Generalstreik in Griechenland gegen die verheerende Corona-Politik

Die Stimmung in der internationalen Arbeiterklasse ist zum Zerreißen gespannt. Während am Donnerstag in ganz Indien Millionen Menschen gegen ihre Regierung demonstrierten, traten auch in Griechenland Zehntausende Arbeiter und Angestellte des Öffentlichen Diensts in einen landesweiten 24-stündigen Generalstreik.

Sie protestierten gegen die die verheerende Corona-Politik und forderten bessere Schutzmaßnahmen, die Beschlagnahmung privater Kliniken, massenhafte Festeinstellungen von Gesundheitspersonal und Gehaltserhöhungen. Mittlerweile haben die gesamten Infektionszahlen in Griechenland die Marke von 100.000 und die Zahl der Todesopfer 2.000 überschritten. Angesichts der überfüllten Intensivstationen in Nordgriechenland mussten erstmals Patienten per Sonderflug nach Athen transportiert werden.

Der Streik richtete sich außerdem gegen die autoritären Angriffe des Staats im Geist der Militärjunta, die mit Unterstützung der Nato von 1967 bis 1974 das Land brutal beherrschte. Die Demonstranten verlangen die sofortige Rücknahme des Entwurfs für ein neues Arbeitsgesetz, das die Aufhebung des Achtstundentags und drastische Einschränkungen des Streik- und Demonstrationsrechts vorsieht.

Während der Allgemeine Gewerkschaftsverband (GSEE) in der Pandemie aufs Engste mit der Regierung kollaboriert, hatten die Gewerkschaft des öffentlichen Diensts (ADEDY) sowie die Gewerkschaft der öffentlichen Krankenhäuser (POEDIN) zu dem Streik aufgerufen, um den brodelnden Widerstand in Schach zu halten. Neben Ärzten, Pflegekräften und öffentlichen Angestellten beteiligten sich auch Verkehrsarbeiter, Hafenarbeiter, Journalisten, Lehrer und Kulturschaffende an dem Ausstand. Häfen, U-Bahn und Elektrobahn in Athen standen still. Unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsvorkehrungen versammelten sich landesweit Streikende vor den Krankenhäusern.

In der Athener Innenstadt fanden kleine Kundgebungen vor dem Arbeitsministerium und dem Gesundheitsministerium statt. Ein Großaufgebot der Polizei war im Einsatz, um die Demonstranten einzuschüchtern.

Athener Künstler fuhren in einem Motorradprotestzug an den Krankenhäusern vorbei zum Gesundheitsministerium. „Überall Polizei – nirgendwo Intensivbetten“ und „Geld für Gesundheit, nicht für Aegean Airlines“ stand auf ihren Plakaten. Mit diesen Losungen prangerten sie die Klassenpolitik der Regierung an, die Millionen in Staatsaufrüstung und Großkonzerne steckt, während das öffentliche Gesundheitssystem zerfällt.

Die Fluglotsen wollten ebenfalls die Arbeit niederlegen, wurden aber kurz vor Streikbeginn durch einen Gerichtsbeschluss daran gehindert. Das Ministerium für Infrastruktur und Verkehr hatte gegen den Streik in der Luftfahrtbranche Berufung eingelegt und Recht bekommen. Die Fluggesellschaften rieben sich die Hände und verkündeten normalen Flugbetrieb.

Bereits in den letzten Wochen und Monaten waren Arbeiter, Studierende und Jugendliche gegen die Regierung unter der rechtskonservativen Nea Dimokratia (ND) auf die Straße gegangen. Anfang April, zu Beginn der Pandemie, protestierten landesweit Ärzte und Krankenschwestern. Im Sommer demonstrierten Tausende gegen die geplante Einschränkung des Demonstrationsrechts. Im September und Oktober besetzten Tausende Schüler über 700 Schulen und forderten Rieseninvestitionen ins Bildungswesen statt ins Militär.

Mitte November organisierten erneut Krankenhausangestellte Protestaktionen im Rahmen eines „Nationalen Aktionstags für die Gesundheit“. Studierende der Aristoteles Universität in Thessaloniki besetzten das Büro ihres Rektors, um auf die gefährlichen Zustände in ihren Studentenwohnheimen aufmerksam zu machen. Sie forderten Massentests, bessere Reinigung und Sicherheitsmaßnahmen gegen Covid-19. Das Gesundheitsministerium ignorierte die Forderungen und schickte stattdessen die Polizei, um die Proteste zu unterdrücken.

Die wachsenden Streiks und Proteste der griechischen Arbeiterklasse und Jugend werfen grundlegende politische Fragen auf. Kaum ein Land hat so viele Generalstreiks erlebt wie Griechenland. Immer wenn der Druck im Kessel zu groß wird und sich der Zorn der Beschäftigten unkontrolliert Bahn zu brechen droht, greifen die Gewerkschaften zum Mittel des Generalstreiks und sorgen dafür, dass der Widerstand in einer Sackgasse endet. Sie verhindern gezielt eine europaweite und internationale Vereinigung der Kämpfe, obwohl gerade die Pandemie eine weltweite Antwort der Arbeiterklasse zwingend notwendig macht.

Der Generalstreik umfasste lediglich den Öffentlichen Dienst und wurde von den Organisatoren auf einen rein nationalen Rahmen beschränkt. In den Aufrufen der Gewerkschaften und mit ihnen verbandelten pseudolinken Organisationen wie die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und das Antarsya-Bündnis findet sich weder ein Verweis auf die internationale Lage noch ein Appell an die europäische Arbeiterklasse oder eine Forderung zur Schließung der gesamten nicht systemrelevanten Produktion bei vollem Lohnausgleich, um alle Arbeiter vor dem Virus zu schützen. Sie artikulieren nicht die Interessen der Arbeiter, sondern sprechen für wohlhabende Mittelschichten, die eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse fürchten wie der Teufel das Weihwasser.

Es ist bezeichnend, dass Syriza, die größte pseudolinke Organisation in Griechenland und nominelle Oppositionsführerin, den Generalstreik faktisch ausgeblendet hat. Man findet keinen offiziellen Streikaufruf, geschweige denn ein Statement des Parteivorsitzenden Alexis Tsipras auf Twitter oder YouTube. Tsipras eilt in diesen Tagen zwar von einem Krankenhaus zum nächsten, um sich mit Ärzten und Pflegern fotografieren zu lassen und Unterstützung zu heucheln. Doch die griechischen Arbeiter wissen nur zu gut, was diese verlogenen Statements und leeren Floskeln bedeuten. Sie haben es am eigenen Leib erfahren, als Syriza in der Regierung mit Tsipras als Premierminister vier Jahre das Spardiktat der Troika umsetzte und massive Kürzungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales vornahm.

Nun agiert die pseudolinke Partei im Wesentlichen als loyale Parlamentsopposition. Am Donnerstag, dem Tag des Generalstreiks, saß Syriza-Vertreter Giorgos Katrougalos mit Außenminister Nikos Dendias zusammen, der ihn über die neue strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Arabischen Emiraten informierte. Katrougalos, der selbst 2019 Außenminister war und 2015 als Arbeitsminister drastische Renteneinschnitte umsetzte, begrüßte die Zusammenarbeit mit den Emiraten. Wenn er die Regierung kritisierte, dann von rechts. Es fehle eine außenpolitische „Strategie“ und brauche „klare rote Linien“ gegen das Nachbarland Türkei, so der Syriza-Politiker. Über die Notwendigkeit einer aggressiveren imperialistischen Politik, die selbstverständlich milliardenschwere Rüstungsausgaben erfordert, sind sich beide Seiten einig.

Auch innenpolitisch stimmen Syriza und die Gewerkschaften im Kern mit dem Kurs der Regierung überein und spielen eine Schlüsselrolle dabei, die tödliche Durchseuchungspolitik gegen den enormen Widerstand durchzusetzen.

Obwohl die Pandemiesituation in Griechenland gerade auf Messers Schneide steht, will die Regierung den Lockdown am 7. Dezember wieder schrittweise aufheben. Premierminister Kyriakos Mitsotakis und Bildungsministerin Niki Kerameos erklärten, dass man als erstes die Schulen wieder öffnen werde. Kerameos behauptete in einem Interview mit RealNews erneut, Kinder seien vom Virus selten betroffen. Man habe die Grundschulen nur geschlossen, um die Begegnungen und den Verkehr der Eltern zu beschränken.

Die Kinder sollen mitten im Winter trotz explodierender Coronazahlen wieder in die Klassenzimmer gesperrt werden, damit ihre Eltern dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Gleichzeitig hat die Regierung kaum Geld ausgegeben, um den Fernunterricht für alle Schüler technisch und finanziell reibungslos zu ermöglichen.

Eine gefährliche Wiedereröffnung der Schulen wird auch von der Lehrergewerkschaft OLME unterstützt, die sie lediglich mit Sicherheitsvorkehrungen verknüpfen will. OLME fordert in ihrem Streikaufruf mehr Bildungsausgaben und die „notwendigen Maßnahmen für den Betrieb offener Schulen unter sicheren Gesundheitsbedingungen“. Die Gewerkschafterin P. Saraidari kritisierte auf der Demonstration zwar, dass die Regierung keine Massentests und Personalaufstockung durchführt, erklärte aber: „Wir glauben, dass die Schulen offen sein müssen, mit Schutzmaßnahmen.“

Syriza nutzt das höhnische Argument des Kindeswohls, um für offene „sichere“ Schulen zu werben und bemängelt, dass die Regierung „keinen Plan“ für die Bildung habe. „Die Schulschließung zeigt den Bankrott des Bildungsministeriums“, schrieb Syrizas Parlamentsgruppe für Bildung Anfang November in einem Statement. Wegen der „sozialen Diskriminierung“ in der Pandemie „müssen wir alle versuchen, Kinder nicht vom pädagogischen und sozialen Umfeld der Schule zu entfremden und die Schüler unter sicheren und pädagogischen Bedingungen zum Präsenzunterricht zurückzubringen“. Von „sozialer Diskriminierung“ spricht die Partei, die mit ihrer Sparpolitik das „Kindeswohl“ mit Füßen trat und einer ganzen Generation von Jugendlichen die Zukunft gestohlen hat.

Die zweite Corona-Welle trifft auf eine Gesellschaft, die in den letzten zehn Jahren durch die Spardiktate der EU regelrecht zerstört wurde. Während sich Griechenlands Oligarchen auf ihre Yachten und Luxusvillen zurückziehen und über ihre steigenden Aktienkurse freuen, sind die meisten Familien der Pandemie schutzlos ausgeliefert. Tod, Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, Armutsrenten, Perspektivlosigkeit – das ist die trostlose Realität, die Massen von Menschen immer wieder auf die Barrikaden treibt.

Doch ein wirklicher Kampf für soziale Gleichheit und die Eindämmung der Pandemie erfordert, dass griechische Arbeiter und Jugendliche den Rahmen der abgehalfterten Gewerkschaftspolitik sprengen und eigene Aktions- und Sicherheitskomitees gründen, die von allen bürgerlichen und pseudolinken Organisationen unabhängig sind und sich über nationale Grenzen hinweg zusammenschließen. Sie brauchen ein sozialistisches Programm, um mit der verbrecherischen Corona-Politik weltweit abzurechnen. Großkonzerne und Banken müssen enteignet, die kapitalistischen Regierungen gestürzt und der Kampf für eine Gesellschaft aufgenommen werden, die Gesundheit und Leben vor die Profite der Oligarchen stellt.

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