Auch am heutigen Montag setzen die entlassenen WISAG-Arbeiter ihren Hungerstreik am Rhein-Main Airport fort. Sie kämpfen gegen willkürliche Entlassungen und massiven Lohnraub. WISAG nutzt die Pandemie als Chance, um erfahrene Arbeiter durch billigere, rechtlose Leiharbeiter zu ersetzen und ein Regime von Hire and fire einzuführen.
Die lokalen und überregionalen Medien haben ihre Blockade auch am Wochenende fortgesetzt und den Hungerstreik komplett totgeschwiegen. Gleichzeitig verbreiten sich die Artikel der WSWS rasant in den sozialen Medien. Ein BVG-Busfahrer ließ uns wissen, er habe sein Zeitungsabo gekündigt, weil das Blatt den Hungerstreik nicht einmal erwähnt habe. Auf den Facebook-Gruppen sprechen WISAG-Arbeiter anderer Standorte den Frankfurtern ihre Solidarität aus. Besonders in Berlin stoßen die Berichte auf Interesse, wo im Sommer beim Übergang von Schönefeld auf Tegel ebenfalls rund 300 WISAG-Arbeiter entlassen wurden.
Am Frankfurter Flughafen bildet der Hungerstreik seit sechs Tagen einen Anziehungspunkt für sehr viele Arbeiter, die die Streikenden besuchen und unterstützen. Viele von ihnen stehen vor ähnlichen Problemen und berichten ebenfalls über Stellenstreichungen und Lohnverlust. Der Lufthansa-Konzern hat gerade seine Catering-Tochter LSG verkauft, und auch Fraport, der Flughafenbetreiber, ist dabei, tausende Stellen abzubauen und Betriebsteile auszulagern. Aus München kam gerade die Nachricht von der Insolvenz von Swissport Losch mit 900 Bodenarbeitern.
Am Samstag demonstrierte ein Teil der entlassenen WISAG-Belegschaft vor der Frankfurter Villa des Firmeninhabers Claus Wisser, der zu den 300 reichsten Familien Deutschlands gehört. In einem internen Schreiben hatte WISAG-Geschäftsführer Michael Dietrich gegen den Hungerstreik Gift und Galle gespuckt. Er ließ die „lieben Mitarbeiter“ wissen, dass der Hungerstreik „maßlos und verantwortungslos“ sei. Er sei „darauf gerichtet, ein Unternehmen von einem grundsätzlich rechtmäßigen Handeln“ abzuhalten. Dietrich räumte die Massenentlassungen und miserablen Abfindungen dabei offen ein und behauptete, betriebsbedingte Kündigungen seien notwendig, „um uns für die Zeit nach der Krise zukunftsfähig aufzustellen“.
Zwei WISAG-Arbeiter informierten die World Socialist Web Site am Sonntag in einem Video-Gespräch mit dem SGP-Bundestagskandidaten Dietmar Gaisenkersting. Habip und Özkan sind, wie praktisch alle Teilnehmer des Hungerstreiks, erfahrene Flughafenarbeiter, die an der Rampe arbeiten und die Maschinen auf dem Vorfeld abfertigen.
WISAG hat gerade diejenigen Arbeiter, die den Betrieb aufgebaut haben und auf Erfahrungen aus über zwanzig Arbeitsjahren zurückblicken, kurz vor Weihnachten zu Ende März entlassen. Mit dem Betriebsrat hatte WISAG davor zunächst einen bescheidenen Sozialplan vereinbart, den die Arbeiter jedoch abgelehnt hatten. „Wir wollen ja bloß weiter arbeiten“, betont Habip Seither habe sich der Betriebsrat zurückgezogen.
„Wir haben nun insgesamt sieben Demonstrationen organisiert, aber kein einziges Mal war der Betriebsrat dabei“, wie Habip berichtet. Ganz zu schweigen von Verdi: „Sie haben uns im Stich gelassen.“ Özkan sagt: „Als wir hier den Kampf aufnahmen, waren wir alle nur Arbeiter, kein Betriebsrat war dabei. Wir haben diese Aktion gestartet, um uns selbst und alle andern zu schützen, und das werden wir auch weiter tun.“
Das Motto des Hungerstreiks lautet: „Heute wir, morgen ihr.“ Die Arbeiter hatten versucht, über die miesen Entlassungspläne mit dem Management ins Gespräch zu kommen. Aber der Konzern reagierte jedes Mal mit noch brutaleren Angriffen. Özkan berichtet: „Die Antwort war: ‚Nein, das sehen wir nicht ein, wir suchen die Leute [die wir entlassen] selbst aus, und mehr an Abfindung gibt es nicht‘.“ Als die Arbeiter kurz vor Weihnachten ihre Kündigung erhielten, sollte die damit verbundene Abfindung nur noch lächerliche drei- bis viertausend Euro betragen.
Als die Arbeiter Arbeitsschutzklagen eingereicht hatten, drohte WISAG damit, den ganzen Betrieb einzustellen. „Als wir gegen die Kündigung klagten, drohte das Management, die Firma komplett zu schließen und unter der Rhein-Main GmbH, die [WISAG-Geschäftsführer] Michael Dietrich erst 2020 gegründet hat, ganz neue Verträge mit neuen Leuten abzuschließen.“ Auch in Berlin sei das so ähnlich gelaufen. „Sie stellen den Betrieb ein, machen eine neue Firma auf und fangen ganz neu an.“ Und: „Mit diesem Beispiel versuchen sie, den Leuten Angst einzujagen.“
Die beiden schildern, welcher Methoden nach Gutsherrnart sich WISAG bedient. Unter den Entlassenen sind auch 31 Busfahrer, die seit Oktober 2020 keinen Lohn erhalten haben. „Diese Arbeiter sollten in eine Leihfirma abgeschoben werden, die sowieso keine Zukunft hat“, erklärte Habip, Lademeister an der Rampe, der World Socialist Web Site. Sie „sollten alles wegschmeißen, was sie sich in über 20 Jahren erarbeitet haben“. Weil sie sich weigerten, wurden sie „zur Strafe vom Flughafen verbannt. Seither erhalten sie keinen Lohn mehr; weil sie aber nicht richtig entlassen sind, erhalten sie auch kein Arbeitslosengeld vom Jobcenter.“
Die Corona-Pandemie hat den Konflikt zwischen Konzern und Arbeitern massiv verschärft. Absurderweise beschuldigt WISAG-Manager Dietrich die Hunger-Streikenden, „inmitten der Pandemie die Gesundheit von Menschen zu gefährden“. Ganz im Gegenteil riskieren die WISAG-Arbeiter tagtäglich ihre Gesundheit für das Unternehmen, indem sie inmitten der Pandemiegefahr praktisch ungeschützt weiter schuften, obwohl WISAG offiziell Kurzarbeit angemeldet hat. Infolge der Kurzarbeiterregelung, die das Arbeitsamt und damit die arbeitende Bevölkerung bezahlt, hat die Firma „an Lohngeldern ja gar keine Ausgaben“, wie Özkan erklärte.
Der Profit, den WISAG daraus schlägt, reicht ihr offenbar nicht aus, so dass der Konzern nun die Pandemie nutzt, um die erfahrensten Kollegen loszuwerden und sie durch Leiharbeiter zu ersetzen. „Sie nutzen die Chance aus, um betriebsbedingt Leute zu entlassen. Später, wenn es wieder losgeht, dann stellen sie Leute mit geringeren Löhnen und Sozialleistungen ein.“
Auch die Arbeiter an der Demonstration in Frankfurt waren entschlossen, den Kampf weiter zu führen, und nicht nur im eigenen Interesse. Ibo, ein weiterer WISAG-Arbeiter sagte der WSWS: „Immer neue Scheinfirmen werden gegründet, und die Arbeiter verlieren ihre Rechte. Der Betriebsrat hat mit Dietrich zusammengearbeitet und uns Arbeiter verkauft. Wenn wir jetzt aufgeben, dann wird das hier zum Modell. Dann werden Kapitalisten in ganz Deutschland es machen wie Wisser.“
Wir rufen unsere Leser auf, Solidaritätsadressen an die Hungerstreikenden an die Redaktion zu senden, damit wir sie veröffentlichen und an die Arbeiter weiterleiten können. Bildet Aktionskomitees in Euren eigenen Betrieben, die unabhängig von Gewerkschaften und etablierten Parteien den Kampf gemeinsam führen, sich international zusammenschließen und einen europaweiten Generalstreik vorbereiten.