Belgische Behörden fahnden nach rechtsradikalem Offizier, der Virologen ermorden will

In Belgien wird noch immer nach dem rechtsextremen Offizier Jürgen Conings gefahndet, der die Ermordung von Regierungsvertretern und Virologen angekündigt hat.

Conings (46) war am Montag letzter Woche untergetaucht. Er hatte zwei Nachrichten hinterlassen, eine davon an seine Freundin, die andere an die Polizei. In beiden Briefen soll er angekündigt haben, dem „Widerstand beizutreten“ und seine „letzten Tage“ so zu verbringen, wie er es beabsichtigt. Seine Freundin hat öffentlich an ihn appelliert, sich der Polizei zu stellen.

Die Fahndung konzentrierte sich auf die Region Limburg nahe der niederländischen Grenze. Conings ist vermutlich schwer bewaffnet und als erfahrener Scharfschütze bekannt. Bis wenige Tage vor seinem Verschwinden hatte er seine Position als Ausbilder beim Militär mit Zugang zu den Waffenbeständen benutzt, um ein Waffenarsenal anzulegen. Die belgische Bundesanwaltschaft gab bekannt, man habe in Conings abgestelltem SUV Panzerabwehr-Raketenwerfer und Munition für Schusswaffen gefunden, vermutlich führe er weiterhin leichte Waffen mit sich.

Am Freitag erklärte der belgische Justizminister Vincent Van Quickenborne, Conings habe am Montag, am Abend seines Verschwindens „mehr als zwei Stunden im Gebiet um das Haus eines potenziellen Opfers verbracht“, gab aber dessen Identität nicht preis. Laut dem flämisch-sprachigen Fernsehsender VRT war es vermutlich das Haus von Marc Van Ranst, einem führenden gesundheitspolitischen Sprecher der belgischen Regierung. Dieser war zur Zielscheibe von rechtsextremen Gruppierungen geworden, die die Lockdowns zur Eindämmung des Corona-Virus attackiert und das Virus selbst als Verschwörung bezeichnet hatten.

Bis letzten Freitag konzentrierte sich die Fahndung auf die dichtbewaldete Region des Nationalparks Haute Campine. Auch ein Teil der Autobahn E314, die an dem Nationalpark vorbeiführt, wurde gesperrt. Mehr als 400 Beamte durchsuchten die 12.000 Hektar Wald und Land, darunter 250 Polizeibeamte und 150 Soldaten sowie Vertreter Deutschlands und der Niederlande.

Am Freitag gab die Regierung das Ende der Fahndung im Nationalpark bekannt. Gegen Conings wurde wegen „versuchter terroristischer Mordanschläge“ und „Waffenbesitz mit terroristischem Zusammenhang“ Strafanzeige erstattet.

Es ist weiterhin unklar, wer Conings potenzielle Opfer sind. Moscheen im Umfeld des Haute-Campine-Parks werden Berichten zufolge verstärkt bewacht, und in den Orten der Gemeinde Maasmechelen sollen laut der Tageszeitung Het Nieuwsblad bereits mehrere Moscheen aus Sicherheitsgründen geschlossen haben. Die Familie des Virologen Van Ranst soll Berichten zufolge seit Montag unter Polizeischutz stehen. Conings soll außerdem die Ermordung von Angehörigen der Regierung angekündigt haben.

Conings‘ Briefe machen deutlich, dass er von der faschistischen Kampagne gegen alle sozialen Distanzierungsmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus motiviert ist: „Ich kann nicht mehr weiterleben mit den Lügen der Leute, die entscheiden, wie wir leben [...] Die politische Elite und die Virologen entscheiden, wie du und ich leben. Sie säen Hass und Frustration...“

Er macht deutlich, dass er nicht impulsiv handelt, sondern seinen Anschlag lange im Voraus geplant hat: „Ich weiß, dass ich zum Staatsfeind werde. Sie werden mich suchen und irgendwann finden. Ich bin bereit dazu. Ich habe nach und nach alles arrangiert und mich vorbereitet.“

Conings‘ Terrorkomplott birgt viele unbeantwortete Fragen.

Allem voran wurde mittlerweile bekannt, dass er von den Geheimdiensten sowohl als Angehöriger des Militärs mit rechtsextremen Sympathien als auch als möglicher Terrorattentäter sehr genau beobachtet wurde. Dennoch gibt es keine Erklärung dafür, wie eine solche Person seine hohe Position als Ausbildungsoffizier des belgischen Militärs behalten konnte und Zugang zu Waffenarsenalen bekam.

France Info erklärte unter Berufung auf anonyme Quellen aus der belgischen Regierung, dass Conings einer von „etwa 30“ Angehörigen des belgischen Militärs ist, die wegen „Sympathien“ mit der extremen Rechten überwacht werden.

Aus dem gleichen Grund hatte der belgische Geheimdienst OCAM, der terroristische Bedrohungen analysiert, ihn laut dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo seit drei Monaten als potenzielle Bedrohung eingestuft.

Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder gab gegenüber dem belgischen Parlament zu, dass Conings im Jahr 2020 von Vorgesetzten offiziell wegen „rassistischer Äußerungen“ und „Drohungen“ auf Facebook sanktioniert worden war. Ein Generalmajor hatte formell Anzeige gegen ihn erstattet, doch laut Dedonder wurde sie anschließend fallen gelassen.

Die Regierung hat versucht, den Verzicht auf Maßnahmen gegen Conings als einfache Sicherheitspanne zu erklären. Entsprechend forderte De Croo schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Militär für Personen mit extremistischen Ansichten.

Das erklärt jedoch wenig. Conings konnte nicht nur im Militär verbleiben, sondern behielt auch seinen Posten als Ausbilder für Rekruten. Zudem ist noch immer ungeklärt, wie er seine Position ausnutzen konnte, um beträchtliche Mengen an Waffen zu horten. Die offizielle Erklärung, Conings habe alleine gehandelt, ohne dass er von anderen Angehörigen des Militärs entdeckt wurde, ist sehr unwahrscheinlich. Das liefe darauf hinaus, dass Maßnahmen zur Kontrolle der Waffenbestände im Wesentlichen nicht vorhanden wären.

Eine andere und plausiblere Erklärung ist, dass Conings zumindest zeitweise als Teil eines rechtsextremen Netzwerks im Militär agierte.

Dieser Ansatz würde auch dazu passen, was bereits über die Existenz solcher Netzwerke in anderen westeuropäischen Ländern bestätigt wurde, vor allem in Deutschland, Frankreich und Spanien.

In Deutschland gibt es gut dokumentierte Neonazi-Netzwerke innerhalb der Bundeswehr, des Kommando Spezialkräfte (KSK) und im Staatsapparat. Es gab bereits zahlreiche Berichte über die Vorbereitungen terroristischer Zellen, die Todeslisten mit den Namen linker Gegner für einen „Tag X“ zusammenstellen, sowie Waffen und Vorräte für einen längeren Bürgerkrieg horten.

So hieß es im Jahr 2018 im Focus: „Zahlreiche Vernehmungen zeichnen das Bild einer verschworenen Truppe, die angeblich auch vor der gezielten Tötung politischer Gegner nicht zurückschrecken soll. Laut Hinweisen an die Fahnder hätten die Elitekämpfer auch geheime Lager für Waffen, Munition, Treibstoff und Lebensmittel angelegt – an der deutschen Grenze zu Österreich und der Schweiz.“

In Frankreich hat ein rechtsextremes Netzwerk von ehemaligen Generälen und Offizieren in dem neofaschistischen Magazin Valeurs Actuelles einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie ihre Unterstützung für einen Militärputsch zur Niederschlagung der wachsenden Bedrohung durch den Islam und einen potenziellen Bürgerkrieg mit „Tausenden Toten“ ankündigten. In diesem Monat wurde ein zweiter Brief veröffentlicht, der den Brief der Generäle unterstützte und angeblich von 2.000 aktiven Soldaten unterschrieben wurde.

In Spanien haben ehemalige Generäle die Streiks von Arbeitern im März 2020 attackiert, die angesichts der Corona-Pandemie die Stilllegung der Produktion gefordert hatten. Die Generäle erklärten, man müsse möglicherweise die Hälfte der spanischen Bevölkerung massakrieren.

Conings‘ dokumentierte Beziehungen zu den Neonazi-Netzwerken in Belgien kommen nach und nach ans Licht. Laut Meldungen vom Wochenende hat die belgische Polizei im Rahmen ihrer Suche nach Conings zahlreiche Häuser von bekannten Mitgliedern rechtsextremer Gruppen durchsucht.

Betroffen war u.a. Tomas Boutens, der ehemalige Führer der flämischen Faschistenbewegung „Bloed, Bodem, Eer en Trouw“ („Blut, Boden, Ehre und Treue“). Er war im Jahr 2014 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, wovon ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt wurde.

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