Griechische Regierung führt Campus-Polizei ein und attackiert Studierende

Die griechische Regierung unter der rechten Nea Dimokratia (ND) hat am Donnerstagabend trotz großer Proteste ihr autoritäres Hochschulgesetz verabschiedet.

Der Gesetzentwurf sieht eine spezielle Campus-Polizei für die Überwachung von Universitäten vor. Die Universitätspolizei ist befugt, den Campus zu „bewachen“ und darf jeden verhaften, der von den Behörden als Unruhestifter angesehen wird. Die Campus-Polizei untersteht der nationalen Polizei und nicht den Bildungseinrichtungen, in denen sie patrouilliert. Gemäß dem Gesetz wurde außerdem ein „Disziplinarrat“ eingerichtet, der Studierende suspendieren oder ausschließen kann.

Tausende Studenten und Dozenten in Athen protestieren gegen die Bildungsreform und trotzen dem Demonstrationsverbot wegen der Pandemie, 28. Januar 2021. (AP Photo/Thanassis Stavrakis)

Das neue Gesetz hebt das 1982 eingeführte Gesetz auf, das der Polizei das Betreten von Universitätsgeländen untersagt. Der Polizei war das Betreten des Campusgeländes nur mit der Genehmigung der Universitätsleitungen gestattet. Das Gesetz, das in Europa einmalig war, gewährleistete den Studierenden Schutz vor Verhaftung oder staatlicher Brutalität.

Das Hochschulgesetz begrenzt auch die Zeit, die Studierende immatrikuliert bleiben können, bevor sie einen Abschluss erhalten. Mehr als 77.000 Studierende wurden im vergangenen Jahr an den öffentlichen Universitäten in Griechenland zugelassen, wobei für das Grundstudium keine Studiengebühren erhoben wurden. Viele Studierende werden gezwungen sein, ihr Studium abzubrechen.

Die Regierung gewann die Abstimmung im 300 Sitze umfassenden Parlament mit einer Mehrheit von 166 Abgeordneten, 132 stimmten dagegen. ND erhielt die Unterstützung der zehn Abgeordneten der rechtsextremen Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung), die nach dem Verbot der faschistischen Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) aufgestiegen ist.

Die wichtigste Oppositionspartei Syriza (Koalition der radikalen Linken) stimmte dagegen, ebenso wie die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die Bewegung für den Wandel (KINAL) und MeRA25 (Europäische Realistische Ungehorsamsfront).

Das Gesetz von 1982 wurde als Reaktion auf die brutale Niederschlagung des Studentenaufstands an der Athener Polytechnio-Universität vom 17. November 1973 erlassen. Die Studierenden forderten den Sturz der Militärjunta unter der Führung von Giorgos Papadopoulos, die 1967 die Macht übernommen hatte und mit Unterstützung der USA herrschte. Mindestens 23 Studierende und Zivilisten wurden ermordet, darunter ein fünfjähriger Junge. An diesem Tag, dem dritten Tag der Proteste, begannen die Studierenden einen Streik unter dem Slogan „Brot, Bildung, Freiheit“. Die Junta schlug den Protest mit Panzern und Soldaten nieder, die durch die Tore der Universität stürmten und das Gemetzel durchführten.

Seit Wochen protestieren im ganzen Land Zehntausende Studierende und Lehrende gegen das Bildungsgesetz. Sie rufen „Brot, Bildung, Freiheit“ und verbinden so ihren Kampf mit dem gegen die Junta. Letzte Woche erreichten die Proteste einen Höhepunkt, als Tausende an Demonstrationen in Athen, der zweitgrößten Stadt Thessaloniki und anderen Städten und Ortschaften teilnahmen.

Studierende und Lehrkräfte erheben u.a. folgende Forderungen, die sich gegen die autoritären Maßnahmen und die Unterhöhlung des öffentlichen Bildungswesens richten: Rücknahme des Gesetzes; keine Universitätspolizei; die Wiedereröffnung der Fakultäten im Sommersemester; keine Studienbeschränkungen oder Exmatrikulation von Studierenden; kein Disziplinargesetz; keine strikteren Zugangsbeschränkungen der staatlichen Universitäten; keine Gleichstellung der Hochschulabschlüsse von privaten und staatlichen Universitäten; öffentliche, kostenlose Bildung für alle und Hände weg von den Studierendenverbänden.

Die Proteste wurden mit massiver Polizeigewalt beantwortet. Am Mittwoch griff die Polizei, darunter die motorisierten MAT-Einheiten, mit Tränengas und Schlagstöcken Studierende in Athen und Thessaloniki an. Berichte und Fotos zeigen, wie Polizisten auf dem Boden liegende Demonstranten zusammenschlagen. Als sich eine Demonstration von Studierenden in der Nähe der Propyläen seinem Ende näherte, setzte die Polizei ihre Angriffe fort, wobei Demonstranten schwer verletzt wurden. Gegenüber der Nachrichtenseite alfavita.gr, die sich auf Bildungsthemen spezialisiert, sagte der ehemalige Dekan des Athener Polytechnikums, Nikos Markatos: „Wir sahen, wie die Polizei mit ihren Motorrädern auf die Demonstranten zufuhr. Sie schlugen einem jungen Demonstranten mit einem Feuerlöscher auf den Kopf. Mein Sohn liegt mit einer gebrochenen Schulter im Krankenhaus des Roten Kreuzes und wird drei Wochen lang eine Schiene tragen müssen. Insgesamt wurden vier junge Menschen infolge der Polizeigewalt in das Rote-Kreuz-Krankenhaus gebracht.“

The Press Project berichtete, dass Markatos „auch eine erschreckende Anschuldigung“ erhob: Er schilderte, dass „ein Polizeibeamter einem Studiereden, der jetzt im Operationssaal liegt, den Kiefer gebrochen und die Zähne ausgeschlagen hat“.

Die Bereitschaftspolizei warf auch den Journalisten Giannis Liakos zu Boden. „Die übrigen Journalisten waren den Anfeindungen der Polizei ausgesetzt, während gleichzeitig Polizeibeamte versuchten, Fotojournalisten daran zu hindern, Aufnahmen von den Festgenommenen zu machen. Sie wollten verhindern, dass sie die Gewaltszenen – sogar die Gewalt gegen Personen, die am Boden liegen – dokumentieren.“

Am Mittwoch nahm die Polizei in Athen 52 Personen fest, am Donnerstagmorgen wurden 24 von ihnen angeklagt. Dutzende Studenten organisierten vor dem Gericht eine Solidaritätskundgebung, um die Inhaftierten zu unterstützen. The Press Project hat hier eine Auswahl von Videos veröffentlicht, die in sozialen Medien hochgeladen wurden und die Polizeigewalt zeigen.

Während des Polizeiaufmarschs wurde die Abgeordnete und stellvertretende Parlamentssprecherin von MeRA25, Sofia Sakorafa, vor der Generalpolizeidirektion Attikas angegriffen. Sakorafa war Teil einer Delegation von MeRA25-Abgeordneten und Hunderten weiteren Demonstrierenden, die gegen die Verhaftungen protestierten.

Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs verleumdete der ND-Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis die Studierenden, indem er die Universitäten als Horten der Kriminalität und Gewalt darstellte. „Nirgendwo auf der Welt sehen wir Bilder ... von Vandalismus an historischen Gebäuden, von Inventar, das geplündert wird“, sagte er. Mitsotakis behauptete, dass auf dem Campus Dozenten verprügelt, Frauen vergewaltigt werden und mit Drogen gehandelt wird.

Als Syriza an der Macht war, führte sie einen noch härteren Sparkurs als die ND und die sozialdemokratischen Regierungen vor ihr durch. Syriza setzte ihre Politik ebenso mit staatlicher Gewalt durch und war maßgeblich daran beteiligt, Griechenland als Grenzmacht der EU zu etablieren, um verzweifelte Flüchtlinge aus Kriegsgebieten fernzuhalten.

Der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras stimmte zwar im Parlament gegen das Bildungsgesetz, gab aber Mitsotakis’ Behauptungen Futter, die Universitäten seien ein Hort der Kriminalität. Er argumentierte, dass die Regierung bereits ausreichend über repressive staatliche Kräfte verfüge, um auf dem Campus vorzugehen, warum brauchten sie also noch mehr? „Wenn die Regierung der Meinung ist, dass die Universitäten tatsächlich Zentren der Kriminalität und Gesetzlosigkeit sind, dann braucht sie nur so viele Polizeibeamte zu schicken, wie nötig sind und so oft, wie es notwendig ist, um dort die Gesetzlosigkeit zu beenden.

Er fragte: „Warum hat [die Polizei] das Problem nicht gelöst? Und warum soll dies durch die Schaffung von Polizeieinheiten innerhalb der Universitäten gelöst werden?“

Fofi Gennimata, die Vorsitzende von KINAL, forderte stattdessen die Bewachung der Universitäten durch private Unternehmen. Zu KINAL gehören auch die Überreste der sozialdemokratischen PASOK, die nach ihrer Sparpolitik vernichtende Wahlniederlagen erlebt hatte.

Die Rückkehr der Polizei an die Universitäten ist Teil einer Reihe von diktatorischen Maßnahmen, die von der ND-Regierung seit ihrem Amtsantritt 2019 erlassen wurden.

Unter dem Vorwand der Pandemie hat der Chef der griechischen Polizei, Michalis Karamalakis, zwischen dem 15. und 18. November letzten Jahres – dem Zeitraum, in dem viele der Niederschlagung der Studentenproteste durch die Junta gedenken – einen gewaltigen Polizeieinsatz eingeleitet, der 5.000 Polizisten und gepanzerte Fahrzeuge umfasste. Er setzte ein Verbot sämtlicher öffentlicher Versammlungen von vier oder mehr Personen durch.

Im Januar legte die Regierung einen drakonischen Gesetzesentwurf vor, der Journalisten vorschreibt, bei Demonstrationen nur noch an einem „bestimmten Ort“ stehen zu dürfen. Die Maßnahme wird von allen Journalistenverbänden abgelehnt.

Im Juli letzten Jahres verabschiedete die ND mit Unterstützung von KINAL und Elliniki Lysi ein drakonisches Gesetz, das das Demonstrationsrecht massiv einschränkt. Wer Proteste organisieren will, muss nun jede geplante öffentliche Versammlung im Voraus „bei der zuständigen örtlichen Polizei- oder Hafenbehörde“ anmelden. Die Polizei oder die Behörden haben die Befugnis, Beschränkungen aufzuerlegen und sogar die Genehmigung für Proteste gänzlich zu verweigern, falls die öffentliche Sicherheit gefährdet ist oder „eine ernsthafte Gefahr besteht, dass das sozioökonomische Leben in einem bestimmten Gebiet beeinträchtigt wird“.

Ab 2008 wurde Griechenland auf Geheiß der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds und der internationalen Finanzinstitutionen als Testfall für die Durchsetzung brutaler Sparmaßnahmen in ganz Europa benutzt. Jetzt steht Griechenland wieder an der vordersten Front. Die herrschende Klasse verstärkt ihre Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und will sie mit diktatorischen Mitteln durchsetzen.

ND hat auch Maßnahmen gegen das Streikrecht durchgepeitscht, darunter die Forderung nach der Einführung einer elektronischen Stimmabgabe durch Organisationen, die zu einem Streik aufrufen. Zuvor hatte Arbeitsminister Giannis Vroutsis im Oktober letzten Jahres einen neuen Gesetzentwurf zum Arbeitsrecht angekündigt, der auf einem „flexiblen Acht-Stunden-Arbeitstag“ basiert. Damit soll Arbeitgebern erlaubt werden, den Arbeitstag von acht auf zehn Stunden zu erhöhen, ohne Überstunden zahlen zu müssen.

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