Deutschland wird seine militärische Unterstützung für die Ukraine massiv ausweiten. Am Freitag berichteten zahlreiche Medien, dass die Bundesregierung insgesamt zwei Milliarden Euro an weiteren Militärhilfen bereitstellen werde. „Davon sollen deutlich mehr als eine Milliarde Euro an die Ukraine gehen“, berichtete das ARD-Hauptstadtstudio. Allein 400 Millionen Euro seien für die European Peace Facility vorgesehen, die Waffen für die Ukraine kauft.
Am Freitagabend bestätigte Finanzminister Christian Lindner die Pläne. „Die Medienberichte sind zutreffend: Im Ergänzungshaushalt wird die militärische #Ertüchtigungshilfe auf 2 Milliarden Euro angehoben. Die Mittel kommen weit überwiegend der Ukraine zugute“, schrieb er auf Twitter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe „dies frühzeitig angefordert.“
In den letzten Tagen hatten Vertreter aus Regierung und Opposition den Druck auf Scholz erhöht, weitere Militärhilfen und Waffenlieferungen an Kiew zu verkünden. Vor allem die Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa – Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) – fordern nach ihrer Reise in die Ukraine pausenlos die Lieferung „schwerer Waffen“.
Dabei machen sie keinen Hehl daraus, um was es geht: Russland militärisch zu besiegen und Europa unter deutscher Führung zu organisieren. „Die Ukrainerinnen und Ukrainer können sich nur verteidigen mit Waffen – und dabei sollten wir sie rasch und umfassend unterstützen,“ sagte Roth der Frankfurter Rundschau. Kiew müsse „diesen furchtbaren Krieg gewinnen“, das sei „in unserem nationalen und europäischen Interesse“.
Hofreiter äußerte sich ähnlich. „Es geht darum, dass Olaf Scholz endlich sichtbar werden muss in Europa. Deutschland muss Verantwortung in Europa übernehmen“. Der Kanzler habe „für seine Zeitenwende unsere volle Unterstützung“, versicherte Strack-Zimmermann. Dafür sei „es jetzt Zeit, zu führen und dabei gemeinsam als Ampel voranzugehen“.
Die Bundesregierung setzt ihren Aufrüstungs- und Kriegskurs immer aggressiver um. „Es müssen mehr Waffen kommen. Wir können die Ukraine in dem Krieg nicht alleine lassen. Sie kämpft auch für uns. Die Ukraine darf nicht verlieren, Putin darf nicht gewinnen,“ erklärte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck am Freitag. Natürlich bedeute „eine Brutalisierung des Krieges auch, dass man in Quantität und Qualität der Waffenlieferungen zulegen muss.“ Die Bundesregierung werde das „mit unseren europäischen Partnern und den NATO-Partnern“ besprechen.
Das ist eine Warnung. Mitte der Woche hat bereits die Biden-Regierung eine massive Ausweitung der US-Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt – darunter die Lieferung von Hunderten von Drohnen, gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern. Mit den Waffenlieferungen eskaliert der Krieg immer weiter und die Gefahr eines direkten militärischen Zusammenstoßes zwischen der Nato und Russland steigt.
Russland will eigenen Angaben zufolge seine Angriffe auf militärische Ziele in Kiew verstärken. Bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag soll es in der ganzen Stadt zu Explosionen und Stromausfällen gekommen sein. Die russische Tageszeitung Iswestija, die von der Regierung kontrolliert wird, schrieb: „In der Nacht zum 15. April waren in verschiedenen Teilen von Kiew starke Explosionen zu hören. In einem Großteil der ukrainischen Hauptstadt fiel der Strom aus.“
Unter anderem sei eine Raketenfabrik mit Marschflugkörpern attackiert worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Auf die Fabrik „Wisar“, etwa fünf Kilometer südwestlich der Hauptstadt, seien Raketen des Typs Kalibr abgefeuert worden, so der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Weitere Operationen würden vorbereitet.
Am Vortag war die Moskwa, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, gesunken. Die Ukraine behauptet, sie habe es mit Anti-Schiffs-Raketen getroffen. Der Kreml bestreitet die Angaben. Das russische Verteidigungsministerium erklärte zwar, die etwa 500-köpfige Besatzung sei vollständig gerettet worden, doch laut dem ranghohen russischen Abgeordneten Konstantin Satulin wurden mehrere russische Matrosen bei dem Angriff getötet.
Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowitsch frohlockte nach dem Sinken des Schiffs: „Es ist ein höchst wichtiges militärisches Ereignis und der größte Verlust der russischen Marine seit dem Zweiten Weltkrieg.“
Vor dem Ereignis hatten die USA zusammen mit den Waffenlieferungen auch eine massive Ausweitung des „Geheimdienstaustauschs“ angekündigt. Das Wall Street Journal schrieb am Dienstag, diese Maßnahmen würden „es der Ukraine ermöglichen, Moskaus Truppen im Donbass und auf der Krim anzugreifen“. Es ist unklar, in wieweit dieser „Geheimdienstaustausch“ eine Rolle beim Untergang der Moskwa gespielt hat.
Unabhängig davon verschärfen die imperialistischen Mächte ihre wirtschaftliche und militärische Offensive gegen Russland. Vertreter der Europäischen Union erklärten, ein Embargo für russische Ölimporte in die EU-Staaten sei in Vorbereitung und werde vermutlich in wenigen Wochen verabschiedet. Zuvor hatten sie sich bereits darauf geeinigt, die Importe von russischer Kohle einzustellen.
Die Spannungen wurden noch verschärft durch die Ankündigung des Pentagon vom Donnerstag, es werde der Ukraine „300 taktische unbemannte Flugsysteme vom Typ Switchblade liefern, außerdem 500 Javelin-Raketen und Tausende von Panzerabwehrsystemen, 200 gepanzerte Personentransporter M113, 100 Humvee-Geländewagen, elf Mi-17-Hubschrauber“ und Landminen.
Laut Pentagon haben die USA der Ukraine damit „seit der Amtsübernahme der Biden-Regierung Sicherheitsunterstützung im Wert von 3,2 Milliarden Dollar geliefert, davon etwa 2,6 Milliarden seit Beginn von Russlands nicht provozierter Invasion am 24. Februar“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Kurz bevor die USA die Ausweitung ihrer Waffenlieferungen ankündigten, hatte die Ministerpräsidentin von Finnland erklärt, das Land werde in wenigen Wochen den Beitritt zur Nato beantragen. Als Reaktion darauf drohten russische Regierungsvertreter mit einer deutlichen nuklearen Aufrüstung.
Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Dimitri Medwedew, erklärte: „Wenn Schweden und Finnland der Nato beitreten, wird sich die Länge der Grenze des Bündnisses zu Russland mehr als verdoppeln. Natürlich müssten diese Grenzen dann gestärkt werden.“
Medwedew warnte, Russland könnte, „Iskander-Raketen, Überschallraketen und Schiffe mit Atomwaffen“ an den Grenzen zu den Nato-Mitgliedsstaaten stationieren. Iskander-Raketen können als Träger für Atomwaffen benutzt werden.
Die Nato wiederum weitet ihr Atomarsenal an den Grenzen zu Russland bereits jetzt massiv aus. Die Direktorin für Nuklearpolitik bei der Nato in Brüssel, Jessica Cox, erklärte gegenüber Defense News, die USA und ihre Nato-Verbündeten würden die „atomaren Teilhabemechanismen“ des F-35-Kampfflugzeugs nutzen. Das deutet auf eine umfangreiche Stationierung von taktischen Atomwaffen an den Grenzen des Nato-Gebiets hin.
Die Eskalation des Kriegs folgt auf den Nato-Gipfel vom letzten Monat, auf dem US-Präsident Joe Biden erklärt hatte, Putin dürfe „nicht an der Macht bleiben“. Nach dem Gipfel erklärte Biden: „Wir müssen uns jetzt verpflichten, in diesem Kampf langfristig zu bestehen. Wir müssen heute und morgen und übermorgen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vereint bleiben.“ Diese Woche verschärfte Biden diese Rhetorik erneut und erklärte, Russland begehe in der Ukraine einen „Völkermord“.
Angesichts der sprunghaft steigenden Inflation und der grassierenden Pandemie benutzt die herrschende Klasse den Krieg in der Ukraine für den verzweifelten Versuch, die sozialen Spannungen nach außen zu lenken und auf der Grundlage des Kriegs nationale Einheit zu schaffen. Gleichzeitig wird der Krieg geführt, um Russland eine entscheidende militärische Niederlage beizubringen, einen Regimewechsel herbeizuführen und die Kontrolle über seine wichtigen natürlichen Rohstoffe zu erlangen.
Der Konflikt gerät jedoch rasch außer Kontrolle. Er verschärft nicht nur die Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten, sondern könnte zu einem direkten Zusammenstoß zwischen der Nato und Russland führen, in dem erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg Atomwaffen eingesetzt würden. Die Arbeiterklasse muss auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms mobilisiert werden, um eine Katastrophe zu verhindern.