Staatsanwaltschaft München erlässt Haftbefehl gegen 13 CIA-Agenten

Die Staatsanwaltschaft München hat am Mittwoch Haftbefehle gegen 13 mutmaßliche CIA-Agenten erlassen. Den elf Männern und zwei Frauen wird vorgeworfen, den deutschen Staatsbürger Khaled el-Masri entführt und misshandelt zu haben. Der Haftbefehl wirft ihnen Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vor.

Der aus dem Libanon stammende el-Masri besaß seit 1995 die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Vater von vier Kindern war Ende Dezember 2003 in Mazedonien unter Terrorverdacht festgenommen und vom amerikanischen Geheimdienst nach Afghanistan verschleppt worden. Dort wurde er vier Monate lang verhört und gepeinigt. Nachdem sich seine Festnahme als offensichtliches Missverständnis herausgestellt hatte, wurde el-Masri in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf den Balkan zurückgeflogen und in einem Wald nahe der albanischen Grenze ausgesetzt.

Zurzeit beschäftigt sich in Berlin auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Fall. Er geht der Frage nach, wie weit deutsche Behörden und Regierungsstellen an der Verfolgung el-Masris beteiligt waren oder darüber Bescheid wussten.

Nach Italien ist Deutschland ist das zweite europäische Land, in dem wegen der Verschleppung angeblicher Terrorverdächtiger nach CIA-Mitarbeitern gefahndet wird.

In Mailand hat die Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen 26 Agenten der CIA erlassen, die im Februar 2003 den Moslemprediger Abu Omar auf offener Straße gekidnappt und in ein ägyptisches Folgergefängnis entführt hatten. Das Haus des früheren Mailänder Stationsleiters der CIA, Robert Seldon Lady, ist mittlerweile von der Justiz beschlagnahmt worden. Gegenwärtig berät ein Mailänder Gericht, ob die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Menschenraubs gegen die 26 CIA-Agenten und acht italienische Geheimdienstmitarbeiter zugelassen wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die gesuchten CIA-Agenten jemals zur Verantwortung gezogen werden, ist allerdings gering. Die Haftbefehle gegen sie sind nur auf europäischem Boden gültig, und die amerikanischen Behörden verweigern jede Zusammenarbeit. Die meisten gesuchten CIA-Agenten sind zudem nur unter ihren Tarnnamen bekannt.

Dennoch sind die Haftbefehle für die deutsche und die italienische Regierung ein Ärgernis. Beide haben die Praxis der "Renditions", der illegalen Verschleppung von Terrorverdächtigen in Folterländer, zwar öffentlich verurteilt, in der Praxis aber toleriert oder sogar mit den USA zusammengearbeitet.

So hat die deutsche Regierung nichts gegen die Nutzung der Airbase Ramstein als Drehscheibe für die "Renditions" unternommen. Es gibt auch Hinweise, dass deutsche Behörden die CIA mit Informationen über el-Masri versorgt haben. Diese Hinweise sind bisher weder bestätigt noch ausgeräumt worden.

Den in Bremen geborenen und aufgewachsenen Murat Kurnaz, der 2001 in Afghanistan festgenommen und gegen eine Kopfgeld an die amerikanischen Streitkräfte verkauft wurde, haben deutsche Soldaten in Afghanistan bewacht und deutsche Geheimdienstler in Guantanamo verhört. Obwohl Kurnaz’ Unschuld ziemlich bald feststand, hat die Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder jahrelang alles unternommen, um seine Freilassung und Überstellung nach Deutschland zu verhindern. Verantwortlich war der damalige Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Die Bundesregierung distanzierte sich umgehend von den Haftbefehlen der Münchner Staatsanwaltschaft. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, der Fall sei allein Sache der Justiz. Um einer Belastung der Beziehungen zu Washington vorzubeugen, betonte er: "Wir sind selbstverständlich bereit, kooperationsfähig zu bleiben für die Terrorismusbekämpfung."

Mit anderen Worten, die Bundesregierung wird die völkerrechtswidrigen Praktiken Washingtons auch weiterhin unterstützen und nichts unternehmen, was zur Vollstreckung der Haftbefehle führen oder die US-Regierung unter Druck setzen könnte.

Ähnlich verhält sich die italienische Regierung. Daran hat auch die Ablösung der Rechtsregierung Silvio Berlusconis durch die Mitte-Links-Koalition Romano Prodis nichts geändert. Die Mailänder Justiz hat Auslieferungsanträge für die gesuchten CIA-Agenten ausgestellt, die seit Monaten unbearbeitet auf dem Schreibtisch von Justizminister Clemente Mastella, einem Christdemokraten, liegen. Die Regierung Prodi will offensichtlich alles vermeiden, was die US-Regierung verärgern oder bloßstellen könnte.

Auch die Münchner Staatsanwaltschaft hat sich über zwei Jahre Zeit gelassen, bevor sie die Haftbefehle gegen die Entführer el-Masris ausstellte. Sie hat selbst wenig unternommen, um die Hintergründe der Entführung aufzuklären, und wurde erst aktiv, nachdem der Anwalt el-Masris, Journalisten, die spanische Polizei und die Mailänder Staatsanwaltschaft erdrückendes Beweismaterial über das kriminelle Vorgehen der CIA zusammengetragen hatten.

Die Namensliste der 13 Agenten, die nun zur Fahndung ausgeschrieben sind, wurde von der spanischen Polizei erstellt. Die CIA-Leute waren in der Nacht vor der Entführung el-Masris in einer eigenen Boeing auf der Ferieninsel Mallorca zwischengelandet und hatten dort in einem Luxushotel übernachtet. Sie fühlten sich derart sicher und unbehelligt, dass sie kaum auf Tarnung achteten. Die spanische Guardia Civil konnte später, als sie die Aktivitäten der CIA untersuchte, Fotokopien ihrer Pässe im Hotel abholen.

Journalisten gelang es dann, die Spuren einiger Agenten bis zu ihren Wohnungen im US-Staat North Carolina zu verfolgen und ihre Klarnamen aufzudecken.

Die Münchner Staatsanwaltschaft unternahm selbst nichts und stellte erst im Frühjahr 2006 ein Rechtshilfeersuchen an Spanien, nachdem sie unter erheblichen Druck geraten war. El-Masris Anwalt hatte nämlich bereits im Winter davor eine Kopie der Namensliste von der spanischen Polizei erhalten. Es dauerte dann ein weiteres Dreivierteljahr, bis die Staatsanwaltschaft dem bayrischen Justizministerium die Anträge auf Haftbefehle vorlegte.

Dieses wagte es nicht mehr, Einwände zu erheben. Es hätte damit zu offensichtlich kriminelle Machenschaften gedeckt. Die Süddeutsche Zeitung verglich das Vorgehen der CIA in ihrer jüngsten Ausgabe mit den Methoden "einer Bande von Halbstarken, die an der Straßenecke ein paar Missliebige verprügelt und zum Verhör in einen Keller verschleppt".

Dass die deutsche Justiz Beamte der US-Regierung verfolgt, ist ein historisch einmaliger Vorgang. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die US-Regierung die Nürnberger Prozesse gegen die Nazi-Verbrecher organisiert und auf die Verabschiedung einer deutschen Verfassung gedrängt, die die Menschenrechte und elementare demokratische Grundrechte garantiert, wie die Unschuldsvermutung, das Recht auf Haftprüfung und den Schutz vor körperlicher und seelischer Misshandlung. Dass Beamte der amerikanischen Regierung nun systematisch gegen solche Rechte verstoßen und deshalb von der deutschen Justiz verfolgt werden, zeigt, wie weit sich die amerikanische Regierung von rechtsstaatlichen Grundsätzen entfernt hat.

Siehe auch:
Italienisches Gericht entscheidet über Prozess gegen CIA-Agenten
(25. Januar 2007)
Fall Khaled el-Masri: Staatsanwaltschaft München ließ Anwalt des Entführungsopfers abhören
( 30. Dezember 2006)
Regierung Prodi deckt Verschwörung der Geheimdienste
( 8. November 2006)
Italien will wegen der Entführung eines ägyptischen Predigers 13 CIA-Agenten verhaften lassen
( 6. Juli 2006)
Die kriminellen Machenschaften der CIA und die Komplizenschaft der Bundesregierung
( 15. Dezember 2005)
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