Im ersten Quartal 2017 hat die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung schon mehr Menschen abgeschoben, als die SPD-CDU-Koalition im Vorjahreszeitraum.
Eine kleine Anfrage der CDU-Opposition im Senat ergab, dass Berlin zwischen Januar und März 712 Flüchtlinge abgeschoben hat. Das sind 191 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auf die Frage, inwieweit das Land Berlin den Forderungen der Bundesregierung nach mehr Abschiebungen nachkomme, antwortete die SPD-geführte Innenverwaltung: „Die Zahl der Abschiebungen wurde bereits kontinuierlich erhöht.“
Die im Koalitionsvertrag von SPD, Linkspartei und Grünen vereinbarte Konzentration auf „freiwillige Rückkehr“ statt Abschiebung diente von Anfang an nicht dem Schutz von Flüchtlingen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellte in den Medien klar, dass es auch in das Kriegsland Afghanistan keinen Abschiebestopp geben werde. Als Vorwand dient das rechtlich fragwürdige Argument von „Gefährdern“ der Sicherheit.
Dies zeigt ein aktueller Vorfall, bei dem fünf junge Afghanen in der U-Bahn randaliert und den Sturz einer Frau vom Fahrrad verursacht haben sollen. Die Medien und
die SPD-geführte Innenverwaltung griffen dies sofort auf und sprachen von einer „brutalen Tat“ einer Gruppe junger afghanischer Männer, die eine Frau mit Tritten „attackiert und verletzt“ hätten. Dagegen berichtete die zwar geschockte, aber nur leicht verletzte Radlerin im rbb-Radio, einer der Männer habe getreten, doch seien „die anderen aus der Gruppe geblieben“, hätten „geschaut, ob ich verletzt bin“, das Fahrrad aufgehoben und es ihr wieder hingestellt.
Dennoch drohte der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen: „Würden die Männer verurteilt, dann würden wir auch nach Afghanistan abschieben.“ Der Flüchtlingsrat Berlin bezeichnete dies als „Doppelstrafe“. „Erst die Strafe nach dem deutschen Strafgesetzbuch, und als zweite, viel schlimmere Strafe die Abschiebung in ein Kriegsgebiet, wo akut Gefahr für Leib und Leben droht, in ein Land voller Gewalt, Willkür, Hunger und Tod?“
Erst kürzlich verwies ein Bericht der UNAMA (UN Assistance Mission in Afghanistan) auf die hohe Zahl der Kriegsopfer in Afghanistan im 1. Quartal 2017, darunter immer mehr Frauen und Kinder. 735 Mädchen und Jungen starben oder wurden verletzt, drei Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Von Januar 2017 bis zum 20. April 2017 mussten 76.640 Menschen aufgrund der Gefahren aus Afghanistan flüchten. 27 von 34 Provinzen schätzt der Bericht als gefährlich ein.
Völlig ungebremst schiebt Rot-Rot-Grün Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern ab, vor allem aus Ländern des Balkans. Besonders betroffen sind Flüchtlinge aus der früheren Sowjetrepublik Moldawien (Moldau), darunter viele Angehörige der verfolgten Minderheit der Roma.
Canan Bayram, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, hat dies lauttaz damit begründet, dass Berlin eine „Sonderzuständigkeit“ für diese Flüchtlingsgruppe habe. Bundesweit untergebrachte Moldawier werden in Sammelabschiebungen von Berlin aus deportiert.
Bayram fügte hinzu: „Ich finde jede Abschiebung falsch, aber es ist im Fall von Moldau schwierig, auf Landesebene eine Lösung zu finden, weil Berlin hier nicht – wie im Fall von Afghanistan – die Sicherheitslage grundsätzlich anders bewertet als der Bund.“
Für die Umsetzung der Bundespolitik hält die für die Flüchtlingsunterkünfte verantwortliche Sozialsenatorin der Linken, Elke Breitenbach, eine marode Turnhalle in Berlin-Friedrichsfelde bereit. Sie war schon 2015 als „Sammelstelle für Menschen mit geringer Bleibeperspektive“ vom damaligen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) eingerichtet worden.
Breitenbach hat sich vor kurzem damit gerühmt, im ersten Quartal des Jahres sämtliche Notunterkünfte in Turnhallen „freigezogen“ zu haben. Doch noch immer hausen in der alten Turnhalle in Friedrichsfelde auf engstem Raum rund achtzig Menschen, darunter viele Kinder.
Auf einen Protest des Flüchtlingsrats Berlin antwortete Senatorin Breitenbach auf Facebook ungerührt: „Wir haben erst die Turnhallen geräumt, die für den Sport genutzt werden.“ Die Sozialverwaltung argumentiert, die Turnhalle in Friedrichsfelde sei für den Sport nicht tauglich, sie müsse erst saniert werden. Gegen die Massenunterbringung von Flüchtlingen, die zur Abschiebung bestimmt sind, in einer sanierungsbedürftigen Turnhalle, hat die linke Sozialsenatorin jedoch keine Bedenken.
Die Verlogenheit der Linkspartei in der Flüchtlingspolitik wurde Ende April besonders deutlich, als die Sozialsenatsverwaltung versuchte, die Helferinitiative „Moabit hilft“ e. V. aus ihrer Anlaufstelle auf dem alten Lageso-Gelände zu vertreiben. Sie schickte eine Räumungsaufforderung für das Haus D, in dem Tausende Flüchtlinge seit 2015 Hilfe und Rat von ehrenamtlichen Helfern erhalten haben, und das zum Symbol für die große Solidarität der Bevölkerung geworden ist.
Nach Protesten in der Öffentlichkeit erklärte sich letzten Freitag die Sozialverwaltung schließlich zu einer vorläufigen Galgenfrist bis Ende 2017 bereit. „Moabit hilft“ erhält einen Mietvertrag für das Haus; aber welche Mietkosten damit verbunden sein könnten, sei noch nicht verhandelt, sagte Christiane Beckmann von „Moabit hilft“ der WSWS. Wie es ab 2018 weitergehen wird, ist nicht klar.
Der Unmut über die rot-rot-grüne Flüchtlingspolitik wird immer lauter. In einem „Offenen Brief“ haben am 2. Mai Berliner Flüchtlingsinitiativen die immer noch katastrophalen Bedingungen für Flüchtlinge angeklagt. Ihr Katalog von sechzehn Forderungen ist ein vernichtendes Urteil über die Senatspolitik.
So erhalten Flüchtlinge monatelang keinen Aufenthaltstitel durch die Behörde, auch wenn sie anerkannt wurden; sie müssen weiterhin in Notunterkünften hausen, werden vollverpflegt durch angeliefertes Plastikessen, erhalten gekürzte ALG-II-Bezüge, und man verweigert ihnen einen Wohnberechtigungsschein. Minderjährige erhalten keine Duldung, es ist nicht genug Platz in betreuten Wohngemeinschaften, sie werden nicht in Regelklassen der Schulen integriert. Die Notunterkünfte sind unzureichend ausgestattet, und es gibt immer wieder „Gewalt durch Security und Personal“ sowie Hausverbote für junge Flüchtlinge wegen kleinster Regelverstöße.
Die Initiativen fordern den „Freizug von Notunterkünften“, „keine Container auf dem Tempelhofer Feld“ und mehr Unterbringung in Wohnungen. In Berlin leben immer noch 13.400 Flüchtlinge in Massenunterkünften, manche von ihnen schon über ein Jahr. Die neugebauten, laut Linkspartei angeblich besseren Unterkünfte, wie die Tempohomes genannten Containersiedlungen oder die Modularen Unterkünfte (MuFs), bieten keine Erleichterung.
Neulich wurde einer siebenköpfigen Familie, die sich in eine solche MuF-Wohnung mit 46 Quadratmetern quetschen musste, eine Vier-Raum-Wohnung mit der abstrusen Begründung verweigert, diese entspreche nicht ihrem Anspruch auf eine Fünf-Raum-Wohnung.
Abschließend verlangen die Helferorganisationen ein „klares Bekenntnis der Berliner Politik zu einem Abschiebestopp nach Afghanistan“, „keine Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte“, sowie eine „Gesprächskultur des Senats mit Freiwilligeninitiativen auf Augenhöhe“.
Zum letzten Punkt klagte die Sprecherin von „Moabit hilft“ Diana Henniges im Online-Magazin Luxemburg.de: „Im Koalitionsvertrag wurde ein ‚Bürgerdialog‘ versprochen, ein Austausch … Aber die traurige Wahrheit ist: Da ist gar nichts passiert.“
Im Vergleich mit dem früheren SPD-CDU-Senat sei es sogar schwieriger geworden, „miteinander zu reden und Informationen zu bekommen“. Früher habe es Treffen in der Landeskonferenz für Flüchtlingsfragen, der Betreiberkonferenz und weiteren Gremien gegeben. „Das gibt’s alles nicht mehr.“ Ihnen werde stattdessen das Gefühl vermittelt: „Wir lösen das schon für euch, vertraut uns, wir hier oben machen das schon.“. Zudem säßen in der Verwaltung die „gleichen Leute, … mit denen wir uns vor zwei Jahren bis aufs Blut gefetzt haben.“
Die Warnungen der WSWS während und nach dem Berliner Wahlkampf bestätigen sich immer deutlicher: Die erneute Regierungsbeteiligung der Linken im Berliner Senat bedeutet keine sozialere oder humanere Politik im Interesse der Bevölkerung. Die spezielle Rolle der Linken in der Regierung besteht darin, eine rechte, prokapitalistische Politik in allen Bereichen mit linken, hohlen Phrasen zu verbrämen und nicht nur gegen Flüchtlinge und ihre Helfer, sondern gegen alle Arbeiter, Arbeitslosen und Armen durchzusetzen.