Vor dem „Jobgipfel“: Verdi einigt sich mit Lufthansa

Am heutigen Mittwoch findet der angekündigte „Jobgipfel“ der Lufthansa statt. Hinter verschlossen Türen wollen der Lufthansa-Vorstand und die Gewerkschaften Verdi, Ufo und Vereinigung Cockpit (VC) die Umstrukturierung des Konzerns diskutieren. Bis Ende 2018 soll die neue Struktur nach dem Plan des Vorstandschefs Carsten Spohr jährlich eine halbe Milliarde Euro einsparen.

Der Konzernumbau wird auf Kosten der Piloten, Stewardessen und Bodenbeschäftigten gehen: Sie werden dafür herbe Einschnitte bei wichtigen Errungenschaften, vor allem bei der betrieblichen Altersversorgung, hinnehmen müssen. Die Gewerkschaftsfunktionäre übernehmen die Aufgabe, über ihre Belegschafts-Netzwerke den sozialen Widerstand unter Kontrolle zu halten – Verdi für das Bodenpersonal, Ufo für die Flugbegleiter und die Vereinigung Cockpit (VC) für die Piloten.

Dass sie dazu bereit sind, das hat die größte Gewerkschaft Verdi unmittelbar vor dem „Jobgipfel“ klar gezeigt: Sie hat sich mit dem Vorstand über einen neuen Tarif für das über dreißigtausendköpfige Bodenpersonal geeinigt, mit dem das System garantierter Übergangsgelder und Betriebsrenten erstmalig aufgebrochen wird.

Damit fällt Verdi den Gewerkschaften Ufo und VC in den Rücken: Die betriebliche Altersversorgung ist für das fliegende Personal eine unverzichtbare Errungenschaft. Piloten und Flugbegleiter sind nur in den seltensten Fällen in der Lage, bis zum gesetzlichen Rentenalter den Dauerstress und die anstrengende Arbeit des Fliegens auszuführen. Sie werden danach von der Lufthansa nicht am Boden weiterbeschäftigt. Auch für das Bodenpersonal ist die gesicherte Betriebsrente ein unverzichtbarer Schutz vor Altersarmut.

Früher war es für Lufthansa eine vertretbare Lösung, die älteren Crew-Mitglieder in die Übergangsrente zu schicken und dafür geringer bezahltes, junges Personal einzustellen. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert, als der Druck an den Kapitalbörsen ständig stieg.

Vor zwei Jahren hatte Lufthansa sämtliche Tarifverträge aufgekündigt und gleichzeitig das Sparprogramm SCORE aufgelegt. Seither arbeitet der Konzern systematisch daran, die Kapitalsummen zu reduzieren, die er für die Absicherung des Personals bereitstellen muss. Aus diesem Grund werden auch immer größere Bereiche des Fluggeschäfts auf die Billigtochter Eurowings übertragen.

Eurowings Europe mit Sitz in Wien arbeitet unter österreichischem Tarifrecht und entzieht sich dem Einfluss der national operierenden deutschen Gewerkschaften. Bei Eurowings hat das Personal in punkto Aufstiegschancen, Zuschlägen, Spesen etc. unvergleichlich schlechtere Bedingungen als bei der Lufthansa.

Jetzt hat Verdi erstmals akzeptiert, dass das Rentensystem umgestellt wird: Lufthansa wird die festen Betriebsrenten abschaffen; stattdessen sollen die Beschäftigten in Zukunft ihre Rente über ein Konto am Kapitalmarkt selbst finanzieren. Dies wird schrittweise umgesetzt.

Zunächst sieht der neue Abschluss vor, dass jeder Mitarbeiter, der ab dem 1. Januar 2016 neu eingestellt wird, ein Prozent des Bruttogehalts in ein solches Konto einzahlt, in das auch die Lufthansa ihren Betrag in Höhe von 5,2 Prozent einfließen lässt. Auch für die andern Mitarbeiter, die vor Ende 2015 eingestellt wurden, wird das System schrittweise umgestellt.

Mit dieser Umstellung nach der Salamitaktik hat der Konzern bei seinem Angriff auf die Renten ein wichtiges Etappenziel erreicht. Personalchefin Bettina Volkens stellte zufrieden fest, es sei gelungen, Risiken und Kosten des Konzerns langfristig zu senken. Das Handelsblatt schrieb in einem Kommentar zu dem Abschluss: „Lufthansa spart bares Geld und muss das Zinsrisiko nicht mehr in ihrer Bilanz absichern.“

Um die Angriffe zu rechtfertigen, führt der Konzern immer die Konkurrenz am Weltmarkt ins Feld. Dabei fährt Lufthansa zurzeit satte Gewinne ein. Vorstandschef Carsten Spohr gab erst letzten Donnerstag eine gestiegene Gewinnprognose bekannt. Dank niedriger Treibstoffpreise und dem überraschend guten Sommergeschäft könne die Gewinnprognose für 2015 auf bis zu 1,95 Milliarden Euro angehoben werden, sagte Spohr.

Gegen die Angriffe des Konzerns kämpfen die Piloten und Flugbegleiter seit zwei Jahren mit großer Entschlossenheit. Die Piloten haben schon dreizehn Streiks durchgeführt, und im November organisierten auch die Stewards und Stewardessen einen einwöchigen Arbeitskampf.

Die jüngste Zustimmung von Verdi zu dem Abschluss, der eine Bresche in die betriebliche Altersvorsorge schlägt, fällt diesem Kampf in den Rücken. Es ist ein deutliches Signal an die Konzernleitung, dass die Gewerkschaft in diesem Konflikt an ihrer Seite steht.

Aber auch die andern zwei Gewerkschaften, die ursprünglich als Alternativen zu Verdi entstanden waren, haben dieser Provokation nichts entgegenzusetzen. Weder Ufo noch VC haben ihre Zusammenarbeit mit Verdi oder mit dem Lufthansa-Jobgipfel aufgekündigt. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo hat bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass sie zu einem Systemwechsel bei den Renten bereit sei.

Die Vereinigung Cockpit hatte bis vor dem Jobgipfel noch juristische Schwierigkeiten geltend gemacht. Ein von Lufthansa erwirktes Urteil des Frankfurter Landesarbeitsgerichts hatte im September den letzten Pilotenstreik mit der Begründung verboten, die Gewerkschaft greife in die „unternehmerische Freiheit“ ein. Deshalb sagte VC-Sprecher Jörg Handwerg, er wolle sicherstellen, dass die VC-Teilnahme am Jobgipfel nicht ebenso beurteilt werde. Dieser Einwand ist jedoch in keiner Weise prinzipiell, sondern dient nur dazu, den Preis, den Lufthansa für eine Zusammenarbeit der Pilotengewerkschaft bezahlen muss, in die Höhe zu treiben.

Die Gewerkschaft Ufo, die 19.000 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter vertritt, hat erst vor wenigen Tagen den einwöchigen Streik ohne Ergebnis beendet. Zwei weitere Streiktage wurden letzte Woche abgesagt, nachdem Lufthansa ihre Teilnahme an einer neuen Schlichtung zusagte. Schlichter soll Matthias Platzeck (SPD) sein, der Ex-Ministerpräsident von Brandenburg, der schon im Streik der Lokführer im vergangenen Sommer als Schlichter amtierte.

Der Jobgipfel wird am Mittwoch direkt nach der Aufsichtsratssitzung stattfinden, an der die Vertreter aller dreier Gewerkschaften als hochdotierte Mitglieder teilnehmen. Sowohl beide Ufo-Vorsitzenden, Nicoley Baublies und Birgit Weinreich, als auch ein Vertreter der Vereinigung Cockpit sind Mitglied im Aufsichtsrat.

Christine Behle, die Verdi-Vorsitzende am Flughafen, ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und verdient in dieser Funktion jährlich 140.000 Euro, die Sitzungsgelder und andere Vergütungen nicht mitgerechnet. Sie ist auch Mitglied des Aufsichtsrats-Präsidiums. Behle, die im Bundesvorstand von Verdi sitzt, hat mehrere weitere Aufsichtsratsmandate inne, so zum Beispiel bei den Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen und dem ACE Autoclub.

Bis am 12. Dezember läuft nun eine Mitgliederbefragung über den jüngsten Abschluss, der für die 33.000 Beschäftigten des Lufthansa-Bodenpersonals – also für Techniker, Ingenieure, Schalter- und administratives Personal, Beschäftigte der Großküchen, etc. – Geltung hat. Der Abschluss sieht eine Einmalzahlung von 2250 Euro brutto für die Zeit von April bis Dezember 2015 vor, außerdem eine Vergütungsverbesserung um 2,2 Prozent ab dem 1. Januar 2016 und nochmals um 2,2 Prozent am 1. Januar 2017.

Die Laufzeit dauert bis Ende 2017. Das bedeutet, dass Verdi dem Konzern eine über zwei Jahre dauernde Ruheperiode verschafft hat, während der nicht gestreikt werden darf.

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