Nach neun Wochen Streik beim Autoteilehersteller American Axle & Manufacturing wird immer offensichtlicher, dass der Interessenskonflikt zwischen den Firmenforderungen und den Bedürfnissen der Arbeiter völlig unvereinbar ist.
American-Axle-Boss Richard Dauch ist nicht bereit, von seiner Forderung nach einer fast 50-prozentigen Lohnsenkung für die Arbeiter abzurücken. Er droht, Streikbrecher anzuheuern und seine gewerkschaftlich organisierten Betriebe für immer zu schließen. Die Polizei tritt in Detroit, wo der Firmensitz und das größte Werk angesiedelt sind, immer drohender und provokativer auf.
Die Arbeiter ihrerseits sind nach wie vor entschlossen, den unverschämten Forderungen der Firma Widerstand zu leisten, weil sie wissen, dass sie ihre Familien mit den Hungerlöhnen, die die Firma anbietet, nicht durchbringen können. Hartnäckig stehen sie Streikposten, obwohl sie mit jämmerlichen 200 Dollar Streikgeld die Woche auskommen müssen.
Die Fragen, die in diesem Streik im Mittelpunkt stehen, sind heute Fragen an alle Arbeiter in den USA und auf der ganzen Welt. Sind sie bereit, sich wieder Armutslöhnen und einer Ausbeutung bis aufs Blut zu unterwerfen, oder kämpfen sie für ihre eigenen, unabhängigen Interessen?
Es kann in diesem gesellschaftlichen Konflikt keinen Kompromiss geben. Lohnkürzungen und die Streichung von Renten und Krankenversorgung entsprechen den Interessen einer winzigen Minderheit der Bevölkerung, d.h. den Interessen der Multimillionäre und Multimilliardäre der Wirtschafts- und Finanzoligarchie. Der Kampf um Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze verteidigt die Interessen der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung.
Weil der Streik bei American Axle ein Ergebnis dieser unversöhnlichen gesellschaftlichen Interessen ist, wird er so lange und erbittert geführt.
Welche Kräfte stehen sich in diesem Kampf gegenüber?
Da ist auf der einen Seite American Axle Boss Richard Dauch, der in den letzten zehn Jahren ein persönliches Vermögen von mehr als 250 Millionen Dollar angehäuft hat. Das entspricht aufs Jahr gerechnet dem 417-fachen Jahreseinkommen eines gewerkschaftlich organisierten Arbeiters bei American Axle. Hinter ihm stehen General Motors, American Axles größter Kunde, und die Bankiers und Großinvestoren der Wall Street.
Auch die Demokratische Partei darf nicht vergessen werden. Diese Partei, die von sich behauptet, für die Mittelschichten zu sprechen, kontrolliert Detroit seit Jahrzehnten. Der Oberbürgermeister ist ein Demokrat, und im Stadtrat haben die Demokraten die Mehrheit.
Die Fabrik liegt in dem dicht bewohnten Detroiter Arbeiterviertel Hamtramck. Praktisch die gesamte Bevölkerung der Stadt und ihrer Umgebung weiß von diesem Streik, und die Arbeiter genießen breite Unterstützung.
Ein zweites American-Axle-Werk liegt in Three Rivers, Michigan, und zwei weitere in der Nähe von Buffalo, New York. Die Gouverneure von Michigan und New York sind Demokraten.
Aber kein Demokratischer Amtsinhaber hat auch nur in einem dieser Staaten einen Finger gekrümmt, um die Streikenden zu unterstützen. Im Gegenteil, auf Anfrage von American Axle schickten Vertreter der Stadt Detroit bereitwillig eine Polizeieskorte, um LKW’s durch die Streikposten zu schleusen und die Streikenden einzuschüchtern und festzunehmen.
Obwohl sie sich mitten im Wettlauf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten befinden, haben weder Hillary Clinton noch Barack Obama die Streikenden in irgendeiner Weise öffentlich unterstützt. Obwohl beide Politiker vorgeben, sich für die Interessen der kleinen Leute einzusetzen, haben sie den Versuch der Firma, Hungerlöhne durchzusetzen, nicht einmal kritisiert.
Wie soll man sich das erklären?
Die Demokratische Partei steht vollkommen im Sold der Wirtschaftsoligarchie, zu der Richard Dauch gehört. Im Konflikt zwischen den Profitinteressen der Wirtschaft und den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung steht sie fest auf Seiten der ersteren. Ihre gelegentliche populistische Rhetorik ist heuchlerisch bis auf die Knochen. Man muss nur durch die Arbeiterviertel in Städten wie Detroit fahren, die von Betriebsschließungen, Zwangsräumungen und stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen gezeichnet sind, um den Beweis dafür zu sehen.
Und die UAW? Die United Auto Workers Union [Autoarbeitergewerkschaft] hat ihre Zentrale in Detroit, einer Stadt, die eine reiche Tradition militanter Gewerkschaftskämpfe aufweist. Sie hat in Michigan hunderttausende Mitglieder.
Was hat die Gewerkschaft getan, um UAW Mitglieder für die Unterstützung des Streiks zu mobilisieren? Man kann es mit einem Wort beantworten: Nichts.
Die UAW hat es nicht nur versäumt, den Streik auf andere Betriebe auszudehnen oder Massenstreikposten zu organisieren, um die Produktion im Hauptwerk der Firma zum Erliegen zu bringen, sie hat nicht eine nennenswerte Kundgebung auf die Beine gestellt. Die einzige Demonstration, die sie angekündigt hatte, sagte sie der Firma zuliebe im letzten Moment wieder ab.
Die UAW führt Geheimverhandlungen mit der Firma und weigert sich, die Arbeiter auch nur über die Fragen zu informieren, über die verhandelt wird. Sie zahlt nur 200 Dollar Streikgeld in der Woche, obwohl sie auf einem Streikfond von einer Dreiviertel Milliarde Dollar sitzt.
Sie kämpft keineswegs gegen Lohnsenkungen und Arbeitsplatzvernichtung. Sie hat bei den Großen Drei Autoherstellern und bei Zulieferfirmen wie Delphi und Dana Tarifverträge unterzeichnet, die die Löhne um die Hälfte kürzten und den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen akzeptierten Gibt es einen Grund zu der Annahme, dass sie nicht bereit wäre, einen ähnlichen Handel mit American Axle abzuschließen?
Die UAW-Bürokratie hat unmittelbar davon profitiert, dass sie den Autokonzernen half, Lohnkürzungen durchzusetzen. Ihr wurde von GM, Ford und Chrysler ein multimilliardenschwerer Trust-Fund namens VEBA übereignet. Aufgrund dieser Tarifverträge wurde die UMW zum größten Einzelaktionär von GM und Ford. Sie hat daher ein direktes finanzielles Interesse daran, die Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität dieser Firmen auf Kosten der Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze ihrer eigenen Mitglieder zu erhöhen.
Insoweit die UAW Differenzen mit American Axle hat, drehen sich diese um den Wunsch der Gewerkschaftsführung, im Gegenzug für ihre Mitarbeit bei der Senkung der Arbeitskosten gewisse Garantien für die Gewerkschaftsbürokratie zu erhalten. Weil die UAW den Zorn und die Entschlossenheit der Arbeiter genau kennt, versucht sie die Firma davon zu überzeugen, die Sache etwas langsamer anzugehen. Ein Mitglied er UAW Verhandlungskommission sagte einem Bericht in der Detroit Free Press zufolge vergangene Woche vor Aktionären: "Wir werden auf dem Markt konkurrenzfähig werden, aber wir werden das nicht über Nacht schaffen."
Schließlich gibt es noch die Gewerkschaftsopposition, darunter auch ehemalige Gewerkschaftsfunktionäre, die mit dem Magazin Labor Notes zusammenarbeiten, und Gruppen wie Soldiers of Solidarity (Kämpfer der Solidarität). Diese wiederum werden von "linken" Organisationen wie der Workers World Party und der International Socialist Organisation unterstützt.
Ihre Rolle besteht darin, die Illusion zu verbreiten, dass die UAW noch eine Arbeiterorganisation sei und noch dazu gebracht werden könne, für ihre Mitglieder zu kämpfen. Damit wollen sie verhindern, dass die Arbeiter mit der Demokratischen Partei brechen.
Auch wenn sie gelegentlich Kritik an der UAW-Führung äußern, verlangen sie von den Arbeitern, sich der Gewerkschaftsbürokratie unterzuordnen und die Organisierung des Kampfs in ihren Händen zu belassen. Auf diese Weise helfen sie der UAW, den Streik zu isolieren und einen Ausverkauf vorzubereiten.
Auf der anderen Seite der Barrikade stehen Hunderttausende Arbeiter in Michigan, New York und andern Ortes, die die Streikenden bei American Axle gerne unterstützen würden, weil sie genau wissen, das ihnen die gleichen Angriffe auf ihre Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze drohen. Sie werden von der Gewerkschaft, die sie angeblich vertritt, daran gehindert.
Der Weg vorwärts
Was sind die Schlussfolgerungen? Wenn der Streik nicht in einer Niederlage enden soll, muss er ausgeweitet werden, und möglichst große Teile der Arbeiterklasse müssen einbezogen werden.
Das ist nur möglich, wenn die Arbeiter sich unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie organisieren.
Die Socialist Equality Party schlägt den Streikenden vor, Komitees aus vertrauenswürdigen Arbeitern zu bilden und der UAW die Streikführung aus der Hand zu nehmen. Diese Komitees sollten versuchen, den Streik auf den gesamten Industriezweig auszudehnen. Sie sollten Massenstreikposten und Massendemonstrationen organisieren. Sie sollten sich vor allem auch an die Autoarbeiter in Mexiko, insbesondere an das dortige Werk von American Axle in Guanajuato, und an die kanadischen Autoarbeiter wenden.
Diese gewerkschaftliche Mobilisierung kann nur erfolgreich sein, wenn sie mit einer neuen politischen Strategie verbunden ist. Die Arbeiter sind nicht nur mit Dauch und den Autobossen konfrontiert, sondern mit dem gesamten ökonomischen und politischen System der USA. Der Kapitalismus ordnet die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung der immer größeren Akkumulation von privatem Reichtum bei den Superreichen unter.
Eine neue politische Partei wird gebraucht, die die Arbeiterklasse gegen die ökonomische Diktatur der amerikanischen Wirtschaft mobilisiert, die durch die beiden großen Parteien ausgeübt wird. Sie muss die gesellschaftlichen Prioritäten grundlegend ändern. Nur so können die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung befriedigt und Krieg, Armut und soziale Ungleichheit beseitigt werden.
Seit Jahrzehnten argumentieren die kapitalistischen Politiker und Gewerkschaftsbürokraten mit der These gegen den Sozialismus, Arbeiter könnten im Kapitalismus ja in die so genannten "Mittelschichten" aufsteigen. Aber das Profitsystem hat versagt. In den USA und auf der ganzen Welt sind Arbeiter mit dem Verlust ihrer grundlegendsten Versorgung konfrontiert. So sind anständiger Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Ausbildung und ein vernünftig bezahlter Arbeitsplatz heute Luxus für sie.
Die Autoindustrie, die von Generationen von Arbeitern durch ihrer Hände Arbeit aufgebaut worden ist, darf nicht im Besitz der Konzernbosse und Investoren bleiben, die ausschließlich an ihrer persönlichen Bereicherung interessiert sind. Diese enormen Produktivkräfte müssen ins Eigentum der gesamten Gesellschaft übergehen. Die Automonopole und die wichtigsten Produktionsanlagen, Transportfirmen und Finanzhäuser müssen unter öffentliche Kontrolle gestellt und demokratisch von der Arbeiterklasse kontrolliert werden.
Das ist die sozialistische, revolutionäre Perspektive der Socialist Equality Party und unserer internationalen Internetzeitung, der World Socialist Web Site. Wir fordern Arbeiter auf, der SEP beizutreten und sie als revolutionäre Führung der Arbeiterklasse aufzubauen.