Fünfter Warnstreik der Lokführer: GDL-Chef Weselsky verweigert unbefristeten Vollstreik

Zum fünften Mal organisieren die Lokführer im gegenwärtigen Tarifkampf einen Warnstreik. Aber erneut hat die GDL-Führung um Claus Weselsky den Streik auf nur 35 Stunden beschränkt. Vom kommenden Donnerstag 2 Uhr bis Freitag 13 Uhr wird gestreikt. Im Güterverkehr beginnt der Ausstand bereits am Mittwoch.

Lokführer-Kundgebung in Stuttgart am Donnerstag, 25. Januar

Das Aktionskomitee Bahn, ein Zusammenschluss von Bahnbeschäftigten mit und ohne Gewerkschaftsbuch, lädt die GDL-Mitglieder und alle Lokführer, Zugbegleiter und Eisenbahner ein, an seinem heutigen Online-Treffen (Dienstag, 5. März, 19 Uhr) teilzunehmen, um den Streik in die eigene Hand zu nehmen und zum Ausgangspunkt für eine breite Bewegung gegen Reallohnkürzungen und unerträgliche Arbeitsbedingungen zu machen.

Vor vier Wochen brach die GDL-Führung einen längeren Warnstreik vorzeitig ab und behauptete, es gebe eindeutige Signale vom DB-Vorstand, ernsthafte Verhandlungen zu führen. Einen ganzen Monat lang wurden dann Geheimverhandlungen geführt, doch die Unternehmensleitung und die hinter ihr stehende Bundesregierung als Eigentümer haben keinen Millimeter nachgegeben.

In einer Pressemitteilung reagiert die GDL empört. Es sei vereinbart gewesen, vier Wochen lang „hinter verschlossenen Türen“ zu verhandeln und einen Abschluss zu erzielen. Doch vonseiten der DB seien die Verhandlungen „zu keinem Zeitpunkt lösungsorientiert geführt“ worden. Die „vermeintlich ‚enormen Zugeständnisse‘ des Arbeitgebers“ seien „bei näherer Betrachtung oftmals sogar eine Verschlechterung des Status quo“.

Trotz weitgehender Zugeständnisse der GDL fehle dem DB-Vorstand „der Wille, die Verhandlungen mit guten Kompromissen zum Erfolg“ zu führen. „Der Bahnvorstand schert sich nicht um die berechtigten Interessen der Eisenbahner und hat damit selbst die Verhandlungen bestreikt, sodass auch keine Lösung zustande kommen konnte“, schimpfte Weselsky und fügte hinzu: „Diese neue Eskalationsstufe hat der Bahnvorstand zu verantworten und nicht die GDL.“ Der Arbeitgeber treibe seine eigenen Beschäftigten auf die Straße.

Mit dem erneuten Scheitern der Verhandlungen hat der Tarifkampf der Lokführer ein neues Stadium erreicht. Zwei Dinge sind jetzt völlig klar.

Erstens: Der Bahnvorstand und die Bundesregierung als Eigentümer wollen die Lokführer in die Knie zwingen und an ihnen ein Exempel statuieren. Die „sozialpolitische Wende“, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor wenigen Wochen angekündigt hat, wird in die Tat umgesetzt. Mit ihr sollen die Kosten der militärischen Aufrüstung auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden. Statt sozialem Ausgleich ist soziale Konfrontation angesagt. Lohnsenkung, Sozialabbau und Arbeitshetze sollen nicht mehr abgefedert, sondern mit Brachialgewalt durchgesetzt werden.

Zweitens: Die GDL und die Weselsky-Führung sind nicht bereit, einen prinzipiellen Kampf für die sehr berechtigten Forderungen der Lokführer zu organisieren. Die GDL will unter allen Umständen einen unbefristeten Vollstreik verhindern, weil sie aufs Engste mit den Bundestagsparteien verbunden ist und deren Politik in allen wichtigen Fragen unterstützt.

Diese Weigerung, die volle Kampfkraft der Lokführer in einem unbefristeten Vollstreik zum Einsatz zu bringen, ermutigt den DB-Vorstand zu immer neuen Attacken und stärkt ihn in seiner provokativen Verweigerungshaltung.

In der Pressemitteilung zum erneuten Mini-Warnstreik listet Weselsky einige der Zugeständnisse auf, die er der DB-Unternehmensleitung angeboten und bereits mit mehr als zwei Dutzend kleineren privaten Bahnunternehmen vereinbart hat. Von der ursprünglichen Forderung ist kaum noch etwas übrig.

97 Prozent der Mitglieder haben in einer Urabstimmung einen unbefristeten Streik beschlossen, um folgendes durchzusetzen: Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden und monatlich 555 Euro mehr Tariflohn für alle, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Mit privaten Bahngesellschaften vereinbart und der DB angeboten wurden: 420 Euro (in zwei Raten) bei einer Laufzeit von 24 Monaten – also weniger als die Hälfte der ursprünglichen Forderung. Und die Einführung der 35-Stundenwoche erfolgt schrittweise und wird erst – wenn überhaupt – zum Januar 2028 erreicht. Im Gegenzug entfallen zum 1. Januar 2026 die Wahlmodelle „Zwölf Tage mehr Urlaub“ und „Arbeitszeitabsenkung“. Obwohl die zwölf Tage zusätzlichen Urlaub ohne Lohnausgleich waren, nutzten sie viele ältere Kolleginnen und Kollegen.

Die Lokführer müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass es mit der GDL keinen Weg vorwärts gibt. Um das abstoßende Betteln und Knie-Rutschen vor dem DB-Vorstand zu beenden und die Stärke und das Selbstbewusstsein der Lokführer zu entwickeln, muss die Kontrolle des GDL-Apparats durchbrochen und die Organisation des bereits beschlossenen Streiks selbst in die Hand genommen werden. Die viel genannte „Zeitenwende“ gilt auch für die Organisation der Arbeiter.

Da hinter der Verweigerung des DB-Vorstands die Entscheidung der Bundesregierung steht, die Kriegskosten auf die Beschäftigten abzuwälzen, muss der Tarifkampf für Arbeitszeitverkürzung, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne mit dem Kampf gegen Krieg und militärische Aufrüstung verbunden werden.

Der erneute Warnstreik muss genutzt werden, um über eine grundlegende Neuorientierung und Neuorganisation der Arbeiterbewegung zu diskutieren. Es ist notwendig, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die demokratisch organisiert sind und die die prinzipielle Verteidigung der Interessen der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen. Das heißt: Die Rechte und Bedürfnisse von Arbeiterinnen und Arbeitern samt ihren Familien müssen höher stehen als die Profitinteressen der Unternehmen, Aktionäre und Spekulanten. Die Kriegspolitik der Bundesregierung muss zurückgewiesen werden.

Teil einer solchen Neuorientierung muss eine enge internationale Zusammenarbeit sein. Alle Probleme nehmen heutzutage internationale Formen an. Arbeiter stehen überall auf der Welt vor denselben oder ähnlichen Problemen und können sie nur durch internationale Zusammenarbeit und die Koordinierung grenzüberschreitender Kämpfe lösen.

Europaweit nehmen die Streiks und Protestbewegungen immer stärker politische Züge an. Sie wenden sich nicht nur gegen die Sparprogramme der Regierungen, sondern auch gegen die Kriegspolitik. Die Ampelregierung in Berlin hat für 2024 Spar- und Kriegshaushalt vorgelegt, den die Arbeiter bezahlen sollen.

In dieser Situation können Lokführer, Eisenbahner und alle Arbeiter ihre berechtigten Interessen nur gegen die Gewerkschaftsspitzen durchsetzen, denn diese unterstützen allesamt die Spar- und Kriegspolitik der Regierungen.

Darauf hat das Aktionskomitee Bahn schon in seinem Appell „Kein Vertrauen in die Gewerkschaftsspitze“ hingewiesen, den es an die streikenden GDL-Mitglieder richtete. Dort heißt es: „Die GDL und ihr Chef Claus Weselsky suchen in Wirklichkeit einen Deal, den sie als Erfolg verkaufen können, und der die ‚Wirtschaftlichkeit der Bahn‘ nicht gefährdet. (…) Die GDL ist weder bereit noch fähig, einen prinzipiellen Kampf zu führen.“ Das hat sich nun eindeutig bewahrheitet.

Bei seiner Gründung im letzten Frühsommer beschloss das Aktionskomitee zwei Grundprinzipien:

Erstens: Wir treten für die prinzipielle Verteidigung der Rechte der Beschäftigten ein. Das heißt: Rechte und Bedürfnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter samt ihrer Familien stehen höher als die Profitinteressen der Investoren, Aktionäre und Spekulanten.

Zweitens: Wir streben eine internationale Vereinigung und Zusammenarbeit an. Wir richten unseren Aufruf bewusst an Stammbeschäftigte und Leiharbeiter, Kolleginnen und Kollegen aller Nationalitäten, unabhängig davon, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind oder nicht. Denn wir lassen uns nicht spalten! Für uns sind die internationale Zusammenarbeit und die Koordination grenzüberschreitender Kämpfe von größter Bedeutung.

Um gemeinsam mit uns unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340 und registriert euch über das unten stehende Formular.

Kommt heute (Dienstag) zum Online-Treffen des Aktionskomitees Bahn um 19 Uhr!

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