IG Metall stimmt dem Abbau von 2600 Arbeitsplätzen bei Siemens Energy zu

Am Dienstag einigten sich die IG Metall, die Betriebsräte und die Geschäftsführung von Siemens Energy über den Abbau von 2600 Arbeitsplätzen in Deutschland. Betroffen sind fünf Standorte: In Berlin entfallen 602 Stellen, in Mülheim mehr als 600, in Erlangen 565, in Duisburg 326 und in Görlitz 124. Insgesamt sollen weltweit 7800 Arbeitsplätze der Axt zum Opfer fallen.

Der Stellenabbau ist das Ergebnis der Verhandlungen einer Einigungsstelle, die von der Geschäftsführung des Unternehmens beantragt wurde. Nach §76 des Betriebsverfassungsgesetzes setzt sich die Einigungsstelle aus der gleichen Anzahl von Vertretern der Unternehmensleitung und des Betriebsrats zusammen, nebst einem „unparteiischen“ Vorsitzenden.

Mit der Zustimmung von Betriebsrat und Gewerkschaft zum Arbeitsplatzabbau ist genau das eingetreten, was die WSWS vorausgesagt hat. Wir hatten seit langem gewarnt, dass die sogenannten Arbeitnehmervertreter einen Ausverkauf vorbereiten und dass ihre Protestdemonstrationen nur dazu dienen, die Arbeiter zu täuschen und Dampf abzulassen.

Am 14. Juli schrieben wir, „dass sich IG Metall und Betriebsrat hinter der angeblichen Neutralität des Vorsitzenden der Einigungsstelle verschanzen werden, um die geplanten Entlassungen gegen den Widerstand der Belegschaft durchzusetzen“. Die IG Metall sei uneingeschränkt „zum Abbau von Löhnen, Sozialleistungen und Arbeitsplätzen“ bereit. Sie habe mit Hilfe externer Berater ein eigenes Alternativkonzept ausgearbeitet und versuche jetzt, „den Konzern und seine Aktionäre davon zu überzeugen, dass es mehr Profit abwirft als das Konzept des Vorstands“.

Und als die IG Metall am 23. August zu einer Kundgebung vor dem Tagungsort der Einigungsstelle aufrief, erklärten wir: „Das Ziel der Aktion war nicht etwa die Verteidigung der Arbeitsplätze, sondern die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung. … Otto und die IG Metall verfolgen nicht das Ziel, die Löhne und Arbeitsplätze der Belegschaft zu verteidigen, sondern ‚die Transformation mitzugestalten‘ – d.h. Siemens und andere Konzerne so umzubauen, dass sie auch in Zukunft hohe Profite abwerfen.“

Genau so ist es gekommen. Die 2600 Arbeitsplätze, deren Vernichtung die IGM und ihre Betriebsräte nun zugestimmt haben, liegen nur knapp unter der Zahl von 3000, die Siemens Energy ursprünglich angekündigt hat. Man kann davon ausgehen, dass der Konzern diese Zahl absichtlich zu hoch angesetzt hatte, um der Gewerkschaft anschließend ein „Zugeständnis“ machen zu können.

Trotzdem hat der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Jan Otto, das Ergebnis als „strategischen Teilerfolg“ bezeichnet. Er begründet dies damit, dass im Berliner Gasturbinenwerk 136 Stellen weniger als ursprünglich angekündigt abgebaut würden, der Abbau – wegen unerledigter Aufträge – auf 18 Monate gestreckt werde und der Konzern Zukunftsinvestitionen in dreistelliger Millionenhöhe in den Standort versprochen habe.

Auch der Erlanger Betriebsratsvorsitzende Manfred Bäreis bezeichnete den Abbau von 565 Arbeitsplätze in Erlangen als „tragfähig“. Der Abbau der Arbeitsplätze erfolge „auf freiwilliger Basis“.

Der Arbeitsplatzabbau soll wie üblich über einen Sozialplan und ohne „betriebsbedingte Kündigungen“ erfolgen. Das bedeutet, dass Arbeiter, die sich nicht „freiwillig“ mit einer Abfindung abspeisen lassen, in Frührente oder in eine Transfergesellschaft gehen, so lange persönlich unter Druck gesetzt werden, bis sie mürbe sind und resignieren.

Obwohl die Siemens-Belegschaft auf zahlreichen Demonstrationen ihre Kampfbereitschaft bewies, hatten die IG Metall und die Betriebsräte nie die Absicht, einen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu führen. Sie verfolgen eine völlig andere Strategie.

Sie versuchen, den Konzernen und der Regierung zu beweisen, dass sie über bessere Konzepte verfügen, um die Interessen der Wirtschaft im globalen Kampf um Marktanteile und Profite zu verteidigen. Sie wollen sie überzeugen, dass ihre Gewinne und Aktienkurse schneller steigen, wenn sie eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten.

Das hat eine unausweichliche Logik. Damit der Standort Deutschland konkurrenzfähig bleibt, müssen Löhne gesenkt, Arbeitsplätze abgebaut und die Arbeitshetze gesteigert werden. Anstatt die internationale Arbeiterklasse zu vereinen, die weltweit gegen dieselben Konzerne und Finanzinteressen kämpft, spaltet sie die IG Metall und spielt einen Standort gegen den anderen aus.

Der Berliner IGM-Chef Jan Otto ist Experte für diese Form der korporatistischen Klassenzusammenarbeit. Während die Einigungsstelle hinter verschlossenen Türen das Arbeitsplatzmassaker bei Siemens Energy aushandelte, organisierte er einen sogenannten Transformationsgipfel nach dem andern.

Am 2. September veranstaltete die IG Metall in Berlin eine Transformationskonferenz, an der neben dem IGM-Bundesvorsitzenden Jörg Hofmann und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Spitzenkandidaten der Berliner Parteien – Franziska Giffey (SPD), Kai Wegener (CDU), Klaus Lederer (Linke) und Bettina Jarasch (Grüne) – sowie handverlesene Funktionäre aus den Betrieben teilnahmen.

Die Konferenz leite „eine neue Ära der IG Metall“ ein, verkündete Otto. „Wir wollen unser Mandat erweitern um eine aktivierende und erfolgreiche Industrie- und Transformationspolitik.“

Am 10. September folgte ein Transformationsgipfel im Berliner Rathaus, zu dem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre sowie Spitzenmanager von Siemens Energy, Stadler, Bayer, Daimler, Biotronik, Alstom und anderen Konzernen geladen hatten. Die IG Metall war mit Jan Otto und Regina Katerndahl vertreten.

Die IG Metall feierte den Gipfel auf ihrer Website als „klares Bekenntnis aus Industrie und Gewerkschaften“, dass es sinnvoll sei, „wenn Entscheider*innen direkt mit den Sozialpartnern aus den Gewerkschaften die Transformation des Industriestandortes Berlin besprechen“. Auf dem Gipfel hätten sich „viele Geschäftsmodelle für die Zukunft“ angedeutet. Ein „spannender Aspekt war die Idee, Berlin als Reallabor zu nutzen“.

Als Reallabor wofür, zeigt der Arbeitsplatzabbau bei Siemens Energy. Am Tag, an dem die Einigung bekanntgegeben wurde, trafen sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und CDU-Spitzenkandidat Kai Wegener mit Betriebsräten des Gasturbinenwerks, die dem Abbau zugestimmt hatten. Sie versicherten ihnen: „Die Politik steht an der Seite von Betriebsräten und ihrer Gewerkschaft.“

Der Ausverkauf bei Siemens Energy unterstreicht erneut, dass die Verteidigung von Arbeitsplätzen, Löhnen und sozialen Rechten einen Bruch mit den Gewerkschaften erfordert. Arbeiter müssen unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die den Kampf organisieren und den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen in anderen Werken und Ländern aufbauen.

Siemens Energy ist nur die Spitze des Eisbergs. Allein in der deutschen Autoindustrie stehen eine halbe Million Arbeitsplätze zur Disposition. Die herrschende Klasse nutzt die Corona-Pandemie für scharfe soziale Angriffe. Während unzählige Arbeiter ihr Einkommen, ihre Existenz oder sogar ihr Leben verlieren, nutzt sie die Pandemie für eine neue Bereicherungsoffensive.

Die Vierte Internationale hat die Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees ins Leben gerufen, um eine globale Gegenoffensive einzuleiten und zu entwickeln. Nehmt Kontakt auf zu ihrer deutschen Sektion, der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), und unterstützt sie am 26. September bei der Bundestags- und Berliner Abgeordnetenhauswahl.

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