Perspektive

Thanksgiving in Amerika 2024: Sozialer Kahlschlag für die Arbeiterklasse, Milliarden für die Oligarchen

Thanksgiving am vierten Donnerstag im November ist der wichtigste Feiertag in den USA. Doch in diesem Jahr hatte die breite Masse der Bevölkerung wenig Grund zur Freude. Die erdrückenden Kosten für alle Grundbedürfnisse – Wohnung, Lebensmittel, Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Verkehrsmittel – sind eine schwere Belastung für Arbeiterfamilien. Wie der größte Farmerverband der USA berichtet, fällt es vielen Menschen schwer, das Geld für das traditionelle Truthahnessen mit Familie und Freunden zusammenzukratzen. Die Preise für eine solche Mahlzeit sind im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Coronapandemie, um 19 Prozent gestiegen.

Die luxuriösen Hochhäuser der „Billionaire’s Row“ mit Wohnungen für die Superreichen in New York City [AP Photo/Ted Shaffrey]

Für die Reichen und Superreichen sieht die Welt ganz anders aus. An der Wall Street, auf Donald Trumps Anwesen in Mar-a-Lago, im Weißen Haus und auf dem Capitol Hill klirren die Champagnergläser. Die Börse boomt, und die Summen, das Amerikas Oligarchen und ihre politischen Diener unter Joe Biden zusammengerafft haben, sollen sich unter der neuen Trump-Regierung noch vervielfachen.

Der scheidende Präsident Biden verbrachte den Feiertag im Haus von David Rubenstein, dem milliardenschweren Mitbegründer der Carlyle Group, auf der Insel Nantucket. Die unterlegene Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sonnte sich derweilen auf Hawaii. Die meisten Wähler sind damit beschäftigt, irgendwie über die Runden zu kommen.

10 Milliardäre sind seit dem Wahltermin am 5. November 2024 um 172 Milliarden Dollar reicher geworden

Die Zahl der amerikanischen Milliardäre ist unter Biden auf 800 angewachsen, und ihr kollektives Vermögen stieg um 62 Prozent auf mehr als 6,2 Billionen Dollar (die dreistelligen Milliardenbeträge aus dem Anstieg der Börsenkurse seit der Wahl Trumps noch nicht eingerechnet). Im Dezember letzten Jahres entfielen auf das oberste 1 Prozent der Amerikaner über 21 Prozent des gesamten Einkommens, das war mehr als doppelt so viel wie auf die unteren 50 Prozent. Das oberste 1 Prozent der Amerikaner besaß 35 Prozent des gesamten Privatvermögens, die obersten 10 Prozent besaßen 71 Prozent. Die unteren 50 Prozent kamen nur auf 1 Prozent.

In weniger als zwei Monaten wird Trumps Gang aus Milliardären, Faschisten und Quacksalbern die Regierung übernehmen. Sie werden versuchen, ihre Agenda durchzusetzen: Massendeportationen und staatliche Unterdrückung, Eskalation von Krieg und Völkermord, weitere Steuersenkungen für die Reichen, Zerschlagung der Überreste des sozialen Sicherheitsnetzes, Abbau des öffentlichen Gesundheits- und Bildungswesens und Aufhebung praktisch aller Auflagen und Vorschriften für Großunternehmen. Für die Finanzparasiten, die beide Parteien und das gesamte politische System kontrollieren, könnte die Lage nicht rosiger sein.

Elon Musk, Trumps Kumpan und mit einem Vermögen von 300 Milliarden Dollar der reichste Mann der Welt, wird zusammen mit seinem Milliardärskollegen Vivek Ramaswamy Trumps neue „Behörde für staatliche Effizienz“ leiten, mit der sie den Bundeshaushalt um 2 Billionen Dollar kürzen wollen. Das bedeutet die Streichung der medizinischen Versorgung für Ältere und Bedürftige (Medicare und Medicaid), die Abschaffung des öffentlichen Rentensystems (Social Security) und die Entlassung von Hunderttausenden Staatsangestellten.

Entwicklung der Einkommensungleichheit (Gini-Koeffizient)

Dabei ist die soziale Lage der Massen bereits jetzt katastrophal. Fast 40 Prozent der Amerikaner gaben in einer Umfrage für Bloomberg News im Dezember 2023 an, dass ihr Haushalt in letzter Zeit auf zusätzliches Geld neben dem regulären Einkommen angewiesen war, um über die Runden zu kommen. Davon gaben 38 Prozent an, dass sie auch mit diesen Zusatzeinnahmen kaum ihre monatlichen Kosten decken konnten und am Monatsende nichts übrig blieb. 23 Prozent sagten, dass sie nicht alle Rechnungen bezahlen konnten.

Seit Dezember letzten Jahres häufen sich die Massenentlassungen in der Autoindustrie, der Luft- und Raumfahrt, im Einzelhandel und in anderen Sektoren. Immer mehr Arbeiterfamilien geraten in Not. Diese Bedingungen haben bereits eine Welle von Streiks ausgelöst – bei Boeing, in den Häfen, in den Autowerken –, bei denen sich die Belegschaften gegen die Gewerkschaftsbürokraten auflehnten und schlechte Tarifverträge ablehnten.

Hier einige zentrale Indikatoren für die soziale Realität, mit der breite Schichten der amerikanischen Bevölkerung am Thanksgiving Day konfrontiert sind:

Hunger

  • Laut der jüngsten Volkszählung (Oktober 2023) hat jeder achte Erwachsene in den USA Probleme, sich ausreichend zu ernähren. Fast 28 Millionen Erwachsene – 12,5 Prozent – leben in Haushalten, in denen es manchmal oder oft nicht genügend zu essen gibt. Dies ist der höchste Stand seit dem ersten Jahr der Coronapandemie.

Obdachlosigkeit

Die Hilfsorganisation National Alliance to End Homelessness schreibt in ihrem Lagebericht für 2024:

  • Im Jahr 2023 nahm die Zahl der von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen im Vergleich zum Vorjahr um 12,1 Prozent zu – der größte Anstieg seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2007.
  • Von 2022 bis 2023 stieg die Zahl obdachlosen Familien um 15,5 Prozent.
  • Mehr Menschen als je zuvor sind zum ersten Mal von Obdachlosigkeit betroffen. Von 2019 bis 2023 stieg die Zahl der Menschen, die zum ersten Mal eine Notunterkunft aufsuchten, um mehr als 23 Prozent. Im Laufe des Jahres 2023 waren fast eine Million Menschen erstmals von Obdachlosigkeit betroffen.
  • Schwere Belastungen durch hohe Mieten nehmen zu. Die Zahl der Mieterhaushalte, die mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben, stieg von 2015 bis 2022 um 12,6 Prozent.
  • Mehr als die Hälfte der Obdachlosen, die in Notunterkünften untergekommen sind, und etwas weniger als die Hälfte der Obdachlosen, die auf der Straße leben, stehen in einem Beschäftigungsverhältnis.

Armut

  • Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben die Vereinigten Staaten die höchste Armutsquote unter den 26 am meisten entwickelten Ländern der Welt. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) stuft die Vereinigten Staaten auf einer Skala der „relativen Kinderarmut“ auf Platz zwei hinter Mexiko ein, gemessen an 35 der reichsten Länder der Welt.
  • Im Jahr 2023 lag die offizielle Armutsquote in den USA laut Volkszählung bei 11,1 Prozent. 36,8 Millionen Menschen lebten 2023 in Armut.

Lebenserwartung

  • Die Lebenserwartung in den USA lag Anfang 2023 bei 76,4 Jahren, dem niedrigsten Stand seit über 20 Jahren.

Wie ist das möglich im reichsten Land der Welt? Die Antwort lautet: Kapitalismus. In diesem System wird die Arbeiterklasse, die den gesamten Reichtum der Gesellschaft schafft, auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln, der Produktion für Profit und des historisch überholten Nationalstaatensystems um den größten Teils dessen beraubt, was sie produziert.

In den USA nehmen die Exzesse der Oligarchen und ihr Parasitismus besonders groteske Formen an, da das Zweiparteiensystem dafür sorgt, dass die Arbeiterklasse uneingeschränkt der herrschenden Klasse untergeordnet wird. Der Ausschluss der Arbeiterklasse aus dem politischen Leben wird von der Gewerkschaftsbürokratie und ihren pseudolinken Anhängern in Gruppen wie den Democratic Socialists of America (DSA) durchgesetzt.

Dies spiegelt sich beispielsweise in einem Mindestlohn von 7,25 Dollar pro Stunde wider, der nicht einmal zum nackten Überleben reicht. Unterdessen gibt die Regierung jährlich 1 Billion Dollar für Krieg und Rüstung aus. 1 Billion pro Jahr entfällt auf die Tilgung der Staatsschulden, die mittlerweile 34 Billionen Dollar betragen, Tendenz steigend. Diese Zahlungen, an denen sich unmittelbar die Banken und Hedgefonds bereichern, kommen zu den insgesamt 12 Billionen Dollar hinzu, die in den Krisen von 2008 und 2020 zur Rettung der Finanzelite ausgegeben wurden.

Die Millionen Arbeiter, die für Trump gestimmt haben, taten dies aus Protest gegen die Gleichgültigkeit von Biden und Harris gegenüber den verheerenden Auswirkungen der Inflation und der Sozialkürzungen, einschließlich der Streichung von Medicaid für 40 Millionen Menschen. Sie haben nicht für eine Diktatur gestimmt, nicht für das Zusammentreiben von Arbeitsmigranten in Konzentrationslagern, die vom Militär überwacht werden, um sie in Schnellverfahren zu deportieren, nicht für die Ausweitung des globalen Kriegs des US-Imperialismus gegen China, nicht für eine Ausweitung der Unterstützung Washingtons für den Völkermord in Gaza und auch nicht für die Vernichtung von Millionen weiterer Arbeitsplätze und grundlegender sozialer Dienstleistungen.

Sie werden fassungslos und wütend sein über das, was Trump für sie bereithält, und sie werden Widerstand leisten, massiv und in revolutionärem Ausmaß. Leo Trotzki widmete in seiner monumentalen Geschichte der Russischen Revolution ein Kapitel dem Zaren und Zarin. Darin schildert er den Stumpfsinn, der die herrschenden Klassen am Vorabend revolutionärer Umwälzungen zu befallen scheint. Er schreibt:

Der historischen Brandung, die ihre Wogen immer näher an die Tore des Palastes heranwälzte, brachte der letzte Romanow eine dumpfe Teilnahmslosigkeit entgegen. Es war, als trenne sein Bewusstsein und seine Epoche eine durchsichtige, aber völlig undurchdringliche Sphäre.

Und weiter unten heißt es:

Der Zar brauchte nicht zu Narkotika zu greifen: Er hatte das tödliche „Getränk“ schon im Blut. Nur waren dessen Wirkungen besonders verblüffend auf dem Hintergrund der großen Ereignisse des Krieges und der inneren Krise, die zur Revolution geführt hat. (Leo Trotzki, Geschichte der russischen Revolution, Februarrevolution, Essen 2023, S. 85 und 89).

Der amerikanischen herrschenden Klasse steht eine historische Abrechnung bevor. Die gesellschaftliche Kraft, die allein das Abgleiten in den Faschismus und den Weltkrieg aufhalten und umkehren kann, ist die Arbeiterklasse in den USA und international. Sie wird kämpfen, braucht aber eine wissenschaftliche marxistische und internationalistische Perspektive und Strategie. Dazu muss eine neue Führung aufgebaut werden, was nur durch die trotzkistische Bewegung, die Socialist Equality Party und das Internationale Komitee der Vierten Internationale, erreicht werden kann. Allen, die die Gefahren sehen und dagegen kämpfen wollen, sagen wir: Schließt euch der Sozialistischen Gleichheitspartei an und nehmt den Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und den Sozialismus auf!

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