Am Dienstag eröffnete die sri-lankische Polizei in Rambukkana, 95 Kilometer nordöstlich von Colombo, das Feuer auf mehrere Tausend Teilnehmer einer Demonstration gegen die jüngste Benzinpreiserhöhung. Dabei wurde ein Demonstrant getötet, und weitere 27 wurden verwundet, einige davon schwer.
Die Erhöhung der Preise für Benzin und Dieselkraftstoff durch die Lanka-India Oil Company und die staatseigene Petroleum Corporation am Sonntag und Montag hatte eine Welle von Demonstrationen und Protesten in fast allen Städten des Inselstaats ausgelöst.
Ein Augenzeuge des brutalen Vorgehens der Polizei erklärte gegenüber der World Socialist Web Site, bei dem Toten handele es sich um den 40-jährigen zweifachen Vater Chaminda Lakshan aus dem Dorf Narambedda bei Rambukkana. Er war Lastwagenfahrer und hatte Futter für die zahmen Elefanten geliefert, die sich die Reichen als Haustiere halten.
Genau wie in vielen anderen Gegenden standen auch in Rambukkana Tausende von Menschen seit drei Tagen vergeblich Schlange vor der Verteilstelle, um Benzin oder Dieselkraftstoff zu bekommen. Erst am Montagabend traf ein Tanklaster ein. Als am Dienstag die Verteilung begann, verlangten die Menschen den Treibstoff zu den Preisen, die vor drei Tagen gegolten hatten, als sie sich in Schlange stellten.
Als dies abgelehnt wurde, blockierten die Menschen Fernstraßen und eine Bahnlinie. Daraufhin wurde ein massives Polizeiaufgebot aus Rambukkana und den umliegenden Polizeiwachen mobilisiert. Bis Mittag hatte sich die Lage extrem zugespitzt. Als die Menschen sich weigerten, ihre Blockaden zu beenden, setzten die Polizisten zuerst Tränengas ein. Dann schossen sie plötzlich und ohne Vorwarnung mit scharfer Munition in die Menge.
Der Guardian berichtete über Videomaterial, das zeigt, wie „ein hoher Beamten andere Beamte in voller Kampfausrüstung anweist: ,Feuert, feuert und vertreibt sie‘“.
Die Verwundeten wurden in die Krankenhäuser von Rambukkana und Kegalle gebracht. Lakshan starb im Krankenhaus von Kegalle, in dem auch fünf weitere lebensgefährlich Verletzte behandelt werden.
Am Abend rief die Polizei eine unbefristete Ausgangssperre im Raum Rambukkana aus. Außenstehende wurden angewiesen, möglichst nicht durch das Gebiet zu reisen. Zudem entsandte die Polizei Einheiten der Special Task Force, die für ihre Brutalität berüchtigt ist. Die Polizei erklärte, sie hätten das Feuer eröffnet, nachdem sie mit Steinen beworfen worden seien.
Der unmittelbare Auslöser für die Proteste war zwar die jüngste Erhöhung der Treibstoffpreise, allerdings demonstrieren bereits seit zwei Wochen Hunderttausende von Arbeitern für den Rücktritt von Präsident Gotabaya Rajapaksa und seiner Regierung.
Im Park Galle Face Green in der Innenstadt von Colombo haben sich etwa 10.000 Demonstranten unter der Parole „Gota Go Home“ versammelt. Die Wut der Menschen richtet sich gegen die rasant steigende Inflation, den Mangel an Grundgütern wie Nahrung, Medikamente und Treibstoff sowie die täglichen langen Stromausfälle.
Auch in Rambukkana fanden in den letzten Tagen unter der gleichen Parole Proteste statt.
Der brutale Angriff der Polizei auf die Proteste in Rambukkana, der ohne Vorwarnung begann, war ein gezielter Versuch, alle Demonstranten einzuschüchtern. Die Entscheidung, das Feuer auf Menschen zu eröffnen, die die Bahnlinie stundenlang blockiert hatten, kann nur auf höchster Ebene getroffen worden sein.
Die Regierung ist mit einer beispiellosen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise konfrontiert, auf die sie keine andere Antwort hat, als der arbeitenden Bevölkerung neue Lasten aufzubürden. Die Zentralbank hat vor Kurzem angekündigt, dass der ausländische Kredite vorübergehend nicht mehr bedient werden, und in Washington bittet eine sri-lankische Delegation den Internationalen Währungsfonds (IWF) um einen Notkredit.
Das Rajapaksa-Regime versucht verzweifelt, die Protestbewegung zu beenden, um behaupten zu können, sie habe die Lage unter Kontrolle. Rajapaksa sprach in einer Rede vor seinem neu ernannten Kabinett eine kaum verhohlene Warnung aus, als er die Demonstranten aufrief, nicht zuzulassen, dass „Opportunisten die Proteste in Krawalle verwandeln“.
Die Proteste werden jedoch von den sich rapide verschlechternden Bedingungen angetrieben, die es Arbeitern und Armen immer schwerer machen, Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen und zu überleben.
Mit den Preiserhöhungen von dieser Woche haben sich die Benzinpreise allein in diesem Jahr um 91 Prozent erhöht, die Dieselpreise sogar um 139 Prozent. Das ist ein direktes Ergebnis des Ukrainekriegs, der die Ölpreise weltweit in die Höhe getrieben hat.
Der enorme Anstieg der Treibstoffpreise löst zudem eine Kettenreaktion aus, da er die Kosten für den Transport und vieles mehr erhöht. Am Dienstag gab die Regierung grünes Licht für eine 35-prozentige Erhöhung der Busfahrpreise. Sie schaltet auch weiterhin täglich über lange Zeit den Strom ab, weil sie den Dieselkraftstoff nicht zahlen kann, der für die thermische Stromerzeugung notwendig ist.
Der größte Weizenmehlproduzent Sri Lankas kündigte am Dienstag eine Erhöhung des Kilopreises um 40 Rupien an. Daraufhin erhöhten die Bäckereien sofort die Preise für ihre Produkte, u.a. den Preis für einen 400 Gramm schweren Laib Brot um 30 Rupien.
Sollte sich die Regierung mit dem IWF einigen, wird sich die Lage der arbeitenden Bevölkerung nur weiter verschlechtern, da jeder Deal unweigerlich drakonische Austeritätsmaßnahmen nach sich ziehen wird. Der IWF hat bereits grob skizziert, an welche Bedingungen er einen Notkredit knüpfen wird. Hierzu zählen tiefgreifende Kürzungen zum Abbau des Haushaltsdefizits, die Umstrukturierung von Staatsunternehmen und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, von der die ärmsten Teile der Bevölkerung am stärksten betroffen sein werden.
Diese Maßnahmen werden einen massiven Stellenabbau sowie Lohn- und Rentenkürzungen im öffentlichen Dienst nach sich ziehen, die Privatisierung oder Kommerzialisierung staatlicher Unternehmen, die Abschaffung von Sozialprogrammen und weitere folgenschwere Kürzungen bei den Einrichtungen und Leistungen, die vom kostenlosen Bildungs- und Gesundheitswesen noch verblieben ist.
Dieses Austeritätsdiktat kann nicht mit demokratischen Mitteln durchgesetzt werden und wird auf den entschlossenen Widerstand der arbeitenden Bevölkerung stoßen.
Die Socialist Equality Party (SEP) verurteilt den brutalen Angriff auf Demonstranten in Rambukkana. Er muss als Warnung davor verstanden werden, was die Regierung hinter den Kulissen vorbereitet: den Einsatz des Militärs und der Polizei zur gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung.
Die SEP verteidigt das Recht der arbeitenden Bevölkerung, für ihre grundlegenden Bedürfnisse zu kämpfen – in diesem Fall das Recht, Treibstoff zu einem vertretbaren Preis zu kaufen, um ihren täglichen Arbeiten nachgehen zu können. Wenn die Regierung und die Konzerne das nicht garantieren können, sollte die Arbeiterklasse die Produktion und Verteilung übernehmen, um sicherzustellen, dass genug Treibstoff, Nahrung, Medikamente und andere Grundgüter für alle vorhanden sind.
Die SEP ruft zur Bildung von demokratisch gewählten Aktionskomitees in Fabriken, Betrieben und Arbeitervierteln auf. Diese müssen unabhängig von den Gewerkschaften und Oppositionsparteien sein, die das Profitsystem und die Bedürfnisse der Reichen auf Kosten von Arbeitern, Bauern, Jugendlichen und Armen verteidigen.
Die SEP vertritt ein sozialistisches Aktionsprogramm, mit dem die Arbeiterklasse für ihre demokratischen und sozialen Rechte kämpfen kann.
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- Für den Sturz der Rajapaksa-Regierung! Für die Abschaffung der Exekutivpräsidentschaft! Nein zu Austerität und Hunger! Bildet Aktionskomitees und kämpft für ein sozialistisches Aktionsprogramm für die gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten für alle!
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