Wie die Spartengewerkschaft Ufo am Freitag bekanntgab, hat sie sich im Tarifkampf für 19.000 Flugbegleiter mit Lufthansa geeinigt und einem Schlichterspruch des ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) zugestimmt. Die Medien jubeln, damit sei zur Hauptreisezeit die Gefahr neuer Streiks im Flugverkehr gebannt.
Der Abschluss ist eine Kampfansage an die Flugbegleiter und alle Beschäftigten im Flugverkehr: Ufo fällt ihnen in einem entscheidenden Moment in den Rücken. Der Lufthansa-Vorstand ist seit Wochen dabei, die Rechte und Errungenschaften von Piloten, Kabinenpersonal, Fluglotsen und Bodenbeschäftigten massiv anzugreifen.
Der Inhalt des Schlichterspruchs, über den seit Januar unter strikter Geheimhaltung verhandelt wird, soll erst am Dienstagnachmittag bekannt gegeben werden. Bis dahin, schreibt die Ufo-Führung um Nicolas Baublies in ihrer Pressemeldung, gelte das Motto „Schlichten und Schweigen“.
Matthias Platzeck hatte im letzten Jahr schon im Lokführerstreik geschlichtet und dabei durchgesetzt, dass die Spartengewerkschaft GdL ein fünfjähriges Stillhalteabkommen bis 2020 unterzeichnete.
Es besteht die akute Gefahr, dass Ufo hinter der Fassade einiger vordergründiger Erfolge ähnlich weitreichende Zugeständnisse macht. „Wie Ihr wisst, wurden mehr als zwanzig verschiedene Themen … bearbeitet und verhandelt“, schreibt die Ufo-Führung ihren Mitgliedern, die in einer Urabstimmung über den Schlichterspruch entscheiden müssen.
In Wirklichkeit hatte Ufo schon im Januar einem Gesamtrahmen für die Verhandlungen zugestimmt, der eine Regelung über die Alterssicherung voraussetzt. Konkret hat Ufo damit das wichtigste Thema preisgegeben, wofür die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter vehement gestreikt hatten: die Übergangsrenten. Ufo hat zugestimmt, dass künftig die Beschäftigten und nicht der Konzern das Risiko von Zinsschwankungen bei der Alterssicherung zu tragen haben.
Dieser Punkt ist dem Lufthansa-Konzern wegen der niedrigen Zinsen besonders wichtig. Seit der Finanzkrise lohnt es sich nicht mehr, ältere Crew-Mitglieder wie früher mit 55 Jahren in die Übergangsrente zu schicken und dafür geringer bezahltes, junges Personal einzustellen.
Für das fliegende Personal wirken sich solche Änderungen verheerend aus, denn die gesicherte Betriebsrente ist für sie eine unverzichtbare Errungenschaft. Wie die Piloten sind auch die Flugbegleiter nur in den seltensten Fällen in der Lage, den mit den Flügen verbundenen Dauerstress bis zum gesetzlichen Rentenalter durchzuhalten. Einen Job am Boden bietet Lufthansa ihnen nicht an.
Für das Bodenpersonal hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schon am 1. Dezember 2015 entscheidende Zugeständnisse in dieser Richtung gemacht. So sollen die Neueingestellten nur noch feste Rentenzusätze, aber keine garantierten Renten mehr bekommen. Auch die bisherigen Beschäftigten werden mit einem Eigenbetrag an ihrer Betriebsrente beteiligt. Gleichzeitig hat Verdi zugesagt, bis Ende 2017 auf Streiks zu verzichten.
Der Lufthansa-Vorstand greift das Bodenpersonal seit Wochen massiv an. Im Dezember gab Vorstandschefs Carsten Spohr das Ziel vor, bis Ende 2018 jährlich eine halbe Milliarde Euro einzusparen. Seither fährt das Management einen Kurs von Ausgliederungen, Lohndumping und Stellenabbau.
Bei der Fracht-Airline Lufthansa Cargo will der Konzern bis zu 800 Vollzeitstellen streichen. Wie Peter Gerber, Vorstandschef der Lufthansa Cargo, am 10. Juni mitteilte, sollen die Personal- und Dienstleisterkosten allein im Cargo-Bereich um jährlich achtzig Millionen Euro reduziert werden.
Auch bei Lufthansa-Technik wird der Rotstift angesetzt. In Hamburg sind Mitarbeiter von Lufthansa-Technik mit Stellenabbau und drastischen Lohneinbußen konfrontiert. Außerdem will Lufthansa bei der Catering-Tochter LSG Sky Chefs bis zu 2400 Stellen abbauen und die Zahl der Standorte in Europa von 23 auf sieben reduzieren.
Am 13. Mai kündigte der Lufthansa-Vorstand einseitig den jahrzehntelang gültigen “Tarifvertrag Schutz“ für das Bodenpersonal. Er hatte bisher sichergestellt, dass langjährige Mitarbeiter bei Ausgliederungen gleichwertige Ersatzarbeitsplätze erhielten.
Allein die Tatsache, dass sich Ufo in einer angespannten Situation mit dem Vorstand einigt, in der tausende Lufthansa-Beschäftigte – gar nicht zu reden von den Beschäftigten der Zulieferer – mit Stellenabbau, Ausgliederung und Lohnsenkung konfrontiert sind, wirft ein grelles Licht auf die Rolle der Spartengewerkschaft.
Viele Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter waren in den letzten Jahren der Spartengewerkschaft Ufo beigetreten, weil sie das Vertrauen in die DGB-Gewerkschaft Verdi vollkommen verloren hatten. Verdi fährt seit Jahren einen Kuschelkurs mit dem Vorstand und arbeitet beim Konzernumbau eng mit dem Management zusammen. Wie sich zeigt, unterscheidet sich auch Ufo nicht davon.
Schon vor einem halben Jahr hat Ufo am „Lufthansa-Jobgipfel“ teilgenommen, der das Ziel verfolgte, alle am Flughafen aktiven Gewerkschaften in den Konzernumbau mit einzubeziehen. Mitorganisatorin war Christine Behle, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Lufthansa.
Der Verdi-Bundesvorstand unterstützt ausdrücklich nicht die Interessen der internationalen Arbeiterklasse, sondern die der deutschen Luftfahrtkonzerne, die er gegen ihre globalen Rivalen verteidigt. In einer Presseerklärung der Betriebsräte der deutschen Verkehrsflughäfen formulierten die Verdi-Funktionäre im April, das wichtigste Ziel sei die „Stärkung des Luftverkehrsstandorts Deutschland und der Erhalt seiner Wettbewerbsfähigkeit“.
Auch die Gewerkschaft Ufo teilt diese Perspektive. Als Gastgeschenk beendete Ufo bei ihrer Teilnahme am „Jobgipfel“ vom vergangenen Dezember den Streik der Kabinenbeschäftigten. Der Streik vom November 2015 gilt als härtester Arbeitskampf der Lufthansa-Geschichte. Die Flugbegleiter streikten sechs Tage in Folge und verhinderten fast fünftausend Flüge. Seither haben die Flughafen-Gewerkschaften Verdi, Ufo und auch die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) den Arbeitskampf komplett auf Eis gelegt.
Offen sind zurzeit noch die Tarifverhandlungen zwischen Lufthansa und der Vereinigung Cockpit (VC). Diese Verhandlungen laufen schon seit über zwei Jahren, und die Piloten haben die Arbeit schon dreizehn Mal niedergelegt.
Piloten und Flugbegleiter sind damit konfrontiert, dass der Lufthansa-Konzern seine Billigtochter Eurowings Europe GmbH ausbaut. Für die in Österreich angesiedelte Eurowings gilt kein deutsches Tarifrecht, und infolgedessen ist das Personal bei Eurowings wesentlich schlechter gestellt als im Mutterkonzern. Lufthansa stockt das Eurowings-Personal systematisch auf und will dort innerhalb von zwei Jahren 600 neue Flugbegleiter und Piloten einstellen. Mit Eurowings will Lufthansa dem irischen Billig-Rivalen Ryanair „auf Augenhöhe begegnen“, wie Eurowing-Chef Karl Ulrich Garnadt erklärte.
Auch bei den Piloten geht es um Fragen der Betriebsrente, der Gehälter und der Arbeitsplatzsicherheit. Doch auch die Vereinigung Cockpit unterstützt den nationalistischen und profitorientierten Kurs der übrigen Gewerkschaften. Vor einem Jahr, im Juli 2015, erklärte die VC ihre Loyalität für das „Bündnis für Wachstum und Beschäftigung“ und willigte im Voraus ein, herbe Einschnitte bei Gehältern und Betriebsrenten der Piloten hinzunehmen. Auch akzeptierte sie im Prinzip die Schlechterstellung der Eurowings-Piloten.
Laut dem Nachrichtenportal für den Flugbetrieb, airliners.de, ist auch zwischen Lufthansa und VC eine Einigung bis zum 31. Juli zu erwarten. Das Portal zitiert ein Mitglied der VC-Tarifkommission mit den Worten: „Wenn Sie nichts von uns hören, ist dies ein gutes Zeichen.“
Die Einigung der Gewerkschaften mit dem Lufthansa-Konzern macht eins deutlich: In dem Kampf, der sich momentan europaweit zwischen Arbeitern und Konzernen und Regierungen entwickelt, stehen die Gewerkschaften, einschließlich der Spartengewerkschaften, nicht auf der Seite der Arbeiterklasse.