Berlin: Rot-rot-grün setzt Sparkurs und Durchseuchung an Schulen um

Nachdem der Berliner Senat die Schulen der Hauptstadt in den letzten Jahren bereits kaputt gespart und die Schüler ohne ernsthaftes Hygienekonzept der Durchseuchung preisgegeben hat, plant er jetzt weitere Kürzungen bei den Investitionen in Schule und Bildung. Der Sparkurs zeigt die ganze Verachtung der rot-rot-grünen Regierung gegenüber dem Schicksal der Kinder und Jugendlichen.

Konkret werden die von der Landesregierung bis 2026 bereits geplanten Schulausbau- und -sanierungsmaßnahmen um bis zu fünf Jahre verschoben, um die selbstgesteckten Sparziele des Senats zu erreichen. Dies bedeutet faktisch weitere Kürzungen, die die ohnehin katastrophalen Zustände an den Berliner Schulen weiter verschlimmern.

Über diesen Zeitraum müssen einige Bezirke in ihren Investitionsplanungen Kürzungen von mehreren 100 Millionen Euro hinnehmen. Nicht nur bleiben durch den Beschluss dringend benötigte weitere Schulplätze aus, die fehlenden Sanierungen sorgen sogar für den Wegfall bestehender Plätze. Schon jetzt können viele Kinder ihre Einzugsschule nicht besuchen, weil weder ausreichend gebaut noch saniert wurde. Weite Schulwege, überfüllte Klassenräume, Ausweichunterricht in kleinen Beratungszimmern oder Schulcontainern sind für immer mehr Schüler und Lehrer trauriger Alltag.

Während des letzten Wahlkampfs warben SPD, Grüne und Linke damit, dass das Bildungssystem in der Hauptstadt Priorität habe und ausgebaut werden würde. In der Coronakrise rechtfertigten die Parteien die Rückkehr zum Präsenzunterricht damit, dass ihnen die Bildung der Schüler am Herzen läge und Kindern und Jugendlichen zuhause die Möglichkeiten für gutes Lernen fehlen würden. Die Politik des Senats macht deutlich, dass dies nichts weiter als Heuchelei und dreiste Lügen waren.

Im März hatte die Berliner Landesregierung den Doppelhaushalt für 2022 und 2023 verabschiedet und massive Sparmaßnahmen beschlossen. Sie senkte den Etat von mehr als 78,3 Milliarden Euro auf 76,6 Milliarden (38,7 in diesem und 37,9 Milliarden im kommenden Jahr). Der Schwerpunkt der Einsparungen lag dabei unter anderem auf dem Bildungssystem.

Zunächst sollte der jährliche Verfügungsfonds der Schulen auf 3000 Euro gekürzt werden. Aufgrund massiver Proteste von Schulleitungen und Elternverbänden musste der Senat von diesem Kahlschlag Abstand nehmen.

Nun werden Einsparmaßnahmen von bis zu einer Milliarde Euro innerhalb von fünf Jahren durchgesetzt. Diese resultieren aus der Selbstverpflichtung des Berliner Abgeordnetenhauses zu ressortübergreifenden „pauschalen Minderausgaben von mehr als vier Milliarden Euro“, wie die Finanzverwaltung unter Senator Daniel Wesener (Grüne) erklärte. Wesener hatte bereits bei der Verabschiedung des Haushalts mit der Bemerkung „Krieg ist nicht veranschlagbar“ angekündigt, dass Gelder für den Stellvertreterkrieg gegen Russland gegebenenfalls weitere Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und Sozialem nach sich ziehen werden.

Schon jetzt befindet sich das Schulsystem in jeder Hinsicht in einem erbärmlichen Zustand. Am Donnerstag, keine zwei Wochentage vor Beginn des neuen Schuljahres, wurde bekannt, dass die Weddinger Anna-Lindh-Grundschule (mit 700 Schülern eine der größten Berliner Grundschulen) wegen Schimmelbefalls, der schon 2017 auftauchte, geschlossen ist. Alle Schüler und die 100 Mitarbeiter müssen sukzessive in ein mehr als drei Kilometer entferntes Bürogebäude umziehen.

In den dicht bevölkerten Bezirken Berlin-Lichtenberg, Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf und Berlin-Mitte gibt es keine freien Schulplätze mehr. Im Pankower Stadtbezirk wurden nur durch „Zusammenrücken“ (Bildungsstadträtin Dominique Krössin von der Linkspartei) alle Schüler untergebracht. In Berlin-Mitte und in Marzahn-Hellersdorf müssen Schüler in Containerräume ausweichen. Laut Bildungsstadtrat Thorsten Kühne (CDU) fehlen Plätze für 15 Grundschulklassen, was vier ganzen Grundschulen gleichkommt. Ebenfalls sind Plätze an weiterführenden Schulen Mangelware, weshalb die Schüler auf andere Bezirke verteilt werden.

In Friedrichshain-Kreuzberg fehlen 1000 Grundschulplätze. Hier wird sich das Problem zusätzlich verschärfen, weil nach Auskunft des Bezirksstadtrats Andy Hehmke (SPD) Teilschließungen von drei Schulen bevorstünden. Zusätzlich werde in den nächsten Jahren für die 7. bis 10. Klassenstufen nicht ein neuer Schulplatz geschaffen. Auch die Berliner Gymnasien haben keine Spielräume mehr. In vielen Schulen müssen die aus Flüchtlingsfamilien stammenden Schüler der „Willkommensklassen“ aus ihren bisherigen Räumlichkeiten weichen.

Schon jetzt ist klar, dass Kinder und Jugendliche in den Schulen im Winter frieren werden. Zwar schloss die Bildungssenatorin explizit ein „Frieren der Kleinen“ aus. Doch um Energie an den Schulen zu sparen, kündigte die Verwaltung ein „engmaschiges Energiemanagement“ an, um die Kosten „einigermaßen zu begrenzen“.

Nachfragen, ob inmitten der Pandemie weniger geheizt und das Angebot an warmem Wasser eingeschränkt werden soll, ließ die Bildungsverwaltung unbeantwortet. „Der Senat prüft derzeit verschiedene Energie-Einsparungsmöglichkeiten, um für den Fall einer eingeschränkten Energieversorgung vorbereitet zu sein. Zum jetzigen Zeitpunkt können keine Aussagen zu einzelnen Maßnahmen gemacht werden.“

Der seit Jahren eklatante Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal verschärft sich weiter. Neben den in den letzten beiden Jahren massiv angeworbenen Quereinsteigern müssen pensionierte Pädagogen weiterhin fehlende Lehrkräfte ersetzen. Rund 325 Pensionäre sind schon in den Schulbetrieb zurückgekehrt. Trotzdem werden offiziell rund 1000 Lehrerstellen unbesetzt bleiben.

Stellvertretend für viele erzählt Lykka, Sekundarschülerin in Kreuzberg, dem Tagesspiegel: „Übers gesamte Jahr ist etwa ein Drittel meines Deutschunterrichts ausgefallen!“ und „einige nehmen aufgrund der vielen Unterrichtsausfälle Nachhilfe“. Weniger leistungsstarke Schüler und Kinder aus einkommensschwachen Familien trifft die Lehrernot besonders hart. „Eigentlich möchte unsere Schule binnendifferenziertes Lernen ermöglichen. Dafür müssten aber eher zwei Lehrkräfte pro Kurs dabei sein. Das ist so gut wie nie möglich.“

Jedes vierte Kind in Berlin stammt aus einem von Armut betroffenen bzw. gefährdeten Haushalt. In Deutschlands Hauptstadt lag Anfang des Jahres die Armutsquote bei 16,4 Prozent. Angesichts der galoppierenden Inflation als Folge der Pandemiepolitik, der Kriegsbeteiligung am Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine und dem daraus resultierenden Energienotstand wird die Armutsquote drastisch steigen.

Von der Personalnot im besonderen Maße betroffen sind die Grundschulen. Für die zum Schulstart erwarteten 37.000 Schulanfänger (dem größten Erstklässler-Zuwachs seit 2005) werden 1415 neue Lehrkräfte benötigt. Doch es gibt nur 180 neu ausgebildete Grundschulpädagogen sowie 400 Quereinsteiger.

Damit sinkt erneut der Anteil pädagogischer Fachkräfte an den Grundschulen. Schon im vergangenen Schuljahr war dieser Anteil prekär, wie beispielsweise an der Hans-Rosenthal-Grundschule in Berlin-Lichtenberg, wo auf 34 Lehrkräfte lediglich 12 Kollegen mit einer vollen pädagogische Ausbildung kamen.

Hinzu kommen die schlechten sanitären Bedingungen – von fehlenden Seifenspendern, kaputten Waschbecken bis hin zu unbenutzbaren Toiletten – sowie so marode Fenster, dass sie den Schülern auf den Kopf zu fallen drohen und nicht richtig geöffnet werden können. Aufgrund der Finanzlage dürften die Schulen nur „priorisiert“ die schlimmsten Mängel in den Sommerferien beseitigt haben.

Schon daran zeigt sich die ganze Verachtung der Landesregierung gegenüber Schülern und Lehrkräften. Die zu erwartende Herbstwelle der Corona-Infektionen sowie die wachsende Ausbreitung der Affenpocken-Viren findet erneut in den Schulen das ideale Klima zum sprunghaften Anstieg. Die Landesregierung war nicht einmal willens, flächendeckend Luftfilter zu installieren. Lediglich „statistisch“ gesehen habe jede Klasse einen Filter, heißt es von Seiten des Senats. Häufig sind diese jedoch aus baulichen, personellen oder finanziellen Gründen überhaupt nicht installiert oder im Einsatz.

Angesichts der wachsenden Kritik an der verantwortungslosen Politik des Senats treten Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) und die hinter ihr stehende Landesregierung unter Franziska Giffey (SPD) Schülern, Eltern und Lehrern mit unverhohlener Arroganz und Feindschaft gegenüber.

„Man kann natürlich immer den Focus auf Defizite legen. Defizite wird es immer geben“, aber „nicht alle“ seien betroffen, weist Busse arrogant die Kritik von Lehrern und Eltern im Interview mit dem Tagesspiegel zurück. „Es werden oft Einzelschicksale angeguckt. Aber ich war viel viel zu lange in ‚Schule‘ tätig, um abschätzen [zu können], dass man überall zufrieden sein kann, als Schüler und auch als Lehrer:in, und gute Lernerfolge haben kann“, so Busse.

Und sie setzt noch drauf: „Bildung ist das Thema, wo jeder mitreden meint zu können. Niemand würde bei einer anstehenden OP so mit den Chirurgen diskutieren“ und auch „nicht so viel schimpfen. Im Bereich Bildung macht man das 24 Stunden“, erklärte die SPD-Politikerin.

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