autoworkers@wsws.org, über unsere Facebook-Seite oder über die Kontaktliste der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) kontaktieren.

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