Am vergangenen Donnerstag demonstrierten etwa 250.000 Arbeiter in Frankreich, nachdem die Gewerkschaften zu einem Aktionstag für höhere Löhne aufgerufen hatten. Unter den Arbeitern wächst die Wut über die Gefahr, im Winter aufgrund des Nato-Kriegs gegen Russland hungern und frieren zu müssen.
Der Aktionstag ist Teil einer internationalen Mobilisierung der Arbeiter, die von der Inflation, der Energiekrise und der Gefahr eines offenen Kriegs zwischen der Nato und Russland angeheizt wird. Auch Großbritannien wird von einer Streikwelle erfasst, an der sich u.a. Hafenarbeiter, Lehrer und Beschäftigte der Post beteiligen. In Spanien und der Türkei streiken Pflegekräfte und Industriearbeiter. In Frankreich stehen mehrere Raffinerien still und im Stellantis-Werk in Hordain fanden spontane Streiks statt.
Während die Arbeiter einen enormen Anstieg der Preise für Nahrungsmittel und Heizung im Winter befürchten und die Macron-Regierung über eine neue Reform zur massiven Kürzung der Renten berät, bahnt sich eine internationale Explosion des Klassenkampfs an.
Mitglieder der Parti de l’égalité socialiste (PES) griffen bei der Demonstration in Paris ein und riefen dazu auf, die Arbeiter international gegen Inflation und Krieg zu mobilisieren, indem sie von den Gewerkschaftsapparaten unabhängige Aktionskomitees aufbauen. Die PES-Mitglieder betonten die Notwendigkeit, sich unabhängig von und gegen die Gewerkschaftsführung und die pseudolinken Parteien zu organisieren, die den Krieg in der Ukraine unterstützen und mit den kapitalistischen Regierungen über ihre Politik verhandeln.
Die streikenden Arbeiter äußerten ihre Wut über den drastischen Rückgang der Kaufkraft, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Macrons imperialistische Politik.
Gilbert, der 22 Jahre in einem Postamt in der Region Paris gearbeitet hat, erklärte: „Vor 20 Jahren waren die Arbeitsbedingungen gut. Jetzt haben wir nichts. Es gibt viel weniger Arbeiter und es werden immer mehr Zeitarbeiter eingesetzt. Auf dem Postamt besteht die Hälfte der Beschäftigten aus Leiharbeitern. Sie arbeiten eine Zeit lang, dann verschwinden sie und es kommen neue Zeitarbeiter. Wir müssen sie immer wieder anlernen, das kostet viel Zeit, Energie und Stress.“
Gilbert kritisierte auch, dass „Zeitarbeiter und Festangestellte nicht den gleichen Lohn bekommen. Ich bin gegen Lohndiskriminierung.“
Gilbert, der zusammen mit seiner Frau für eine Lohnerhöhung und gegen Macrons Rentenreform demonstrierte, erklärte: „Wir haben eine 1,5-prozentige Erhöhung ab dem 1. Oktober bekommen, aber das reicht kaum zum Leben. Sie erzählen uns was von einer 1,5-prozentigen Erhöhung, aber bei 2.000 Euro brutto im Monat sind das nur 30 Euro mehr. Damit können wir nichts anfangen. Wir bräuchten eine Lohnerhöhung von mindestens 300 Euro, damit es uns besser geht.“
Gilbert betonte seine Solidarität mit den Arbeitern weltweit: „Ich möchte noch sagen, dass ich den Kampf meiner Kollegen im Rest der Welt vollauf unterstütze. In Europa und allen anderen Ländern wird die Post privatisiert. In Frankreich privatisieren sie auch die Dienstleistungen der Post. Wir kämpfen in allen Ländern gegen Privatisierungen.“
Er äußerte auch die Hoffnung, dass die Arbeiter in den Nato-Staaten, Russland und weltweit gegen den Krieg mobilisieren werden: „Meiner Meinung nach ist es unverzeihlich, was Europa und die Nato tun. Man darf Putin nicht erlauben, das Gleiche zu tun. ... Ich bin auch der Meinung, dass dieser Krieg ein globales Problem ist. Ich lehne ihn ab, weil er die schlimmsten Zerstörungen für die Menschheit und für die Wirtschaft nach sich ziehen wird.“
Gilbert betonte auch, dass die Gewerkschaftsbürokratie und ihren politischen Verbündeten wie Jean-Luc Mélenchons Unbeugsames Frankreich sich weigern, die Arbeiterklasse gegen diesen Krieg zu mobilisieren: „Ich bin Gewerkschaftsmitglied. Weder die Gewerkschaften noch die linken Parteien in Frankreich haben eine einzige Demonstration gegen den Krieg organisiert.“ Er erklärte weiter, er stimme dem Aufruf der PES zu, eine Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees aufzubauen.
Er erklärte: „Ich finde auch, das wir neue Organisationen für Arbeiter brauchen, um uns zu verteidigen. Die Regierung greift unsere Renten an, weil sie hofft, auf diese Weise vom Krieg zu profitieren. Macron redet von einer Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 64 oder 67 Jahre, das ist inakzeptabel.“
Adélaïde, die als Sozialarbeiterin im Bildungsbereich arbeitet, sprach über ihre Wut über die jahrelangen Nullrunden, die bereits vor der derzeitigen Inflationswelle die Kaufkraft untergraben haben.
Sie erklärte: „Jetzt haben sie uns endlich das Gehalt erhöht, aber weil die letzte Erhöhung vor zehn Jahren war, ist unsere Kaufkraft ruiniert. Die Pariser Sozialarbeiter können von ihren Gehältern nicht leben. Es ist erstaunlich, angesichts unserer Ausbildung, wie wichtig wir sind, und einem Minister, der immer wieder erklärt, wir müssen Kinder schützen, auf sie hören und sie begleiten. Aber wie soll man [bei so niedrigen Gehältern] neue Kollegen einstellen? In unserer Abteilung haben wir 15 Stellen, die wir nicht besetzen können.“
Sie verdiene monatlich nur 1.500 Euro und erklärte weiter: „Die Gehälter hätten mit der Inflation Schritt halten müssen. Aber die Inflation ist angestiegen. Und wenn man jetzt einkaufen geht, merkt man, dass es ein massiver Anstieg ist... Meine Einkäufe kosten mich heute 50 Prozent mehr als früher.“
Adélaïde erklärte, in den 40 Jahren seitdem François Mitterand und die Parti Socialiste an die Macht kamen, „gab es riesige Produktivitätssteigerungen, aber nichts davon fließt in die Taschen der Arbeiter“.
Sie äußerte außerdem ihre Wut über die Bedingungen, unter denen Flüchtlinge in Frankreich mit unzureichender Sozialhilfe leben müssen: „Unsere Politik gegenüber Ausländern ist verrückt. ... Ich glaube nicht, dass es helfen wird, eine noch strengere Politik zu verfolgen oder eine Situation in den Polizeipräfekturen zuzulassen, in der einfach keine Termine für die Beantragung [von Unterstützung] vergeben werden. Das steht im Widerspruch zu der Möglichkeit, sich zu befreien.“
Jean, ein Eisenbahner und Mitglied der Gewerkschaft CGT, hat seit acht Jahren keine Lohnerhöhung mehr erhalten. Er berichtete gegenüber der WSWS von seiner Wut über die Aufhebung des Lohnschutzes für Bahnarbeiter durch die Bahnreform von 2018: „Ich arbeite seit 18 Jahren bei der [staatlichen Bahngesellschaft] SNCF und mein Lohn liegt bei 1.700 Euro. Im Juli hat die SNCF unser Lohnsystem zerstört. Wir müssen etwas dagegen tun, weil viele deswegen kündigen; viele, die seit 15 Jahren oder mehr dort gearbeitet haben und jetzt was Besseres gefunden haben, gehen weg.“
Er betonte seinen Abscheu über den Krieg zwischen der Nato und Russland in der Ukraine: „Ich finde es skandalös, dass wir Milliarden aufbringen, um Waffen zu finanzieren, die die Menschen spalten und verletzen. Wir könnten diese Milliarden für was ganz anderes verwenden... Wie sind wir in diesen Krieg geraten? Ich glaube, es liegt an den großen Konzernen, die beschlossen haben, die Gesellschaft umzugestalten. Muss es wirklich dazu kommen?“
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