Der Bundeshaushalt 2022, der am 16. März vom Kabinett verabschiedet wurde und aktuell im Bundestag debattiert wird, ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine Kriegserklärung an die Bevölkerung.
Erstens: Mit der massiven Erhöhung des regulären Militärhaushalts um 7,3 Prozent auf 50,33 Milliarden Euro und der Einrichtung des „Sondervermögens Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro bringt die herrschende Klasse die größte Aufrüstung des deutschen Militärs seit Hitler auf den Weg. Um die ganze Dimension der Pläne zu fassen: Eine Verdreifachung der Militärausgaben innerhalb eines Jahres gab es selbst zur Zeit des Nationalsozialismus nicht.
Zweitens: Die Kosten für die Aufrüstung wird in jeder Hinsicht die Arbeiterklasse tragen. Bei der Vorstellung des Haushalts im Bundestag beschwor Finanzminister Christian Lindner (FDP) immer wieder die „Schuldenbremse“ und „die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen“. In der Finanzplanung sei „vorgesehen, die Schuldenbremse des Grundgesetzes im Jahr 2023 und in den Folgejahren bis 2026 einzuhalten“. Sie sei „keine unverbindliche Willenserklärung; dann ist sie der Befehl unserer Verfassung“.
Was das bedeutet ist klar. Jeder Cent, der über einen geplanten „Ergänzungshaushalt“ ins Militär fließt, soll wieder aus der Arbeiterklasse herausgepresst werden. Bereits in diesem Jahr sinkt das Ressort Arbeit und Soziales um 2,9 Prozent von 164,92 Milliarden Euro in 2021 auf 160,12 Milliarden in diesem Jahr. Und auch der Bildungshaushalt wird um 2,5 Prozent von 20,82 Prozent (2021) auf 20,3 Milliarden Euro zusammengestrichen.
Drittens: Inmitten der höchsten Infektionszahlen und Inzidenzen seit Ausbruch der Pandemie beendet die Regierung die letzten verbliebenen Schutzmaßnahmen. In seiner Regierungserklärung am Mittwoch sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu:
„Die Wirtschaft kommt langsam wieder in Schwung und kann die vollen Auftragsbücher abarbeiten… Das ist gut – auch mit Blick auf die Belastungen, die der Krieg in der Ukraine für die Wirtschaft mit sich bringt und bringen wird. In fast allen Staaten um uns herum sind die Coronabeschränkungen inzwischen gelockert oder nahezu komplett aufgehoben worden. Auch der Bundestag hat das Infektionsschutzgesetz letzte Woche angepasst. Es ermöglicht weitere Lockerungen.“
Auch das ist unmissverständlich. Die „Profite vor Leben“-Politik, die allein in Deutschland bereits zu fast 130.000 Toten geführt hat, wird unter Bedingungen des Kriegs nun noch aggressiver betrieben. Insgesamt steigt der Gesundheitshaushalt zwar leicht, aber die Gelder für die Pandemiebekämpfung werden massiv zusammengestrichen. Waren für die zentrale Beschaffung von Impfstoffen im Jahr 2021 noch 8,89 Milliarden Euro vorgesehen, beläuft sich die Posten in diesem Jahr nur noch auf 6,3 Milliarden Euro. Die Zuschüsse zur Bekämpfung des Virus fallen von 4,06 auf 1,9 Milliarden Euro.
Viertens: Die Aufrüstung dient ganz unmittelbar dem Führen von Krieg. Scholz betonte in seiner Rede, dass Deutschland bereits jetzt eine zentrale Rolle bei der Nato-Kriegsoffensive gegen Russland spielt. „Seit Kriegsbeginn liefert Deutschland Panzer- und Luftabwehrwaffen, Ausrüstung und Munition an die Ukraine.“ Die Europäische Union stelle „zusätzlich 1 Milliarde Euro an Militärhilfe bereit“, und man habe „gemeinsam mit unseren internationalen Partnern … Sanktionen verhängt, die ihresgleichen suchen“.
Auch bei der massiven Nato-Aufrüstung in Osteuropa, die auf dem Nato-Treffen in Brüssel am Donnerstag weiter forciert wurde, beteiligt sich Deutschland immer stärker. Bereits in den letzten Wochen wurde die von der Bundeswehr geführte Nato-Battlegroup in Litauen um weitere 350 deutsche Soldaten und 100 Fahrzeuge und Waffensysteme verstärkt. Zusätzlich verlegte die Luftwaffe sechs Eurofighter nach Rumänien und das Flugabwehrraketensystems Patriot in die Slowakei. Dorthin schickt Deutschland nun auch 700 weitere Soldaten und übernimmt die Führung einer weiteren Battlegroup.
Fünftens: Bei der in Politik und Medien beschworenen „Zeitenwende“ geht es um die umfassende Rückkehr des deutschen Militarismus. In der Haushaltsdebatte begründeten Scholz und andere Vertreter der Regierung und Opposition die Aufrüstung mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Tatsächlich wurden die Pläne – darunter auch das 100 Milliarden schwere „Sondervermögen Bundeswehr“ – seit langem hinter dem Rücken der Bevölkerung vorbereitet.
Mit der systematischen militärischen Einkreisung Russlands hat die Nato Putins reaktionäre Intervention regelrecht provoziert. Nun nutzt sie der deutsche Imperialismus, um sich wieder zur dominierenden militärischen Macht in Europa aufzuschwingen und den Kontinent unter seiner Führung zu militarisieren. „Wir erleben gerade, welche Dynamik die Zeitenwende auch auf europäischer Ebene mit sich bringt“, erklärte Scholz. „Das werden wir nutzen. Wer Sicherheit in Europa will, der kommt gar nicht umhin, die Krisenresilienz der EU deutlich zu stärken.“
Und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte in ihrer Rede: „Unser Ziel liegt klar vor Augen: Wir brauchen eine Bundeswehr, die in der Lage ist, die klassische Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung ohne Einschränkung wahrzunehmen.“ Was sie meint, ist die Befähigung des deutschen Militärs wieder „sehr große“ und „hochintensive“ Operationen „im gesamten Intensitätsspektrum“ zu führen, wie es in der 2018 verabschiedeten „Konzeption der Bundeswehr“ heißt.
Sechstens: Die von SPD, FDP und Grünen forcierte Kriegsoffensive wird im Kern von allen Bundestagsparteien unterstützt und stärkt die rechtesten Kräfte. In seinem Redebeitrag frohlockte der Ehrenvorsitzende der rechtsextremen AfD Alexander Gauland: „Ja, meine Damen und Herren, in puncto Sicherheit hat die Regierung schnell gelernt, und 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind schon ein erstaunlicher Lernerfolg für Politiker, die im festen Glauben an eine regelbasierte, multilaterale Außenpolitik groß geworden sind.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Wenn es im Bundestag Kritik an den Plänen der Regierung gab, war sie darauf ausgerichtet, die Aufrüstung noch aggressiver und effektiver zu organisieren. So forderte etwa der Vorsitzende der Unionsfraktion Friedrich Merz „ein geeignetes Begleitgremium“ zu schaffen, „das darüber wacht, dass dies [die geplante Aufrüstung] auch tatsächlich stattfindet und dass diese Investitionen in die
Bundeswehr in den nächsten Jahren auch tatsächlich erfolgen“.
Auch die Linkspartei unterstützt den Kriegskurs gegen Russland und ist über den Verteidigungs- und Haushaltsauschuss eng in die Aufrüstungsoffensive eingebunden. Bezeichnenderweise applaudierten Vertreter der Linken immer wieder bei Scholz’ Rede. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, warf der Regierung vor, „nach der Ansprache des ukrainischen Präsidenten hier im Parlament“ geschwiegen zu haben. „Das war der Regierung und des Deutschen Bundestages unwürdig“. Selenskyj hatte in seiner Rede am 17. März ein stärkeres Auftreten des deutschen Militarismus gegen Russland und die Errichtung einer Flugverbotszone gefordert.
Siebtens: Die Kriegspolitik nach außen geht einher mit der Militarisierung der Gesellschaft im Inneren. „Die Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und der Respekt vor der Bundeswehr dürfen sich nicht nur in Etattiteln und -zahlen messen lassen“, forderte Lindner. Es gelte auch, „den Soldatinnen und Soldaten wieder den Respekt zu erweisen, den sie für ihren Dienst für unser Land verdienen.“
Die herrschende Klasse weiß, dass die große Mehrheit der Bevölkerung den Kriegskurs ablehnt. Zu tief sind die Schrecken zweier Weltkriege, des Holocaust und des Vernichtungskriegs im Osten im Bewusstsein verankert. In seiner Bundestagsrede stellte der AfD-Verteidigungspolitiker und Oberst a.D. der Bundeswehr Rüdiger Lucassen sichtlich erbost fest: „Eine Umfrage der INSA ergab, dass nur drei von zehn Deutschen willens sind, unser Land zu verteidigen. Wenn das stimmt, hat Deutschland ein Problem…“.
Die einzige Möglichkeit, die gefährliche Kriegsentwicklung und die Rückkehr des deutschen Militarismus zu stoppen, ist die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Entscheidend ist der Aufbau einer Antikriegsbewegung, die auf den Prinzipien beruht, die die SGP und das Internationale Komitee der Vierten Internationale bereits 2016 in ihrer Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ formuliert haben:
- Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.
- Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
- Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.
- Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen.