Die Europäische Union weitet ihre Waffenlieferungen an die Ukraine massiv aus. Das beschlossen die EU-Außenminister bei einem Treffen in Luxemburg am Montag. Konkret habe man eine Aufstockung der gemeinsamen Militärhilfe um 500 Millionen Euro auf nunmehr 1,5 Milliarden Euro vereinbart, teilte der Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem Treffen mit.
Die EU-Mächte lassen keinen Zweifel daran, um was es ihnen geht: Sie wollen Russland in der Ukraine eine militärische Niederlage beibringen. „Legt den Schwerpunkt auf Waffenlieferungen,“ erklärte Borrell bereits, nachdem er am Wochenende mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Kiew gereist war. Sanktionen seien „wichtig“, aber würden „das Problem der Schlacht im Donbass nicht lösen“. Es sei klar: „Der Krieg wird in der Schlacht um den Donbass entschieden.“
Welche massive Auseinandersetzung droht, sprach der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beim Nato-Gipfel in Brüssel in der vergangenen Woche aus: „Die Schlacht um den Donbass wird Sie an den Zweiten Weltkrieg erinnern mit seinen groß angelegten Operationen und Manövern, dem Einsatz von Tausenden von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen und Artillerie“, erklärte er.
Genau darauf bereiten sich die EU- und die Nato-Mächte mit den Waffenlieferungen an die ukrainische Armee vor. Ausgerechnet der deutsche Imperialismus, der im Zweiten Weltkrieg einen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion führte, stellt sich dabei zunehmend an die Spitze. Nachdem die Bundesregierung zunächst zögerte, spricht sie sich jetzt sogar für die Lieferung schwerer Waffen aus, um Russland im Donbass zu besiegen.
„Was klar ist: Die Ukraine braucht weiteres militärisches Material, vor allen Dingen auch schwere Waffen,“ sagte die grüne Außenministerin Annalena Baerbock am Rande des EU-Außenministertreffens. „Jetzt ist keine Zeit für Ausreden, sondern jetzt ist Zeit für Kreativität und Pragmatismus. Und gerade mit Blick auf Fragen wie Ersatzmaterialien und Ausbildung“ gehe es darum, „gemeinsam die Ukraine schnellstmöglich zu unterstützen“.
Bereits jetzt hat Deutschland massiv Waffen an die Ukraine geliefert, darunter tausende Panzerfäuste und Luftabwehrraketen. Die Waffen gehen auch an rechtsextreme Kräfte innerhalb der ukrainischen Streitkräfte und der sogenannten Territorialverteidigung des Landes. Die nun geplante Lieferung von Panzern und anderer schwerer Waffen wird den Krieg verschärfen und beschwört einen militärischen Konflikt mit der Nuklearmacht Russland herauf.
Einem Bericht des Handelsblatt zufolge bereitet sich der deutsche Rüstungsriese Rheinmetall auf die Lieferung von Panzern an Kiew vor. Laut Konzernchef Armin Papperger gehe es dabei u.a. um den Kampfpanzer „Leopard 1“, das Vorgängermodell des aktuell in der deutschen Armee eingesetzten „Leopard 2“. „Der erste Leopard 1 könnte in sechs Wochen geliefert werden“, zitiert das Blatt Papperger. Insgesamt könne Rheinmetall bis zu 50 Panzer dieses Typs der Ukraine übergeben.
Ebenfalls diskutiert wird über eine Lieferung des Schützenpanzers „Marder“. Auch hier habe „Rheinmetall seine Bereitschaft erklärt, 50 bis 60 ausgemusterte Marder-Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern“, schreibt das Handelsblatt. Die ersten zehn bis 20 könnten laut Papperger binnen sechs Wochen fertig sein.
In Politik und Medien läuft eine aggressive Kampagne, das schwere Gerät so schnell wie möglich zu liefern. „Deutschland muss nun schnell handeln“, fordert Reinhard Veser in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Um eine Niederlage Russlands in diesem Krieg zu erzwingen, braucht es die Kombination aus wirtschaftlichem Druck auf Russland und militärischer Unterstützung für die Ukraine.“
Der Spiegel preist in einem ausführlichen Artikel die Vorzüge deutscher Panzer im Krieg gegen Russland. „In der Ukraine könnte der Marder eine wichtige Rolle spielen“ und „den Streitkräften der Ukraine im Kampf gegen die russischen Invasoren helfen“. Die Marder würden „an der Seite von Kampfpanzern (main battle tanks) in die Schlacht“ rollen und diese „zusammen mit anderen Militärfahrzeugen“ absichern. Sie würden „Gruppen von Panzergrenadieren nach vorne ins Gefecht“ bringen und „in der Offensive“ ihrerseits versuchen, „gegnerische Panzer mit Attacken auszuschalten“.
Die Aktivitäten und Aussagen führender Regierungspolitiker deuten darauf hin, dass die Waffenlieferungen zeitnah vorbereitet werden. „Wenn die Ukrainer den Panzer [Leopard 1] haben wollen, und das haben sie mir signalisiert, dann sollte sich da ein Weg finden lassen“, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der FDP, Marcus Faber.
Deutschland sei mit der Entscheidung, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, „eine Verpflichtung“ eingegangen. Und aus dieser Verpflichtung folge, das Land weiter zu unterstützen, gab Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu Protokoll. „Die Waffen müssen schnell geliefert werden, weil der Angriff der russischen Truppen über den Osten der Ukraine bald bevorstehen wird.“
Bezeichnenderweise reisten die Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa – Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) – gestern für Gespräche in die Ukraine. Die drei Ampel-Politiker sind vehemente Befürworter von „schweren“ Waffenlieferungen und können ihre Kriegsforderungen gegen Russland kaum kontrollieren.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Neben den Mardern plädiere er dafür, auch „auch schwere Scharfschützengewehre wie das G-82“ zu liefern, erklärte Hofreiter vor seiner Reise bei Markus Lanz. Dieses verfüge über ein „12,7 Millimeter Projektil“ und könne „die gepanzerten Fahrzeuge der russischen Nationalgarde brechen“. Strack-Zimmermann schärfte dem ukrainischen Botschafter und notorischen Russlandhasser Andrij Melnyk im Spiegel-„Spitzengespräch“ ein: „Wenn man Panzer schickt, muss man gewinnen wollen... Ihre Soldaten müssen das beherrschen, weil sie sonst wirklich Kanonenfutter“ für „die Russen“ wären.
In einer gemeinsamen Stellungnahme machten sich Hofreiter, Strack-Zimmermann und Roth am Dienstag erneut für weitere Waffenlieferungen und einen möglichst zügigen Importstopp für russisches Öl und eine klare EU-Perspektive für die Ukraine stark. „Im Bundestag dürfte es dafür breite Mehrheiten geben. Deutschland muss noch mehr Verantwortung übernehmen“, fordern sie laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) in dem Dokument.
Gleichzeitig kritisierten die drei Abgeordneten die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), der zusammen mit dem Präsidenten Polens sowie der drei baltischen Staaten einen Besuch in Kiew geplant hatte. Steinmeier hatte als deutscher Außenminister zwar eine zentrale Rolle beim rechten Umsturz in Kiew 2014 gespielt, aber auch diplomatische Beziehungen zu Russland unterhalten, wofür er trotz einer öffentlichen Entschuldigung kritisiert wird.
Am Dienstagabend teilte der ukrainische Botschafter in Berlin mit, man habe stattdessen Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kiew eingeladen. „Das haben wir auch so kommuniziert, dass mein Präsident und die Regierung sich darauf sehr freuen würden“, sagte Melnyk im deutschen Fernsehen. Bei dem Besuch solle es darum gehen, wie Deutschland die ukrainische Armee mit „schweren Waffen“ im Kampf gegen Russland unterstützen kann.
Scholz sprach sich am Montag ebenfalls für weitere Waffenlieferungen aus. „Wir haben in der Vergangenheit die Ukraine mit Waffen ausgerüstet und ausgestattet in Bezug auf Panzerabwehrraketen, Luftabwehrraketen und Munition und vieles andere. Und wir werden die Ukraine auch weiter unterstützen“, betonte Scholz. Das tue man „in einer engen Zusammenarbeit“ und Absprache „mit all unseren Freunden“. Da werde „es keine Alleingänge“ geben, „sondern immer nur ein gemeinsames und sorgfältig abgewogenes Handeln“.
Das ist eine Warnung. Aktuell besteht das „gemeinsame Handeln“ von Nato und EU darin, die Ukraine regelrecht mit Waffen zu fluten und Putins reaktionären Einmarsch als Vorwand für einen umfassenden Krieg gegen Russland selbst zu nutzen. Die Gefahr eines mit Atomwaffen geführten dritten Weltkriegs steigt damit immens.
Die geplanten Waffenlieferungen geschähen „aus guter gesinnungsethischer Absicht“, aber seien potenziell ein „Weg in den dritten Weltkrieg“, warnte der militärpolitische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel, Brigadegeneral a.D. Erich Vad, gegenüber der dpa. Dabei gab er indirekt zu, dass die imperialistischen Mächte die hauptsächlichen Kriegstreiber sind. „Die Inkaufnahme tausender toter Zivilisten hatten wir im Irak, in Libyen, in Afghanistan genauso.“ Die sogenannten Kollateralschäden in der Ukraine seien bisher sogar weitaus geringer als im Irak oder in Afghanistan.