Am letzten Freitag veröffentlichte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) eine Kapitulationserklärung im laufenden Arbeitskampf bei der Deutschen Lufthansa AG. Sie ist darin fast allen Forderungen der Lufthansa nachgekommen. Wenn der Luftfahrt-Konzern bereit ist, sich auf dieser Grundlage mit den VC-Spitzen zusammenzusetzen, verzichtet VC auf weitere Streiks.
Die Gewerkschaft wolle das von Lufthansa vorgeschlagene gemeinsame „Bündnis für Wachstum und Beschäftigung“ mittragen. „Aus Verantwortung für die Arbeitsplätze, den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und um den drohenden Pilotenengpass bei Lufthansa zu verhindern“, bietet VC an, ein „umfangreiches Gesamtpaket in dieses Bündnis einzubringen“. Dieses Gesamtpaket hat ein Volumen von über 400 Millionen Euro. Es beinhaltet zahlreiche Mechanismen, wie die Konzernausgaben auf Kosten der Piloten gesenkt werden können.
So ist VC bereit, das durchschnittliche Ruhestandsalter der rund 5.400 Lufthansa-Piloten von derzeit 58 auf 60 Jahre anzuheben. Die Gewerkschaft nimmt damit die Forderung des Unternehmens an. Damit auch neu eingestellte Piloten in die Übergangsversorgung aufgenommen werden, bietet VC einen „kollektiven Verzicht auf ca. ein bis zwei Prozent Cockpitlohnkosten“ an.
Bei den Gehaltstarifen ist VC insgesamt bereit, Kürzungen vorzubereiten. Dazu wird sie ihre Forderungen nach einem neuen Vergütungstarifvertrag aussetzen. „Und das, obwohl die letzte Gehaltserhöhung mittlerweile vier Jahre her ist und seitdem Reallohnverluste hingenommen werden mussten“, schreibt VC in ihrer Mitteilung. Die Gehälter sollen erst nach „einer gemeinsamen Marktanalyse (Benchmark)“ neu verhandelt werden. Es ist angesichts der niedrigeren Gehälter bei den meisten internationalen Fluglinien klar, dass die Marktanalyse der Lufthansa und der VC die Begründung für weitere Gehaltskürzungen liefern wird.
Die niedrigeren Gehälter in den Töchtergesellschaften der Lufthansa sollen zementiert werden. Die Einkommen der Eurowings-Kurzstreckenpiloten sollen auf diejenigen beim Billigflieger Easyjet abgesenkt werden. Die Gehälter der Eurowings-Langstreckenpiloten sollen sich an dem Gehalts-Niveau der Kollegen bei der Condor-Airline orientieren.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt, je nach Zahl der Dienstjahre koste den Lufthansa-Konzern derzeit ein Langstreckenpilot rund das Doppelte dessen, was Condor für ihre teuersten Mitarbeiter ausgeben muss. Insgesamt sollen die Personalkosten bei Eurowings derzeit 40 Prozent niedriger als bei der Lufthansa sein.
In Bezug auf das Langstreckenkonzept „Jump“, mit dem die Fluggesellschaft ab Oktober massive Einsparungen beim Personal erreichen will, bietet VC folgendes an: „Zur Unterstützung des neuen Langstreckenkonzepts wird zusätzlich eine 20-prozentige Entlastung der Cockpitpersonalkosten auf diesen Strecken angeboten.“ Unter der Bezeichnung „Jump“ setzt die Lufthansa bis zu vierzehn geleaste Maschinen ein, die Ziele bedienen, die die Kranich-Airline sonst nicht mehr anfliegen würde. Die geleasten Flugzeuge sollen von den beim Leasinggeber beschäftigten Piloten geflogen werden – zu deren niedrigeren Gehältern. Außerdem wird weniger Kabinenpersonal eingesetzt.
Darüber hinaus ist die VC zu „begleitenden, temporären produktivitätserhöhenden Maßnahmen bereit, um trotz des drohenden Personalengpasses Schulungen zu ermöglichen“.
„Im Gegenzug für diesen deutlichen Schritt fordert die VC, dass die Lufthansa die Arbeitsplatzperspektiven für alle in Deutschland bei Lufthansa angestellten Piloten garantiert und umgehend die Vorbereitungen zum Ausflaggen der heutigen Cockpitarbeitsplätze stoppt“, teilte Markus Wahl, Sprecher der VC, mit. Damit ist die Strategie der Lufthansa gemeint, die Lufthansa-Piloten nach und nach durch ihre Kollegen der eigenen Billigtochter Eurowings zu ersetzen.
Außerdem verlangt die VC die insgesamt 900 Lufthansa-Nachwuchspiloten in die heutige Tarifsystematik einzustellen. Dies wiederum soll den Euro- und Germanwings-Piloten den Ausverkauf schmackhaft machen. Sie sollen mit der Aussicht geködert werden, irgendwann einmal von den Billigtöchtern in Lufthansa-Cockpits wechseln zu können.
Die VC erklärt sich bereit, die Gespräche „umgehend aufzunehmen“ und „bis zum 1. September 2015 Ergebnisse zu erzielen“.
Die Lufthansa begrüßte diese Kapitulationserklärung und kündigte an, die Vorschläge zu prüfen. Anschließend werde man Gesprächstermine anbieten, sagte ein Konzernsprecher.
Die Kapitulation der Spartengewerkschaft VC ist in ihrer national beschränkten „sozialpartnerschaftlichen“ Perspektive begründet und war daher vorhersehbar. Obwohl sie seit Frühjahr 2014, als über 99 Prozent der Lufthansa-Piloten für einen Arbeitskampf stimmten, zwölfmal zu Streiks aufgerufen hatte, die den Konzern bisher 330 Millionen Euro Gewinn gekostet haben, ging es ihr stets darum, ihrer Forderung nach einer „tariflichen Partnerschaft“ Nachdruck zu verleihen.
Denn die Vereinigung Cockpit unterstützt die Kapitalmarktorientierung der Konzernleitung. Das jetzige Angebot der Piloten-Gewerkschaft sei „eine große Chance zum Wohle der Fluggäste, der Mitarbeiter und der Aktionäre, ein alle Interessen berücksichtigendes und zukunftsweisendes Ergebnis zu erzielen“, erklärte VC-Sprecher Wahl.
Doch es ist offensichtlich, dass die Interessen der Aktionäre und der Finanzmärkte nicht mit denen der Beschäftigten und der Passagiere in Einklang zu bringen sind. Im internationalen Verdrängungswettbewerb unterbieten sich die Fluggesellschaften in einer endlosen Spirale nach unten. Dieser Preiskampf wird durch massiven Sozialabbau und steigende Arbeitshetze den Beschäftigten der Airlines und der Flughäfen aufgebürdet. Gleichzeitig sind aber auch die Fluggäste durch Kosteneinsparungen bei der Sicherheit unmittelbar betroffen.
Der Konflikt bei der Lufthansa, der sich über die Alters- und Übergangsversorgung der Piloten entwickelte, war wegen der Pläne von Lufthansa-Chef Carsten Spohr eskaliert, neben der Marke Lufthansa die Billigsparte Eurowings zu etablieren und die Arbeits- und Lohnbedingungen letzterer schrittweise auf die Beschäftigten des Mutterkonzerns auszudehnen.
Spohr blieb unnachgiebig und bot keinerlei Kompromisse an, um an den Piloten ein Exempel zu statuieren – unterstützt durch eine regelrechte Hetzkampagne der Medien und Politik gegen die Piloten. Die VC protestierte gegen diese Erpressung, hatte ihr aber nichts entgegenzusetzen, da sie sich weigerte, alle Beschäftigten der europäischen und internationalen Fluggesellschaften zu einem gemeinsamen Kampf zu mobilisieren. Obwohl weltweit vergleichbare Auseinandersetzungen stattfinden, unternahm die Gewerkschaftsführung alles, um die Streiks lokal und zeitlich zu beschränken. Als Anfang Juli eine Schlichtung bereits in der Vorbereitung an der Haltung Spohrs scheiterte, setzte sich die VC-Tarifkommission vier Tage lang zusammen und arbeitete den jetzigen Kapitulationsentwurf aus.
Der drohende Ausverkauf des Arbeitskampfs der Piloten durch die VC ist dabei nur der letzte einer ganzen Reihe. In den zurückliegenden Monaten hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Streiks der Beschäftigten der Post, der Postbank, der Kitas und der Berliner Charité ausverkauft. Auch die Lokführergewerkschaft GdL hat mit dem Bahnvorstand ein fünfjähriges Stillhalteabkommen getroffen.
Diese Politik ist Teil einer Art „Burgfriedens-Politik“ der Gewerkschaften. 1914 hielten die Gewerkschaften mit ihrem Burgfrieden dem deutschen Kaiserreich im Ersten Weltkrieg den Rücken an der Heimatfront frei. Über 100 Jahre nach dem Ersten und über 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg brechen erneut die imperialistischen Gegensätze zwischen den Großmächten auf. Der Nahe Osten befindet sich durch die Interventionen der US-amerikanischen und europäischen Kräfte im Dauerkrieg und einer humanitären Katastrophe. Die USA und ihre europäischen Verbündeten bedrohen Russland und China mit Krieg.
Die deutsche Regierung hat angekündigt, in den kommenden wirtschaftlichen und militärischen Auseinandersetzungen „Verantwortung zu übernehmen“, „nicht abseits zu stehen“, d. h.: einzugreifen. Die Bundeswehr rüstet auf. Rücksichtslos verfolgt die Bundesregierung die Interessen des wiedererwachten deutschen Imperialismus.
Am deutlichsten wird dies in Griechenland. Was deutsche Panzer nicht schafften: das Land zu unterwerfen, haben die europäischen – allen voran deutschen – Banken und Konzerne bewerkstelligt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat das südeuropäische Mitglied der Europäischen Union zu einer Kolonie degradiert. Das Land wird ausgesaugt und die Bevölkerung bleibt mit Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger und Elend zurück.
An der arbeitenden Bevölkerung in Griechenland wird ein Exempel statuiert. Ähnliche Angriffe bereiten alle europäischen Regierungen in ihren Ländern vor. In Deutschland haben die Unternehmen erst letzte Woche vorgefühlt: Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat die Abschaffung des 8-Stundentags gefordert. Wie in Griechenland werden bald europaweit alle sozialen Errungenschaften in Frage gestellt werden.
Die Vereinigung Cockpit, Verdi und die anderen Gewerkschaften unterstützen die Politik der Bundesregierung, in Griechenland genauso wie die militärische Aufrüstung. Sie wollen daher unter allen Umständen einen gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse in Deutschland mit Arbeitern und Jugendlichen in Griechenland und anderen europäischen Ländern verhindern. Daher ausverkaufen die Gewerkschaften die Arbeitskämpfe und schicken die Beschäftigten zurück an die Arbeitsplätze.
Es ist notwendig, die Zwangsjacke der Gewerkschaften abzuschütteln und Kontakt zu Arbeitern in Griechenland und anderen Ländern aufzunehmen, die vor sehr ähnlichen Problemen stehen. Nur im Kampf für ein internationales sozialistisches Programm ist es möglich, die Angriffe der Konzerne und der Regierung zurückzuschlagen. Das ist das Programm der Partei für Soziale Gleichheit (PSG).