Nach Israels Invasion: US-Imperialismus strebt Neugestaltung der politischen Verhältnisse im Libanon an

Das libanesische Parlament soll am 9. Januar erneut zusammentreten, um einen Präsidenten zu wählen. Die Wahl findet unter enormem Druck der USA, Frankreichs und Saudi-Arabiens statt, hinter dem Rücken der libanesischen Bevölkerung eine Person zu ernennen, die das Land in ihrem geostrategischen Interesse führt.

Diese Woche sind ihre Delegationen nach Beirut gereist und entschlossen, von der erheblichen Schwächung der militärischen und politischen Kräfte der Hisbollah durch Israel, den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah und den Zusammenbruch des syrischen Assad-Regimes durch Washingtons islamistischen Verbündeten, die Hayat Tahrir al-Sham (HTS), zu profitieren. Sie wollen eine ausdrücklich pro-amerikanische und pro-israelische Regierung an die Macht bringen und den langjährigen Einfluss des Irans auf das Land durch die Hisbollah und ihre politischen Verbündeten beenden.

Trauernde tragen die Särge von Hisbollah-Kämpfern, die bei den Kämpfen gegen israelische Truppen in den vergangenen zwei Monaten getötet wurden, im Dorf Maarakeh im Südlibanon am Freitag, 29. November 2024 [AP Photo/Hussein Malla]

Die Hisbollah, die „Partei Gottes“, wurde in den 1980er-Jahren als „islamischer Widerstand“ für den „bewaffneten Kampf“ gegen Israel gegründet, und zwar inmitten der israelischen Besetzung des Libanon während des Bürgerkriegs von 1975–90. Der Bürgerkrieg war ein Stellvertreterkrieg der rivalisierenden regionalen und imperialistischen Mächte. Die Hisbollah wurde von Syrien und dem Iran unterstützt und gewann im Libanon Rückhalt unter den verarmten schiitischen Massen, für die sie wichtige Sozialleistungen zur Verfügung stellt. Die Hisbollah vertrat Korporatismus, Paternalismus und religiösen Obskurantismus als Gegenprogramm zum Klassenkampf. Mit ihren schiitischen und palästinensischen Verbündeten bildet die Hisbollah den größten Block im konfessionell geprägten und zersplitterten politischen System des Libanons.

Das winzige Land, das schon seit langem eine Schachfigur in den Machenschaften der imperialistischen und regionalen Mächte ist, hat seit dem Ende der Amtszeit von Michel Aoun im Oktober 2022 keinen Präsidenten. Damit war das Land ohne eine funktionierende Regierung. Die von Najib Mikati, dem reichsten Mann des Libanons, geführte Regierung war nicht in der Lage, die vom Internationalen Währungsfonds und den internationalen Banken als Gegenleistung für einen Schuldenschnitt geforderten „Wirtschaftsreformen“ umzusetzen. Gleichzeitig haben die Plünderung des Reichtums des Landes durch die wenigen Milliardäre, die den Libanon seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1990 regieren, zu Bankrott, hoher Inflation und Massenarmut geführt.

Amos Hochstein, der Abgesandte von US-Präsident Joe Biden, wird Beirut zusammen mit Vertretern Saudi-Arabiens, Katars und Ägyptens besuchen. Zuvor hatten der Abgeordnete der Partei Libanesische Kräfte, Pierre Bou Assi, und Washingtons Wunschkandidat, der Befehlshaber der libanesischen Armee General Joseph Aoun (nicht verwandt mit dem letzten Präsidenten), Saudi-Arabien besucht.

Die libanesischen Streitkräfte, hervorgegangen aus einer christlichen Miliz, die während des Bürgerkriegs in den 1980ern mit Unterstützung Israels einen Großteil der überwiegend christlichen Gebiete des Landes kontrollierte, sind mittlerweile eine von Saudi-Arabien unterstützte Partei. Aoun führt die libanesischen Streitkräfte im Süden des Libanons, wo er im Rahmen des von Washington durchgesetzten Waffenstillstands zwischen Israel und der Hisbollah die Hisbollah entwaffnen soll. Die Progressive Sozialistische Partei des Drusenführers Walid Jumblatt hat vor kurzem seine Kandidatur unterstützt.

Die Hisbollah, die mittlerweile von Na’im Qassem angeführt wird, unterstützt ihren Verbündeten Suleiman Frangieh, der enge Beziehungen zum syrischen Präsidenten Assad und dem Iran unterhalten hatte. Parlamentssprecher Nabih Berri, dessen Partei mit der Hisbollah verbündet ist, hat jedoch angedeutet, diese sei zu mehr „Flexibilität“ bereit.

Ein weiterer möglicher Kandidat ist Jihad Azour, ein hochrangiger Banker des Internationalen Währungsfonds.

Letzten Monat war der französische Präsident Emmanuel Macron als erster Amtsinhaber seit 2006 für drei Tage zu einem Staatsbesuch in Riad, um Saudi-Arabien um Hilfe beim Wiederaufbau des Libanon zu bitten. Saudi-Arabien und Katar haben deutlich gemacht, dass sie den Libanon beim Wiederaufbau nicht unterstützen werden, wenn die Hisbollah weiterhin die dominierende Kraft im Land bleibt. Damit geben sie dem künftigen Präsidenten und Premierminister beträchtliche Macht über die Hisbollah und die Möglichkeit, deren politischen Einfluss zu beschränken.

Die USA bauen auf einem über 4.000 Quadratmeter großen Areal für 1,2 Milliarden Dollar eine neue befestigte Botschaft in der Nähe von Beirut. Der Bau der Botschaft ist ausdrücklich gegen die „Achse des Widerstands“, d.h. gegen den Iran, gerichtet. Das Ausmaß des Projekts, das in völligem Missverhältnis zur Größe des Landes liegt, ist ein Hinweis auf die geopolitischen Interessen der USA im Libanon – seine strategische Lage und die neu entdeckten Gas- und Ölvorkommen unter dem östlichen Mittelmeer. Nach der Beilegung eines langjährigen Streits zwischen Israel und dem Libanon um Seegebietsgrenzen begann ein Konsortium aus Frankreich, Italien und Katar im Jahr 2023 mit der Förderung – Israel hatte bereits zuvor damit begonnen.

Die USA haben die libanesischen Sicherheitskräfte seit 2006 mit etwa drei Milliarden Dollar finanziert. Dies war Teil eines Hilfsprogramms für den Libanon in Höhe von zehn Milliarden Dollar, was laut einer Anhörung des Kongresses im Jahr 2020 weitgehend auf dem Niveau der Zahlungen des Iran liegt. Im Januar 2023 kündigte die Biden-Regierung an, sie werde nicht nur militärische Ausrüstung liefern, sondern nach dem Zusammenbruch der libanesischen Währung auch den Großteil der Gehälter des libanesischen Militärs in US-Dollar zahlen, was sich auf 72 Millionen Dollar beläuft. Die USA haben Truppen auf zwei libanesischen Militärflughäfen unweit von Beirut stationiert, auf denen große Militärflugzeuge vom Typ C130 gelandet sind.

Die Ergebnisse des US-amerikanisch-israelischen Kriegs gegen die Hisbollah

Israels Krieg gegen die Hisbollah begann zeitgleich mit seinem völkermörderischen Krieg im Gazastreifen im Oktober 2023, angeblich als Vergeltung für ihre Unterstützung der Palästinenser. Israel flog nahezu täglich Luftangriffe auf Truppen, Stützpunkte und Waffen der Hisbollah im Libanon und auch in Syrien, wo sie gemeinsam mit dem Iran und Russland eine wichtige Rolle bei der Unterstützung des mittlerweile zusammengebrochenen Assad-Regimes spielte.

Das politische Ziel im Auftrag des US-Imperialismus war es, die Hisbollah als militärische und politische Kraft in beiden Ländern auszuschalten. Dies ist Teil von Washingtons umfassenderen Vorbereitungen auf einen Krieg gegen den Iran, der ein wichtiger Bestandteil des existenziellen Kampfs gegen Russland und China ist.

Gleichzeitig haben die USA und das Vereinigte Königreich die Quds-Einheit der iranischen Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) und die vom Iran unterstützten Milizen im Irak, Syrien und dem Jemen angegriffen. Diese Angriffe richteten sich gegen Operations- und Geheimdienst-Zentren, Raketen-, Flugkörper- und Drohnenlager sowie „Logistik- und Munitionsversorgungsketten“. Das Pentagon rechtfertigte dies mit der Behauptung, es habe seit Oktober 2023 mehr als 250 Angriffe auf US-Stützpunkte in Syrien und dem Irak gegeben. Das deutet darauf hin, dass es in den entlegenen Gebieten der beiden Länder viel mehr US-Außenposten gibt als offiziell zugegeben wird. Diese Stützpunkte wurden angeblich für den Kampf gegen den IS errichtet, mittlerweile werden von dort jedoch Angriffe auf den Iran und vom Iran unterstützte Gruppen durchgeführt.

Im Februar 2024 ordnete US-Präsident Biden Luftangriffe auf die vom Iran unterstützten Gruppen im Irak und Syrien sowie vom Iran unterstützte Huthi-Kämpfer im Jemen an, die aus Solidarität mit der Bevölkerung des Gazastreifens Angriffe auf US-amerikanische und britische Schiffe durchgeführt haben. Diese Aktionen machen deutlich, dass die Operationen der USA und Israels im Nahen Osten nichts anderes sind als ein Krieg mit dem Ziel, die Verbündeten des Iran zu eliminieren, das Land einzukreisen und Vergeltungsschläge gegen US-Truppen zu provozieren, die als Vorwand für einen offenen Krieg gegen Teheran benutzt werden können.

US-Präsident Joe Biden spricht bei der Brookings Institution in Washington über die wirtschaftlichen Pläne seiner Regierung und die Zukunft der amerikanischen Wirtschaft, 10. Dezember 2024 [AP Photo/Susan Walsh]

Im September letzten Jahres zerstörte Israel die Kommunikationssysteme der Hisbollah, indem es hunderte von Pagern und Walkie-Talkies der Hisbollah-Kräfte zur Explosion brachte. Dabei wurden Tausende verletzt. Es folgte eine verheerende, zwei Monate andauernde Bodeninvasion des Libanon.

Die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) haben die oberste und die zweithöchste Führungsebene der Hisbollah ermordet, darunter Hassan Nasrallah und Oberbefehlshaber Ali Karakiri bei einem Luftangriff auf Beirut. Diese Angriffe waren eindeutige Verstöße gegen mehrere internationale Gesetze zur Kriegsführung, u.a. gegen das Verbot von Mordanschlägen und wahllosen Bombardierungen ziviler Gebiete. Im gleichen Monat wurde Ibrahim Aqil, ein weiteres führendes Hisbollah-Mitglied, bei einem Angriff getötet und im Oktober auch Nasrallahs Nachfolger und Cousin Hashem Safieddine. Die IDF griffen die Finanz-, Verwaltungs- und Medieneinrichtungen der Hisbollah an und bombardierten einen Großteil ihrer Waffen- und Raketenbestände im Libanon und Syrien, u.a. in Damaskus und al-Bukamal nahe der irakischen Grenze, in Qusair und dem Umland von Homs und Hama.

Die Bodenoffensive der IDF im Südlibanon im Oktober führte zu umfassenden Zerstörungen, über die kaum berichtet wurde. Mehr als 1,2 Millionen der sechs Millionen Einwohner des Libanon, darunter 400.000 Kinder, mussten aus ihren Häusern fliehen. Daneben wurden laut dem Gesundheitsministerium etwa 4.000 Menschen, überwiegend Zivilisten, getötet und mehr als 16.000 verletzt. Fast 250.000 Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört, 20.000 öffentliche Gebäude beschädigt, und Hunderte von kleinen und mittelgroßen Unternehmen mussten schließen.

Laut der Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Westasien (UNESCWA) wurden u.a. 13 Krankenhäuser und 130 Krankenwagen zerstört und 100 Zentren für medizinische Grundversorgung geschlossen, so dass große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu lebenswichtiger Versorgung haben. Zudem verstärken die überfüllten Unterkünfte (908 von 1.095 sind voll ausgelastet) die Gefahr von Infektionskrankheiten und verschlimmern den Versorgungsbedarf.

Die Kosten für den Wiederaufbau werden auf 13 Milliarden US-Dollar geschätzt, von denen etwa die Hälfte auf direkte Schäden entfällt und der Rest auf die weitergehenden wirtschaftlichen Folgen. Diese Summe ist deutlich höher als nach dem letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah 2006.

Und das ist das noch nicht einmal die endgültige Summe, da Israel seine Luftangriffe auf den Libanon fortsetzt, unter Missachtung des 60-tägigen Waffenstillstands und Rückzugsbefehls, den Washington Ende November durchgesetzt hatte. Beirut spricht von 300 Verstößen gegen den Waffenstillstand.

Die Bedingungen des Waffenstillstands, der praktischerweise mit dem Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten Donald Trump Ende des Monats endet, kamen einer vernichtenden Niederlage für die Hisbollah gleich und ermöglichten es Washingtons islamistischem Verbündeten Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Damaskus zu erobern. Das Abkommen, laut dem die Hisbollah ihre befestigten Stellungen im Süden des Libanon aufgeben und ihre Truppen nördlich des Flusses Litani zurückziehen muss, beinhaltete auch ein Schreiben der USA, in dem Israel das Recht eingeräumt wurde, „Militäraktionen durchzuführen“, wenn „die Hisbollah einen Angriff vorzubereiten scheint“. Damit erhalten Tel Aviv und Washington praktisch grünes Licht, die Kampfhandlungen wieder aufzunehmen, wann immer sie es für zweckmäßig halten.

Die israelische Tageszeitung Ha’aretz zitierte Quellen aus dem Militär, laut denen die IDF auch nach Ablauf der 60-Tage-Frist im Südlibanon bleiben wollen, „wenn die libanesische Armee nicht in der Lage ist, ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen zu erfüllen, ihre Kontrolle über den gesamten Süden auszudehnen“.

Entscheidend ist jedoch, dass der Waffenstillstand Israel vor Angriffen an seiner nördlichen Grenze schützt, während es seinen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser im Gazastreifen fortsetzt und syrische Gebiete besetzt. Gleichzeitig setzen die USA und das Vereinigte Königreich ihre Operationen gegen vom Iran unterstützte Ziele im Jemen, im Irak und in Syrien fort.

Der Bankrott der bürgerlich-nationalistischen Regime im Nahen Osten

Nach Israels zweimonatigem Krieg gegen die Hisbollah und den Libanon im Jahr 2006 leistete der iranische IRGC rasche Hilfe beim Wiederaufbau. Doch heute, wo die Wirtschaft des Iran aufgrund der US-Sanktionen und des Verlusts seines wichtigsten Verbündeten in Damaskus selbst in einer schweren Krise steckt, wird es von Teheran keine finanzielle Wiederaufbauhilfe geben.

Auch hat der Verlust der Finanzierung und der Waffenlieferungen an die Hisbollah, die vom Iran durch Syrien geschleust wurden, deren Fähigkeit zur Finanzierung seiner Operationen beeinträchtigt, einschließlich der Sozialmaßnahmen zur Wahrung ihres politischen Einflusses. Berichten zufolge sind die Einwohner von Dahiyeh, wo mehr als 400 Gebäude zerstört und 1.500 beschädigt wurden, frustriert über die späten Entschädigungszahlungen der Hisbollah, obwohl ihr Anführer Na’im Qassem den vom Krieg mit Israel betroffenen schiitischen Familien 77 Millionen Dollar versprochen hatte.

Der künftige iranische Präsident Massud Peseschkian spricht auf einer Veranstaltung am Tag nach den Präsidentschaftswahlen vor dem Schrein des verstorbenen Revolutionsführers Ajatollah Chomeini unweit von Teheran, 6. Juli 2024 [AP Photo/Vahid Salemi]

Diejenigen, die aus ihren Häusern geflohen sind, kehren teilweise zurück. In den am stärksten betroffenen Gebieten werden sie von Bulldozern empfangen, die Trümmer wegräumen, während Familien unter den Trümmern nach vermissten Angehörigen suchen. Strom, Wasser, Handyempfang und Internet sind nicht verfügbar. Viele konnten ihre Dörfer im Süden aufgrund der Einschränkungen durch das israelische Militär nicht erreichen – mehr als 70 sind noch immer gesperrt. Etwa 40 Dörfer an der Grenze zu Israel wurden durch die israelische Politik der verbrannten Erde zerstört.

Die Reaktion der Regime im Nahen Osten auf den Angriff auf den Libanon hat, ebenso wie der Völkermord in Gaza, erneut den Bankrott der bürgerlich-nationalistischen Regime gezeigt. Einige von ihnen, wie Ägypten und Saudi-Arabien, sind wichtige Verbündete der USA, die eine Neuaufteilung des Nahen Ostens organisieren. Andere, wie der Iran, versuchen verzweifelt eine Verhandlungslösung zu erreichen, um ihre Zukunft zu sichern – auch gegen die Kämpfe ihrer eigenen Bevölkerungen.

Sie zeigen, dass der Kampf gegen Imperialismus, Kriege und Armut die Zurückweisung aller Formen von Nationalismus bedeutet, der die Arbeiterklasse der Region spaltet. Im Libanon gab es immer wieder Massenproteste – u.a. während des arabischen Frühlings 2011, 2015 und 2019–20 – gegen die diskreditierte und dysfunktionale politische Elite, die nichts gegen das Anwachsen von Armut und Elend unternommen hat. Doch ihre Forderungen, genau wie diejenigen der Arbeiter, die sich in anderen Teilen der Welt erhoben haben, können nicht ohne einen Kampf der Arbeiterklasse für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus im Weltmaßstab erfüllt werden.

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