Die Bundesregierung will die Leistungen für Langzeitarbeitslose massiv kürzen. Das zeigt der Entwurf für den Bundeshaushalt 2023, den Finanzminister Christian Lindner (FDP) kurz vor der Sommerpause vorlegte, und den das Kabinett bereits gebilligt hat.
Gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Lindner massive soziale Kürzungen in den Etat 2023 hineingeschrieben. Um 609 Millionen Euro einzusparen, soll besonders die staatliche Wiedereingliederungshilfe für Menschen, die seit mehr als sechs Jahren ohne Arbeit sind, ersatzlos gestrichen werden.
Das Beispiel zeigt erneut, dass das Kabinett von SPD, FDP und Grünen seinen Kriegshaushalt auf Kosten der Arbeiterklasse finanziert. Derselbe Etat sieht für 2023 einen Verteidigungshaushalt von über 50 Milliarden Euro vor, der bis 2026 noch um weitere 12,4 Milliarden ansteigt; darüber hinaus ist das „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro beschlossen worden.
Die Ausgaben für Soziales, Bildung und Gesundheit unterliegen dagegen der „Schuldenbremse“, die ab dem nächsten Jahr gnadenlos wieder greifen soll.
In der Pressekonferenz vom 8. Juli wurde die Frage gestellt: „Trifft es zu, dass die Bundesregierung plant, im kommenden Haushalt die Leistungen für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen um 600 Millionen Euro zu kürzen?“ Darauf antwortete eine Pressesprecherin von Arbeitsminister Heil, es sei „korrekt, dass der Haushaltsentwurf für 2023 eine Kürzung im Bereich der Eingliederungshilfe vorsieht“.
Konkret ist offenbar eine Kürzung der „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ von 4,8 auf 4,2 Milliarden Euro vorgesehen. Mit dem Geld wurden bisher mehrjährige Förderungen von Langzeitarbeitslosen finanziert. Betroffen ist vor allem das Programm des sogenannten „sozialen Arbeitsmarkts“, bei dem Unternehmer seit 2019 staatliche Lohnkostenzuschüsse erhalten, wenn sie Langzeitarbeitslose beschäftigen. Dies sieht in besonderen Fällen so aus, dass der Staat bis zu fünf Jahre lang die Lohnkosten – in den ersten zwei Jahren zu 100 Prozent, im dritten Jahr zu 90, im vierten zu 80 und im fünften noch zu 70 Prozent – erstattet.
Das Programm, das ursprünglich für bis zu 150.000 Teilnehmer vorgesehen war, ist seit 2019 im Jahresdurchschnitt nur für knapp 20.000 Teilnehmer zur Anwendung gekommen. Jetzt soll es ganz gestrichen werden. Es ist nur ein Beispiel dafür, was unter dem Versprechen von Kanzler Olaf Scholz zu verstehen ist, dass bei seiner Regierung angeblich „Respekt“ und „soziale Sicherheit“ ganz zuoberst stehen.
Seine Politik verrät dieselbe rücksichtslose Doppelzüngigkeit, die man auch von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kennt. Lauterbach ist in der Lage, eindringlich vor Long Covid zu warnen und praktisch im selben Atemzug die kostenlosen Bürgertests abzuschaffen. Er ist auch dabei, die Krankenkassenbeiträge auf Rekordhöhe zu treiben.
Ebenso doppelzüngig agiert Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen). Sie hat soeben in Nagasaki zur Abschaffung von Atomwaffen aufgerufen, obwohl sie selbst erst vor kurzem eine „glaubhafte nukleare Abschreckung“ bei der deutschen Verteidigung gefordert hatte. Zuvor ließ sie sich auch schon mal im Stahlhelm in der Ukraine fotografieren.
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner selbst, der gerade die jüngsten Kürzungen durchsetzt, hat kein Problem, gleichzeitig drei Tage lang eine rauschende Promi-Hochzeit auf Sylt zu feiern, die Unsummen verschlingt, und zu der er mehrere Minister eingeladen hatte. CDU-Chef Friedrich Merz flog beispielsweise mit seiner Gattin im eigenen Privatjet ein.
In den sozialen Medien stoßen die Angriffe auf Langzeitarbeitslose bereits auf Widerstand. Twitter-User weisen darauf hin, dass die Ampel-Regierung „für andere Reformprojekte bisher im kommenden Jahr kein Geld bereitgestellt“ habe, und nennen als Beispiele die Kindergrundsicherung, das Bürgergeld oder Luftfilter für die Schulen – die offenbar in keiner Weise eingeplant sind. Ein User schreibt: „Mal davon abgesehen, dass Langzeitarbeitslose sowieso große Probleme haben: gerade da die Förderung zu kappen (…) ist dermaßen übel!“
Zu Recht verstehen Arbeiterinnen und Arbeiter diese Angriffe als auf sich selbst gerichtet. Denn kann nicht jeder und jede einzelne früher oder später in eine ähnliche Lage geraten? Zahlreiche Langzeitarbeitslose hatten früher gute Stellungen, sind irgendwann durch Krankheit, Unfall oder ein anderes Geschick aus dem Arbeitsleben herausgefallen.
Wie viele hunderttausende sind derzeit von Werksschließungen und Stellenstreichungen betroffen? Wie viele sind in einem Alter, in dem sie nicht mehr auf eine Neueinstellung hoffen können? Wie viele sind infolge einer Corona-Erkrankung von Long Covid gezeichnet und auf lange Zeit hinaus nicht in der Lage, den Stress einer Arbeitsstelle zu bewältigen?
Tatsächlich ist der üble Beschluss von Lindner, Heil und Scholz nur die Speerspitze eines Generalangriffs der Regierung auf die gesamte Arbeiterklasse. Auf ihre Schultern werden alle Auswirkungen der Finanzkrise, der Coronapandemie und zuletzt des Ukrainekriegs abgewälzt. Arbeiter sind mit einer Phalanx von Bankiers, Unternehmern, Politikern, Topjournalisten und Gewerkschaftsbürokraten konfrontiert, die in jedem Bereich die Krise als Chance wahrnehmen.
Gleichzeitig müssen Arbeiter mit einer ansteigenden Inflation, mit Gas- und Treibstoffknappheit, sozialen Kürzungen, Massenentlassungen und/oder erhöhtem Arbeitsstress fertig werden, während der Krieg in der Ukraine ständig weiter eskaliert.
Schon im März schrieb die WSWS anlässlich des Kabinettsbeschlusses zum Bundeshaushalt 2022, dass die „Kosten für die Aufrüstung in jeder Hinsicht die Arbeiterklasse tragen“ werde, und wir erklärten: „Bei der in Politik und Medien beschworenen ‚Zeitenwende‘ geht es um die umfassende Rückkehr des deutschen Militarismus.“