Die Berliner Landesregierung hat in der vergangenen Woche den Doppelhaushalt für 2022 und 2023 verabschiedet und massive Sparmaßnahmen beschlossen. Das Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei senkt den Etat von mehr als 40 Milliarden Euro auf 36,4 in diesem und 35,7 Milliarden im kommenden Jahr. Gespart wird dabei vor allem an dem ohnehin völlig maroden Schulsystem.
Als erste Folge der Kürzungen erfuhren die Berliner Schulen in der letzten Woche, dass ihr jährlicher Verfügungsfonds auf 3000 Euro gekürzt wird. Bisher lag dieser Verfügungsrahmen je nach Schülerzahl bei etwa 15.000 bis 30.000 Euro pro Schule. Nun werden diese Mittel um bis zu 90 Prozent gekürzt.
Als die Schulleitungsverbände von den drohenden Kürzungen erfuhren, appellierten sie an die Regierende Bürgermeisterin, an die Bildungssenatorin sowie an die Bildungspolitiker im Abgeordnetenhaus, stießen jedoch auf taube Ohren.
Der Vorsitzende der Schulleitungsvereinigung Berufliche Bildung in Berlin (BBB), Ronald Rahmig, sprach von einem „massiven Einschnitt in die ‚Gestaltungsmöglichkeiten‘ der Schulen“. Bisher wurden mit den Geldern schulische Fördermaßnahmen finanziert, was nun kaum mehr möglich sein wird. Laut Karina Jehniche, amtierende Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen, sind die Kürzungen „verhängnisvoll für Schulen“.
Sven Zimmerschied, Leiter der Charlottenburger Friedensburg-Schule, erläuterte im Tagesspiegel die Konsequenzen der Kürzungen: „Unserer Schule fehlen jetzt über 20.000 Euro an Mitteln, die relativ flexibel eingesetzt werden konnten.“ So seien Referentinnen und Referenten für Studientage bezahlt, kleinere Renovierungen direkt finanziert oder einige Möbelstücke extra gekauft worden. „Das geht jetzt wieder alles nicht,“ kritisierte der Schulleiter.
„Wir werden bei der IT-Betreuung, Instandhaltung, Studientagen und Fortbildung sparen müssen“, erklärte Gunilla Neukirchen vom Lankwitzer Beethoven-Gymnasium gegenüber dem Blatt. Das führe „zu deutlichen Einschränkungen in der pädagogischen Arbeit der Schulen in einer Zeit, in der die Folgen der Pandemie bewältigt werden müssen“.
Selbst die FDP, die sich vehement für Haushaltskürzungen stark machte, kritisierte die drastischen Einschnitte. Paul Fresdorf, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bezeichnete die Kürzungen als einen Skandal. „Seit Jahren belegt Berlin im Bildungsmonitor die hinteren Plätze und bewegt sich einfach nicht von der Stelle, und nun soll dies auch noch betoniert werden.“
Schon im letzten Jahr hatte Rot-Rot-Grün den Schulen Einsparungen verordnet. Die damalige Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erließ von Mitte Oktober bis Jahresende eine Haushaltssperre. Damit durften die Schulen inmitten der Pandemie keine Ausgaben mehr tägigen, obwohl diese dringend nötig gewesen wären.
Die Kürzungen beim jährlichen Verfügungsfond sind dabei erst der Beginn von viel weitreichenderen Einschnitten. Auch Personalkürzungen stehen im Raum, da die Kosten im Bildungsressort zu 80 Prozent aus Personalkosten bestehen.
Obwohl bereits jetzt ein massiver Lehrermangel herrscht und flächendeckender Unterricht nur noch durch zahlreiche Quereinsteiger, die Lehrtätigkeiten übernehmen, gewährleistet werden kann, befürchten Schulvertreter hier weitere Streichungen. Schon 2021 waren offiziell 500 Lehrerstellen in Berlin nicht besetzt.
Der Bereich Bildung wird nicht das einzige Ressort sein, in dem Kürzungen vorgenommen werden. Wie der Senat bereits angekündigt hat, sollen in allen Ressorts Einsparungen erfolgen. Vor allem die Bereiche Soziales und Kultur werden betroffen sein. Ihnen stehen mit Katja Kipping und Klaus Lederer zwei Vertreter der Linken vor, die die Kürzungspolitik des Senats vorbehaltlos unterstützen.
Wie SPD und Grüne hatte auch die Linke im Wahlkampf im letzten September großspurig angekündigt, dass der Ausbau der Bildung in Berlin Priorität habe und dafür ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt würden. Nun tun sie das genaue Gegenteil.
Ebenso deutlich richtet sich die Senatspolitik in der Wohnungsfrage gegen die Bevölkerung. Obwohl sich eine deutliche Mehrheit der Berliner für die Enteignung der großen Wohnungskonzerne ausgesprochen hat, was die Linke im Wahlkampf noch unterstützt hatte, ignorieren SPD, Grüne und Linke das Ergebnis des Volksentscheids und arbeiten noch enger mit den Immobilienhaien zusammen.
Die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat ein so genanntes Wohnungsbündnis initiiert. Darin arbeiten Landesregierung und Vertreter privater Immobilienkonzerne eng zusammen, um Hürden für die Unternehmen zu beseitigen, die die Mieten seit Jahren in schwindelerregende Höhen treiben, die kaum noch bezahlbar sind.
Hatten Teile der Linken anfänglich noch versucht, den Anschein zu erwecken, man setze sich für die Enteignung ein, hat Linken-Landeschefin Katina Schubert das Projekt mittlerweile offiziell begraben. Ein Gesetz zur Vergesellschaftung von Wohnraum würde unweigerlich vor dem Bundesverfassungsgericht landen, und dort würde man sich ohnehin eine „Klatsche“ einhandeln, begründete sie den Rückzug.
Die nun beschlossenen Kürzungen erinnern an den radikalen Sparkurs des rot-roten Senats, der die Hauptstadt von 2001 bis 2011 regierte. Beide Parteien unterstützten den sozialen Kahlschlag. Die öffentlichen Wohnungen des Landes wurden zum Schleuderpreis an Immobilienhaie verscherbelt, öffentliche Einrichtungen reihenweise geschlossen und die Budgets für Bildung und Soziales auf ein Minimum gesenkt. Ein Drittel der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst wurden vernichtet und zeitgleich die Löhne der verbliebenen Beschäftigten massiv gesenkt.
Heute tritt Finanzsenator Daniel Wesener in die Fußstapfen von Thilo Sarrazin, dem rechtsextremen Finanzsenator des rot-roten Sentas. Wesener brüstete sich in der BZ, dass er mit seiner Politik auf Konfrontation zur Bevölkerung gehe. „Sie werden keinen Finanzsenator sehen, dem Blumengirlanden geflochten werden,“ erklärte der Grünen-Politiker zynisch.
Wie damals Sarrazin erklärt Wesener, für ihn hätten Ausgabensenkung und Schuldentilgung Priorität. Man werde im kommenden Jahr 810 Millionen Euro Corona-Notkredite tilgen und nicht nur 270 Millionen, wie geplant. Insgesamt ist für 2023 eine Tilgung von 1 Milliarde Euro vorgesehen.
Ob tatsächlich in diesem Umfang Kredite zurückgezahlt werden, müsse man abwarten, so Wesener. Dabei hat der Finanzsenator nicht etwa die kaputt gesparten Schulen oder das durch die Pandemie ausgeblutete Gesundheitssystem im Sinn. Im Gegenteil: Wie sein Vorgänger sitzt er seit Mitte Februar im Aufsichtsrat der landeseigenen Vivantes-Kliniken, um dort für Ausgabendisziplin zu sorgen. Vielmehr geht es ihm um die Kosten des Ukrainekriegs. „Krieg ist nicht veranschlagungsreif,“ sagte Wesener.
Diese Aussage bedarf kaum einer Erläuterung. Während im Bereich Bildung und Soziales weiter gekürzt wird und für Gesundheit und Pflege nicht einmal inmitten einer tödlichen Pandemie Geld da ist, wird die massive Erhöhung des Wehretats im Grundgesetz verankert. Diese Politik unterstützen sämtliche etablierten Parteien von der AfD bis zur Linken.