Am letzten Tag des Ufo-Streiks bei der Deutschen Lufthansa AG wurden in Frankfurt, Düsseldorf und München noch einmal 941 Flugverbindungen gestrichen. Im Ganzen hatte der Streik in sechs Tagen über 4700 Flüge verhindert. Am Freitag fand in Frankfurt eine zentrale Demonstration und Kundgebung statt.
Dabei kam ein scharfer Gegensatz zum Ausdruck: Die etwa zweitausend Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter, die über die Rhein Main Air Base zur Lufthansa-Zentrale demonstrierten, ließen keinen Zweifel daran, dass sie um ihre Arbeitsbedingungen und sozialen Rechte kämpfen wollen. Auch Piloten und Mitglieder des Bodenpersonals waren mit dabei und sogar Angehörige anderer Fluglinien beteiligten sich an der Aktion. Das zeigte, dass der Streik an Unterstützung gewonnen hatte.
Die Ufo-Führung um Nicoley Baublies erklärte auf der Kundgebung hingegen, dass der bisher längste Streik in der Lufthansa-Geschichte mit der Demonstration beendet sei. Der Konzern hatte keinerlei Zugeständnisse gemacht und war mehrfach gerichtlich gegen den Streik vorgegangen. Ihren Aktionären und Investoren hatte die Lufthansa versichert, dass der Novemberstreik 2015 dank der günstigen Entwicklung des Ölpreises keine Auswirkungen auf das Jahresergebnis haben werde.
Die Spartengewerkschaft Ufo hatte schon vor drei Jahren einen flächendeckenden Streik abgebrochen und einen faulen Kompromiss ausgehandelt. Im Vertrag vom November 2012 hatte sie akzeptiert, dass die Arbeitsbedingungen durch flexiblere Arbeitszeiten und eine neue Tarifstruktur verschlechtert und Billigtöchter wie Germanwings und Eurowings ausgebaut werden.
Dieses Jahr hat der Lufthansa-Konzern beschlossen, den nächsten Schritt zu gehen und die Bedingungen des Luft- und Bodenpersonals im Mutterkonzern denjenigen der Tochtergesellschaften Germanwings und Eurowings stärker anzupassen. Besonders die Errungenschaften im Bereich der Altersversorgung für die 19.000 Stewardessen und Stewards sind dem Unternehmen seit langem ein Dorn im Auge. Sie sollen in einem ersten Schritt gekürzt und stärker vom Kapitalmarkt abhängig gemacht werden.
„Die Firma fährt eine Politik, wo auf lange Sicht auch die 65-Jährigen und sogar 67-Jährige noch in der Kabine stehen sollen“, sagte Christen, ein jüngerer Flugbegleiter, der World Socialist Web Site. „Weil das aber in den meisten Fällen praktisch gar nicht geht, läuft das Ganze auf eine Rentenkürzung durch die Hintertür hinaus.“
Auch zahlreiche selbstgemalte Plakate wiesen auf die Angriffe auf die Übergangsversorgung hin: „Lufthansa: Ich gab dir meine Jugend – du nimmst mir meine Rente“, „67-Jährige evakuiert Flieger“ oder: „Für Sicherheit gesorgt – Gesundheit riskiert – Altersarmut kassiert“.
Andere Plakate trugen Texte wie: „Ich will keine Zitrone sein“, „Hedgefonds rule the world … Blackrock rules Lufthansa“, „Die Tribute von Kranich“, „Nonstop Ausbeutung“ oder „United we stand, divided we fall“ und vieles andere mehr, was den Kampfgeist vieler Arbeiter zum Ausdruck brachte.
Ein Steward sagte der WSWS: „Wir sollten wirklich alle zusammen kämpfen. Hoffentlich ist es dazu nicht zu spät. Wenn man nach Amerika schaut: dort sind die Angriffe schon durchgesetzt worden. Lufthansa will jetzt nachziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben, und wir müssen dafür bluten.“
Der Ufo-Vorsitzende Nicoley Baublies machte auf der Kundgebung klar, dass er in diesem Prozess auf der Seite der Aktionäre steht. Er wandte sich an den Vorstand und versicherte ihm seine Bereitschaft, am Konzern-Umbau mitzuarbeiten.
„Wir haben nichts dagegen, dass der Lufthansa-Vorstand Bilanz macht, wie er weiter am Markt bleiben kann“, sagte Baublies. Seine Gewerkschaft Ufo sei „bereit, gemeinsam Lösungen zu suchen, auch im Billigsegment. Wir haben überhaupt nichts gegen eine Eurowings einzuwenden, die gegen Ryanair, Easyjet und Emirate antritt. Wir haben nichts dagegen, wie haben selbst Beiträge dazu vorgelegt.“
In der Tat hatte Ufo zuvor eigene Vorschläge zur Altersversorgung gemacht, die dem Konzern jedes Jahr mehr als siebzig Millionen Euro an Einsparungen einbringen würden. In einer Ufo-Publikation ist sogar von „ca. 130 Millionen pro Jahr“ die Rede.
Die Ufo-Führung kämpft nicht darum, die Stellung der Arbeiter und Angestellten gegen die Angriffe des Konzerns zu stärken, sondern dient sich dem Vorstand als Co-Manager an. Am Ende werden sie sämtliche Kürzungen gegen die Belegschaft mittragen.
Baublies erklärte auf der Kundgebung: „Vieles, was dieser Vorstand, was Carsten Spohr angepackt hat, ist durchaus richtig. Er hat eigentlich super Ideen… Auch der Umbau ist richtig: zu sagen, wir brauchen neue Ideen, wir müssen gegen subventionierte Airlines bestehen, gegen Airlines, die Standards unterlaufen, auch das ist richtig. Das haben alle Gewerkschaften mitgetragen. Wir haben gemeinsam dafür gekämpft, dass dieses Unternehmen nach vorne kommt.“ Ändern müsse sich nur, dass der Konzern „die Mitarbeiter“ (gemeint sind die Gewerkschaftsfunktionäre) „einbezieht und auf sie hört“.
Schließlich erklärte Baublies: „Dieser Streik ist jetzt zu Ende, darauf müssen sich alle einstellen.“
Im Anschluss kam in mehreren Gesprächen zum Ausdruck, dass die bankrotte Perspektive der Gewerkschaftsführung zu Beunruhigung und Diskussionen in der Belegschaft führt. In einer Diskussion darüber, ob die große Demonstration nicht auch Auftakt zu einem Ausverkauf sein könnte, sagte eine ältere Flugbegleiterin: „Das kann schon sein. Man weiß nie vorher, was sie hinter den Kulissen alles ausmauscheln.“
Ein Steward, der schon über zwanzig Jahre dabei ist, las einen der WSWS-Artikel, die auf der Kundgebung verteilt wurden und sagte: „Da ist was dran, es könnte auf einen faulen Kompromiss hinauslaufen. Es wäre auf jeden Fall besser, wir würden als Arbeitnehmer weniger mit dem Vorstand und mehr mit den Kollegen in den andern Airlines zusammenarbeiten.“
Viele Flugbegleiter und auch Arbeiter des Bodenpersonals, die aus Solidarität mit dem Streik gekommen waren, diskutierten lebhaft darüber, wie Arbeiter über die Grenzen der unmittelbaren Beschäftigungsbereiche, der einzelnen Airlines oder auch über nationale Grenzen hinweg gemeinsam kämpfen können.