Berlin unterstützt Israels Kriegseskalation in Nahost

Nach den iranischen Raketenabschüssen auf Israel bereiten die USA und Israel einen massiven Angriff auf den Iran vor. Trotz ihrer öffentlichen Warnungen vor einem „Flächenbrand“ würde die Bundesregierung Schläge gegen das Atomprogramm, Militäranlagen oder Ölfelder des Irans unterstützen, die die gesamte Region in einen katastrophalen Krieg stürzen würden. Daran lassen die Statements aus Berlin keinen Zweifel.

Rauch steigt am 2. Oktober 2024, von einem israelischen Luftangriff in Dahiyeh, einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut auf [AP Photo/Hassan Ammar]

Obwohl das Netanjahu-Regime die iranische Reaktion durch eine Reihe aggressiver Angriffe provoziert hat, verurteilt die Bundesregierung ausschließlich den Iran und stellt sich hinter Israels Kriegsoffensive.

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock schrieb noch während des iranischen Angriffs auf X (vormals Twitter): „Israel wird in diesen Stunden von Iran mit Raketen angegriffen. Den laufenden Angriff verurteile ich auf das Allerschärfste. Wir haben Iran vor dieser gefährlichen Eskalation eindringlich gewarnt. Iran muss den Angriff sofort einstellen. Er führt die Region weiter an den Abgrund.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich ähnlich. „Die iranischen Raketenangriffe auf Israel sind aufs Schärfste zu verurteilen“, gab er zu Protokoll. Der Iran riskiere damit, „die ganze Region in Brand zu setzen“, und das gelte „es unter allen Umständen zu verhindern“. Hisbollah und der Iran müssten „ihre Attacken auf Israel unverzüglich einstellen“.

Dann solidarisierte er sich mit den israelischen Kriegszielen. Die Hisbollah müsse sich „aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückziehen“, denn dies würde „den Weg ebnen für eine Rückkehr der Menschen in den Norden Israels“. Wenige Tage „vor dem Jahrestag des schrecklichen Angriffs der Hamas auf Israel“, seien seine Gedanken „bei den festgehaltenen Geiseln und ihren Angehörigen“. Ihr Schicksal müsse „Ansporn für alle sein, zu einer Vereinbarung auf Grundlage der Vorschläge zu gelangen, die US-Präsident Biden gemacht hat“.

Was sind diese „Vorschläge“? Tatsächlich nutzen die USA und die anderen imperialistischen Mächte Irans Angriff als Vorwand, um Israel einen Freibrief für einen direkten Krieg gegen das bevölkerungsreichste Land der Region auszustellen. „Wir werden mit den Israelis besprechen, was sie tun werden, aber wir Sieben [gemeint sind die G7-Staaten] sind uns einig, dass sie das Recht haben zu reagieren“, erklärte Biden am Mittwoch.

Um welche umfassenderen Kriegsziele es dabei geht, hat die WSWS in einer aktuellen Perspektive erklärt:

Ein Jahr nach Beginn des Völkermords im Gazastreifen ist klar geworden, dass Israel die Ereignisse des 7. Oktober nutzt, um lang gehegte Pläne zur ethnischen Säuberung und Annexion aller palästinensischen Gebiete in die Tat umzusetzen. In einem regionalen Krieg im gesamten Nahen Osten erhebt der zionistische Staat Anspruch auf seine „biblischen Grenzen“.

Die Vereinigten Staaten wiederum nutzen dies als Gelegenheit, die imperialistische Kontrolle über die ölreiche Region des Nahen Ostens zu festigen und auch Zentralasien als feste Basis für US-Militäroperationen zu etablieren, von denen aus sie die Konfrontation mit Russland und China vorantreiben können.

Deutschland will bei der imperialistischen Neuaufteilung der Welt nicht abseits stehen, sondern sich einen möglichst großen Teil der Beute sichern. Aus diesem Grund spielt es eine führende Rolle bei der Nato-Kriegsoffensive gegen Russland in der Ukraine und auch bei der Unterstützung von Israels Genozid an den Palästinensern in Gaza, der nun auf die gesamte Region ausgeweitet wird.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach in einem Beitrag auf X offen aus, dass es den imperialistischen Mächten um eine Neuordnung der gesamten Region geht. Israel schaffe „gerade die Chance für eine neue Sicherheitsstruktur im Nahen Osten, in dem es das Terrorregime im Iran schwächt und die iranischen Tentakel Hisbollah, Hamas, Huthi maßgeblich zerschlägt“. Auch für den Libanon sei „das eine Chance für einen Neuanfang und Stabilisierung“, fügte er zynisch hinzu.

In einem Gastbeitrag für den Focus unter dem Titel „Keine Denkverbote mehr in Nahost – nutzen wir die Chance“, spricht sich Kiesewetter dafür aus, auch selbst militärisch einzugreifen. „Notfalls müssten wir auch bereit sein, mit unseren Streitkräften Israel zu verteidigen“, fordert er. Aktuell sei man zwar „noch nicht so weit“, spreche aber zumindest „über militärische Unterstützungsmaßnahmen zum Beispiel im Bereich der Luftbetankung oder im Sanitätsdienst“.

Es sei jetzt wichtig, „als Europa geeint aufzutreten und bereitzustehen, in den staatlichen Aufbau des Libanon zu investieren“, schreibt er weiter. Dabei müsse „klar sein, dass eine Friedensordnung Israels mit den palästinensischen Gebieten künftig militärisch und robust abgesichert sein muss, wenn sie glaubwürdig sein soll“. Deshalb sei „es klug, grundsätzlich keine Ausschließeritis zu betreiben mit Blick auf eine künftige Friedensordnung im Nahen Osten. Auch eine Beteiligung deutscher Soldaten sollte nicht ausgeschlossen werden, auch wenn der Weg noch sehr weit ist.“

Tatsächlich wird der Einsatz deutscher Truppen in Nahost von der Bundesregierung bereits offen diskutiert. „Frieden braucht internationale Sicherheitsgarantien, dass von Gaza nie wieder Terror gegen Israel ausgeht“, erklärte Baerbock diese Woche in einem Interview mit dem Stern. Deutschland sei gemeinsam mit seinen Verbündeten bereit, dazu einen Beitrag zu leisten. Aus dem Afghanistan-Einsatz habe man allerdings gelernt, „dass man für Friedensmissionen immer auch starke regionale Partner braucht“.

Allein der Verweise auf Afghanistan unterstreicht, dass es nicht um „Frieden“, sondern um neokoloniale Besatzung geht. Deutsche und internationale „Friedenstruppen“ würden Israel im Bündnis mit den korrupten, pro-imperialistischen arabischen Regimes in der Region unterstützen und jede Opposition in der Bevölkerung brutal unterdrücken.

Kommentare wie der von Kiesewetter zeigen, dass die herrschende Klasse Israels völkermörderische Kriegspolitik bewundert und als Modell betrachtet. Israel mache „gerade mit Diplomatie und Härte ... den Nahen und Mittleren Osten sicherer“ und bekämpfe „das Grundübel der Region: den Iran und seine Schergen“. Nun müsse sich auch Deutschland „von seiner Nahost-Romantik verabschieden und Diplomatie endlich mit Härte verbinden und damit glaubwürdig werden“.

Ein besonders übler Kommentar aus der Feder des Welt-Chefredakteurs Ulf Poschardt feiert Netanjahu als „Avantgarde des Westens“. Wie kaum ein anderer Staatschef halte dieser „die Wehrhaftigkeit des Westens, der liberalen Demokratien und freien Gesellschaften nicht für eine Pointe abgeschmackter Sonntagsreden, sondern für einen Auftrag“. Damit sei er „Vorbild gerade für jene von Selbstzweifeln zernagten, feigen, lauchigen Vertreter des Westens, die die Feinde in Moskau, Peking, Teheran oder auch Ankara zum Ausgreifen ermutigen“.

Zynisch rechtfertigt Poschhardt die israelische Gewaltpolitik und seine eigene Begeisterung dafür mit den Verbrechen der Nazis. „Im Schatten der Shoa“ habe „das ‚Nie wieder‘ immer schon die israelische Sicherheitsidentität geprägt, aber nie war diese Identität so gefährdet, ja erschüttert, wie nach dem Angriff der Barbaren vor knapp einem Jahr,“ schreibt er. Netanjahu und seine Generäle arbeiteten „gegen dieses Trauma an: nicht getrieben, sondern abgeklärt“.

Poschhardt und Co. können sich ihre blutverschmierten Finger wund schreiben so lange sie wollen. Der Völkermord in Gaza, der jetzt auf die gesamte Region ausgeweitet wird, zeigt, dass es die herrschende Klasse ist, die acht Jahrzehnte nach dem Holocaust und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wieder zur Politik des Völkermords zurückkehrt und diese immer umfassender und „abgeklärter“ in die Tat umsetzt.

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