Was der Kampf der WISAG-Bodenarbeiter am Airport Frankfurt gezeigt hat

Am 25. August sind vor dem Frankfurter Arbeitsgericht erneut mehrere Klagen von Flughafen-Bodenarbeitern verhandelt worden. Die Arbeiter klagten auf Wiedereinstellung durch den Dienstleistungskonzern WISAG, der sie im Dezember 2020 entlassen hatte. Wie alle bisherigen, wurden auch diese Klagen am Mittwochvormittag abgewiesen.

„Heute wir – morgen ihr!“ unter diesem Motto hatten die Arbeiter vor acht Monaten den Kampf gegen ihre Entlassungen aufgenommen. Dieser Kampf hat auf jeden Fall eine bleibende Erkenntnis erbracht: Arbeiter können weder von den Unternehmern, den Gewerkschaften und den Betriebsräten, noch von den Journalisten bürgerlicher Medien oder den Richtern Hilfe erhoffen, und sie dürfen ihre Hoffnung auch nicht auf die Politiker etablierter Parteien von CDU bis Linkspartei setzen.

„Das sind letztlich alles kapitalistische Einrichtungen“, brachte es C. Benli, einer der WISAG-Arbeiter, gestern im Gespräch mit der WSWS auf den Punkt. „Eine Chance haben wir nur, wenn wir uns als Arbeiter alle zusammenschließen.“

Die Sozialistische Gleichheitspartei und die WSWS treten für den Aufbau von Aktionskomitees ein, die unabhängig von den Gewerkschaften agieren können und sich auch international zusammenschließen. Dies wird jetzt immer wichtiger, da Lokführer, Pflegekräfte, Erzieher und Arbeiter bei Siemens, Continental oder Gorillas sowie viele weitere Arbeiter den Kampf aufnehmen.

Bei WISAG Ground Service hatte es damit begonnen, dass die Geschäftsführung kurz vor Weihnachten 2020 rund 200 Bodenarbeitern und 31 Busfahrern gekündigt hatte; den Busfahrern wurde schon ab dem 1.Oktober 2020 der Lohn entzogen. Später kamen noch mindestens 30 weitere Kündigungen hinzu. Die Entlassenen waren durchwegs erfahrene und professionelle Flughafenarbeiter, die seit Jahrzehnten am Flughafen tätig waren.

Doch anders als Konzern und Betriebsrat erwartet hatten, weigerten sich die Arbeiter, die Kündigungen zu akzeptieren. Unter dem Motto: „Heute wir – morgen ihr!“ begannen sie, ihren Widerstand gemeinsam zu organisieren. Sie demonstrierten unzählige Male am Frankfurter Flughafen, vor der Firmenzentrale und der Wisser-Privatvilla, wie auch in Wiesbaden vor dem hessischen Landtag. Zum Ersten Mai traten sie in Frankfurt mit einer eigenen Kundgebung auf. Schon Ende Februar hatten sie acht Tage am Terminal 1 einen Hungerstreik durchgeführt.

Damit richteten sie das Augenmerk auf das neue WISAG-Geschäftsmodell, das mehr und mehr Schule macht. Der Konzern des Frankfurter Oligarchen Claus Wisser und seines Sohnes nutzt Schein-, Leih- und Tochterfirmen, um Mitarbeiter zu entlassen und anschließend zu schlechteren Konditionen wiedereinzustellen. Wer sich wehrt, wird mit Hausverbot, Lohnentzug und Kündigung bestraft, wie die 31 Busfahrer am Airport Frankfurt. Auch in Berlin sind mindestens 350 Beschäftigte der Berliner WISAG letztes Jahr entlassen worden.

Das Modell hat sich für Familie Wisser bestens gelohnt. Mit einem Vermögen von 450 Millionen Euro stand sie 2020 auf Platz 281 der Liste der reichsten Deutschen des Manager Magazins. Andere Quellen nennen eine doppelt so hohe Summe. In Hessen wird Claus Wisser als Kunstmäzen gefeiert und mit staatlichen Orden und Preisen überhäuft. Bei der Frankfurter SPD ist er Ehrengast, wie auch auf den Neujahresempfängen des DGB.

Was Verdi, die Hausgewerkschaft auf dem Frankfurter Flughafen, betrifft, so haben die WISAG-Arbeiter an ihrer Gewerkschaftszentrale einen schwarzen Totenkranz abgelegt zum Zeichen, dass die Dienstleistungsgewerkschaft für sie gestorben ist. Verdi handelt längst nicht mehr als Vertretung der Arbeiter, sondern als korporatistische Agentur der Deutschen Luftfahrt. Ihre Vorstandsmitglieder sitzen in den Aufsichtsräten des Flughafenbetreibers Fraport, der Lufthansa und auch der WISAG-Holding Aveco.

Die Rechtsanwälte mehrerer WISAG-Arbeiter haben vor Gericht nachgewiesen, was die Arbeiter seit langem wussten: dass der WISAG-Betriebsrat aktiv gegen sie gearbeitet hat. Der Betriebsrat hatte sich schon am 7. Dezember 2020 mit dem Konzern auf betriebsbedingte Kündigungen geeinigt und diese in einer Betriebsvereinbarung vom Februar 2021 ausdrücklich nicht mehr ausgeschlossen. Dem Konzern wurde sogar ermöglicht, die Kündigungsfrist willkürlich auf drei Monate zu verkürzen. Dies wird nun gegen Arbeiter benutzt und eingesetzt, die praktisch alle seit über 20 Jahren im Betrieb und einige seit 37 oder 40 Jahren am Flughafen tätig waren!

Auch die Politiker stehen im Kampf gegen Entlassungen und Lohnraub auf der anderen Seite. Das haben die WISAG-Arbeiter ebenfalls aufgezeigt. Sie haben über tausend Unterschriften gesammelt und in Wiesbaden den Regierungspolitikern von CDU und Grünen übergeben – ohne jedes Ergebnis. Sie haben sich an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gewandt und Janine Wissler angesprochen, die Fraktionsführerin der Linken im Wiesbadener Landtag und Vorsitzende ihrer Partei – alles ohne Ergebnis. Sogar im Wahlkampf vermeiden die Politiker es auffällig, sich auf die Seite der WISAG-Arbeiter zu stellen.

In Hessen und Frankfurt sind CDU, Grüne und SPD, die alle in der einen oder anderen Koalition mitregieren, unmittelbar daran interessiert, die Profite am Flughafen nicht zu gefährden. Fraport befindet sich mehrheitlich im Besitz von Hessen und Frankfurt. Der grüne Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir hat sich 2017 persönlich für WISAG eingesetzt.

Letztlich waren es SPD und Grüne, die unter der Schröder-Fischer-Regierung neue Arbeitsgesetze verabschiedet hatten. Auf deren Grundlage wurde in Deutschland ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen, und die Wisser-Familie konnte sich sagenhaft bereichern. Sie nutzte die korrupten Netzwerke in SPD und DGB, um ein Firmenimperium aufzubauen, das von der brutalen Ausbeutung im Niedriglohnsektor lebt.

Dass auch die Medien damit unter einer Decke stecken, hat sich spätestens während des Hungerstreiks am größten deutschen Flughafen erwiesen. Sie haben ihn überhaupt erst erwähnt, als er schon zu Ende war. In den wenigen Berichten, die seither über die Entlassungen auf dem Rhein-Main-Airport auf ZDF, in der Frankfurter Rundschau, der Hessenschau oder der Offenbach Post erschienen sind, ist WISAG mit keinem Wort erwähnt worden.

Der allgemeine Boykott hat einen einfachen Grund: Die Frankfurter Bodenarbeiter stehen für Millionen Arbeiter auf der ganzen Welt, die ähnlichen Angriffen ausgesetzt sind. Ihr Kampf hätte leicht zum Vorbild für viele andere werden können und musste deshalb isoliert und totgeschwiegen werden.

Das ist auch der Grund, warum die Arbeiter vor dem Arbeitsgericht nicht durchdringen, obwohl die Entlassungen rein juristisch leicht anzufechten wären. Mehrere Rechtsanwälte der betroffenen WISAG-Arbeiter haben darauf hingewiesen, dass die Kündigungen ausgesprochen wurden, obwohl WISAG gleichzeitig vom Arbeitsamt Kurzarbeitergeld bezog. Kurzarbeit bedeutet aber per Definition, dass die wirtschaftlichen Probleme temporär sind, und müsste daher betriebsbedingte Kündigungen von vorneherein ausschließen.

Freilich sind in diesen Prozessen oftmals Richter eingesetzt, die – wie die Arbeiter nach einem solchen Prozess sagten – „mit der Gegenseite offenbar unter einer Decke stecken: Unsere Seite ist überhaupt nicht zur Anhörung gekommen. Es war wie gegen eine Wand gesprochen.“

Mehrmals amtierte beispielsweise Frau Dr. Jana Kraus als Richterin, die noch vor einigen Jahren als Arbeitgeberanwältin in einer der bekanntesten Anwaltskanzleien, bei Clifford Chance, gearbeitet hat. Diese Richterin sagte einem Kläger, einem WISAG-Busfahrer: „Sie wissen ja, Recht und Gerechtigkeit gehen selten Hand in Hand.“

Alle diese Einrichtungen – die Medien, die Gewerkschaften, die bürgerlichen Parteien, die Gerichte – sind daran beteiligt, dass sich eine schmale Schicht von Superreichen an der Corona-Pandemie maßlos bereichern kann. Sie zwingen die Arbeiter, während der ganzen Pandemie weiter zu schuften. Während sich in den Leichenhallen die Särge stapeln, feiern die Aktienkurse Höhenflüge. Weltweit hat sich das Vermögen der Milliardäre im Pandemiejahr 2020 um mehr als 60 Prozent, von 8 Billionen Dollar auf 13,1 Billionen Dollar, vermehrt. Gleichzeitig haben mehr als viereinhalb Millionen Menschen die Pandemie mit ihrem Leben bezahlt.

Weltweit verlieren hunderte Millionen Arbeiter wegen der Corona-Pandemie ihre Arbeitsplätze, ihre sicheren Löhne und ihre Arbeitsbedingungen. In der Luftfahrt, in der Auto- und Zulieferindustrie, bei der Bahn, sogar in den Krankenhäusern holen die Manager fertige Pläne aus den Schubladen, um Arbeitsplätze abzubauen und Lohnkosten einzusparen.

Dagegen entwickelt sich Widerstand. Überall auf der Welt häufen sich Proteste und Streiks, auch wenn sie bisher zuweilen noch isoliert und totgeschwiegen werden. Das ist der Grund für die Feindschaft der Parteien, der Medien, der Verdi-Funktionäre und der Arbeitsrichter gegen die Bodenarbeiter. Sie fürchten, dass ihr Kampf Schule machen könnte.

Dieser Kampf hat wie durch ein Brennglas gezeigt, vor welchen Problemen Millionen Arbeiter heute stehen. Sie brauchen ihre eigene Partei, ihre eigenen Medien und ihre eigenen, unabhängigen Aktionskomitees in den Betrieben.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Online-Plattform, die World Socialist Web Site, haben den Kampf der WISAG-Bodenarbeiter als einzige von Anfang an unterstützt. Sie haben Solidaritätsadressen von Berliner und Londoner Busfahrern und von britischen und türkischen Lehrern und ihren Aktionskomitees für Bildung organisiert.

Die WISAG-Arbeiter selbst solidarisierten sich ebenfalls ausdrücklich mit dem Streik der amerikanischen Arbeiter bei Volvo Trucks. Wie sie erklärten, bedeutet ihr Motto: „Heute wir – morgen ihr“ nicht allein, dass immer mehr Arbeiter von den Angriffen auf Arbeitsplätze und Löhne betroffen sind. Es bedeutet auch, dass sich immer mehr Arbeiter einem unabhängigen und internationalen Kampf anschließen werden.

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