Parlamentswahlen in Sri Lanka: Präsident Dissanayakes JVP/NPP erringt Erdrutschsieg

Die Parlamentswahlen in Sri Lanka endeten am letzten Donnerstag mit einem Erdrutschsieg des Parteienbündnisses National People's Power (NPP), das von der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP, „Volksbefreiungsfront“) von Präsident Anura Kumara Dissanayake angeführt wird.

Die JVP/NPP wird mit 159 von 225 Sitzen über eine Zweidrittelmehrheit im künftigen Parlament verfügen und damit die rechtliche Möglichkeit haben, wie versprochen, die Verfassung ungehindert von jeder parlamentarischen Opposition zu ändern.

Der sri-lankische Präsident Anura Kumara Dissanayake (Mitte) nach der Stimmabgabe bei den Parlamentswahlen in Colombo am 14. November 2024 [AP Photo/Eranga Jayawardena]

Die sri-lankische und internationale Presse bezeichnen die JVP/NPP als „links“ oder „sozialistisch“ und nennen Dissanayake, der sowohl die JVP als auch die NPP leitet, häufig einen „Marxisten“. Das sind Lügen. Die JVP, die im Jahr 2019 die NPP als breite Koalition gegründet hat, ist eine rechte, pro-imperialistische Partei, die seit ihrer Gründung in den 1960er Jahren von sri-lankischem Nationalismus und singhalesischem Chauvinismus durchdrungen ist.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2019 erhielt Dissanayake nur 3,1 Prozent der Stimmen, und bei den letzten Parlamentswahlen, die im August 2020 inmitten der ersten Welle der Corona-Pandemie stattfanden, gewann die JVP/NPP nur drei Sitze und 445.958 Stimmen.

Doch im September wurde Dissanayake plötzlich zum Präsidenten gewählt. Er und die JVP/NPP nutzten die massive Wut der Bevölkerung gegen das traditionelle politische Establishment aus, dessen verheerende kapitalistische Politik das Land in eine katastrophale sozioökonomische Krise gestürzt hat.

Gleich nach seiner Amtsübernahme nutzte Dissanayake die umfassenden Befugnisse der Exekutivpräsidentschaft, um für den 14. November vorgezogene Neuwahlen anzusetzen. Damit forderte er die sri-lankische Bevölkerung auf, eine „starke“ JVP/NPP-Regierung zu wählen. Dies sei notwendig, um die Korruption auszumerzen und die Pläne der JVP/NPP für eine „nationale Renaissance“ umzusetzen. In Wirklichkeit wollten Dissanayake und seine JVP/NPP ihre Position gegen die sri-lankischen Arbeiter stärken, bevor sie ihnen die brutalen, vom IWF diktierten Sparmaßnahmen aufzwingen.

Traditionell bekommt die Partei des Siegers der Präsidentschaftswahlen bei den Wählern größere Unterstützung in den darauffolgenden Parlamentswahlen.

Dennoch ist die Zunahme der Unterstützung für die JVP/NPP zwischen den Präsidentschafts- und der Parlamentswahlen deutlich. Bei den Parlamentswahlen am Donnerstag erhielt die JVP/NPP 6.863.186 Stimmen, d.h. über 1,2 Millionen mehr als Dissanayake bei seinem Sieg in den Präsidentschaftswahlen. Die Wahlbeteiligung sank insgesamt um zehn Prozent, und der Stimmenanteil der JVP/NPP stieg von 42,3 auf 61,6 Prozent.

Die NPP gewann in 21 der 22 Wahlkreise des Landes mindestens eine relative Mehrheit der Stimmen. Im Wahlkreis Battcaloa im Osten wurde die NPP zweitstärkste Kraft nach der tamilisch-nationalistischen Ilangai Tamil Arasu Katchchi (ITAK).

Das Wahlergebnis stellt eine historische Abfuhr an die traditionellen Regierungsparteien der sri-lankischen Bourgeoisie dar, die in den letzten Jahren unter dem Gewicht der zunehmenden geopolitischen und der Klassenspannungen zerbrochen sind, und ebenso an die Handvoll Familien, die diese Parteien seit der Unabhängigkeit Sri Lankas dominiert haben.

Von den Oppositionsparteien wird nur die Samagi Jana Balawegaya (SJB) mit einer nennenswerten Zahl von Abgeordneten im neuen Parlament vertreten sein. Sie gewann 18 Prozent der Stimmen und damit 40 Sitze.

Die National Democratic Front (NDF), das jüngste politische Werkzeug von Ranil Wickremesinghe, erhielt nur vier Prozent der Stimmen und fünf Sitze. Wickremesinghe übernahm im Juli 2022 die Präsidentschaft, nachdem Gotabhaya Rajapaksa durch einen Massenaufstand aus dem Amt gejagt wurde, setzte bis zu seiner Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen am 21. September an vorderster Front den IWF-Sparkurs durch.

Sowohl die SJB als auch die NDF haben ihre Wurzeln in der mittlerweile faktisch aufgelösten United National Party (UNP), der rechten, traditionell pro-amerikanischen Partei, die 1983 den drei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg gegen die Tamilen begann.

Die Familie bzw. Clique um Rajapaksa stand von 2005 bis 2022 im Mittelpunkt des politischen Lebens von Sri Lanka. Mahinda Rajapaksa war von 2005 bis 2015 Präsident und sein Bruder Gotabhaya von 2019 bis 2022. Bei den Wahlen am Donnerstag erhielt Rajapaksas SLPP nur drei Sitze und einen Stimmanteil von 3,14 Prozent.

Während des Parlaments-Wahlkampfs erklärten fast alle Oppositionsparteien, einschließlich der SJB, der SLPP und der tamilischen und muslimischen bürgerlichen Parteien, ihre Bereitschaft zur „konstruktiven“ Zusammenarbeit mit der angeblich linken JVP/NPP-Regierung.

Neben dem Zusammenbruch ihres Rückhalts in der arbeitenden Bevölkerung ergibt sich das derzeitige Durcheinander und die Krise der traditionellen Parteien auch aus der Tatsache, dass mächtige Teile der herrschenden Klasse in Sri Lanka, den USA und Indien zu dem Schluss gekommen sind, dass die „Anti-Establishment-Partei“ JVP/NPP das beste Mittel ist, um das Spardiktat des IWF gegen den Widerstand der Massen durchzusetzen.

Dissanayake und die JVP/NPP haben ihrerseits jahrelang versucht, die Unterstützung der herrschenden Klasse zu gewinnen, u.a. durch häufige Treffen mit der amerikanischen Botschafterin in Sri Lanka, Julie Chung. Der JVP/NPP-Vorsitzende beeilte sich, dem faschistischen künftigen US-Präsidenten Donald Trump eine Glückwunschbotschaft zu schicken und versprach, mit seiner Regierung zusammenzuarbeiten.

Genau wie bei den Präsidentschaftswahlen sprach die JVP/NPP auch in dieser Parlamentswahl mit gespaltener Zunge, allerdings waren ihre Lügen noch schamloser.

Dissanayake und die JVP/NPP behaupten weiterhin, sie würden die ärmsten Teile der Bevölkerung vor den verheerenden Auswirkungen des IWF-Spardiktats schützen, während sie gleichzeitig dem IWF versichert haben, dass sie sein gesamtes Programm an Sparmaßnahmen durchsetzen werden. Dazu gehören: die Privatisierung/Umstrukturierung von mehr als 400 staatseigenen Unternehmen, der Abbau von hunderttausenden Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, weitere Steuer- und Gebührenerhöhungen und weitere Kürzungen bei wichtigen öffentlichen Dienstleistungen wie kostenloser Gesundheitsversorgung und Bildung.

In ähnlicher Weise behaupten Dissanayake und die JVP/NPP weiterhin, sie würden „demokratische“ Reformen durchführen, während sie gleichzeitig ihr Versprechen über Bord werfen, die „Antiterrorgesetze“ und die Exekutivpräsidentschaft abzuschaffen, und ankündigen, dass Streiks nach der Bildung einer „starken Regierung“ der Vergangenheit angehören würden.

Die Leitmedien und die Gewerkschaften haben die JVP/NPP bei der Vertuschung ihrer Vorbereitungen eines Frontalangriffs auf die sozialen und demokratischen Rechte der arbeitenden Bevölkerung unterstützt, indem sie die Zukunft unter der neuen Regierung in den rosigsten Farben dargestellt haben. Die Gewerkschaften reagierten auf die Ankündigung der Regierung, eine Gehaltserhöhung für 1,4 Millionen staatliche Beschäftigte nicht umzusetzen, ohne den geringsten Protest, ganz zu schweigen davon, dass sie Demonstrationen oder Streiks organisieren würden.

Auch die pseudolinken Parteien haben sich bemüht, die JVP/NPP-Regierung als „progressiv“ darzustellen und die Vorstellung zu verbreiten, dass sie für Druck von links empfänglich sei. Die Frontline Socialist Party (FSP), die Dissanayakes Wahl als „Ausdruck der Erwartungen der Bevölkerung“ lobte, beteiligte sich als Teil des breiten Bündnisses People's Struggle Alliance (PSA) an den Wahlen. Ihr wichtigster Wahlkampfslogan war „Ändert die Opposition“, was für die bankrotte Orientierung der FSP-PSA bezeichnend ist, die darin besteht, die soziale Wut in Druck auf die rechte kommunalistische JVP/NPP-Regierung zu verwandeln.

Ein weiteres wichtiges Element des Siegs der JVP war der starke Stimmenzuwachs in den mehrheitlich tamilischen Gebieten. Die JVP ist seit langem für ihre Hetze und Gewalt gegen Tamilen berüchtigt. Dies war ein entscheidender Faktor bei den engen Beziehungen, die sie über Jahrzehnte mit Teilen des Militär- und Sicherheitsapparats aufgebaut hat. Bei den Präsidentschaftswahlen mieden die tamilischen Wähler die JVP/NPP, die nur zehn Prozent der Stimmen oder weniger in den mehrheitlich tamilischen Gebieten erzielte.

Doch bei der Wahl am Donnerstag wurde sie in allen mehrheitlich tamilischen Bezirken bis auf einen stärkste Kraft. In Jaffna im Norden erhielt sie 25 Prozent der Stimmen, in Trincomalee im Osten 42 Prozent und in Nuwara Eliya, dem zentralen Plantagenbezirk, 42 Prozent.

Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen. Dazu gehören die Wut auf die traditionellen tamilischen Parteien, die den Sparkurs des IWF und mehrere rechte Regierungen in der Hauptstadt Colombo unterstützt haben und fehlgeleitete Hoffnungen auf die Versprechen der JVP – etwa die Freilassung politischer Gefangener und die Freigabe von Land, das vom Militär besetzt ist. Diese wurden offensichtlich gemacht, um Stimmen zu gewinnen. Nicht zuletzt spielen auch Ängste darüber eine Rolle, wie die Tamilen behandelt werden würden, wenn sie sich nicht an die Seite der JVP stellen.

Während seines Wahlkampfs für die Präsidentschaft in Jaffna warnte Dissanayake die Bevölkerung „im Norden“, d.h. die tamilische Mehrheit, ausdrücklich, dass sie sicher nicht als diejenigen wahrgenommen werden wollen, die den Willen der singhalesischen Mehrheit blockieren.

Die sri-lankischen und internationalen Medien reagierten begeistert auf den Sieg der JVP/NPP. In einem Leitartikel der Daily FT aus Colombo hieß es: „In den Augen der Öffentlichkeit hatte die vorherige Regierung keine Legitimität, was ihre wichtigsten Wirtschaftsreformplänen unterminiert hat. Eine Regierung mit starkem Mandat aus der Bevölkerung wäre in einer besseren Position, die notwendigen, aber politisch unpopulären wirtschaftspolitischen Maßnahmen durchzusetzen.“

Es herrscht ein enormer Widerspruch zwischen dem, was die Arbeiter und Jugendlichen von der JVP/NPP-Regierung aufgrund ihres „Anti-Establishment“-Image und ihrer falschen Versprechen erwarten, und dem wirtschaftsfreundlichen und pro-imperialistischen Kurs, den sie im Namen des sri-lankischen und globalen Kapitals durchsetzen wird.

Der Wahlsieg der JVP/NPP fand unter Bedingungen statt, in denen der US-Imperialismus verzweifelt versucht, seine globale Vorherrschaft wiederherzustellen und dabei auf eine Politik des weltweiten Kriegs setzt. Der von den USA und der Nato provozierte Krieg gegen Russland, der von den imperialistischen Mächten unterstützte Völkermord Israels in Gaza und die Ausweitung des Kriegs im Nahen Osten sowie Washingtons militärstrategische Offensive gegen China sind drei Fronten in diesem Krieg.

Die USA und Indien als ihr wichtigster Verbündeter in Südasien sind entschlossen, die gesamte Region des Indischen Ozeans in ihren Kriegskurs gegen China einzubinden, vor allem Sri Lanka, das in der Nähe wichtiger Schifffahrtsrouten liegt. Dissanayake hat mehrfach signalisiert, dass er die Bestrebungen seines Vorgängers Wickremesinghe fortsetzen wird, Sri Lanka in ein geostrategisches Bollwerk gegen China zu verwandeln, nicht zuletzt dadurch, dass er letzten Monat den Oberbefehlshaber der US-Pazifikflotte empfangen hat. Dies geschieht ohne Rückhalt in der Bevölkerung, die dazu auch nicht gefragt wird.

Jetzt stehen heftige Kämpfe auf der Tagesordnung.

Die Socialist Equality Party (SEP) warnt die Arbeiterklasse, die Jugend und die arme Landbevölkerung: die JVP/NPP ist eine rechte, singhalesisch-chauvinistische und kapitalistische Partei, deren historische Basis das Kleinbürgertum ist und die mit dem Faschismus mehr gemein hat als mit dem Sozialismus.

Die JVP/NPP wird ihre Wahlsiege nutzen, um jeden Widerstand der Arbeiterklasse gegen ihre Politik als „illegitim“ zu denunzieren, obwohl sie kein Mandat der Bevölkerung für die Umsetzung der IWF-Sparmaßnahmen der „verbrannten Erde“ hat. Wenn sie mit Massenopposition konfrontiert wird, wird sie den Militär- und Staatsapparat und die zahlreichen repressiven Gesetze, die von ihren Vorgängern eingeführt wurden, benutzen, um die polizeistaatliche Repression zu entfesseln. Und in Einklang mit ihrer üblen Vergangenheit und den reaktionären „Traditionen“ der sri-lankischen Bourgeoisie wird die JVP/NPP-Regierung singhalesischen Chauvinismus gegen Tamilen schüren, um die Arbeiterklasse zu spalten und zu schwächen.

Die SEP hat sich an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen beteiligt, um die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen politisch auf den bevorstehenden direkten Konflikt mit der JVP/NPP-Regierung vorzubereiten. Es ist notwendig, eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse aufzubauen, die sich auf ein Netz von Aktionskomitees stützt, mit dem Ziel, die arme Landbevölkerung in einem gemeinsamen Kampf gegen die Bourgeoisie zu mobilisieren und eine Arbeiter- und Bauernregierung in Form der Vereinigten Sozialistischen Republik Sri Lanka-Eelam aufzubauen. Diese Bewegung muss Teil eines breiteren Kampfs für den Sozialismus in Südasien und auf der ganzen Welt sein.

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