Thyssenkrupp will 11.000 Stahlarbeitsplätze abbauen

Thyssenkrupp will 11.000 Stellen in seinem Stahlbereich abbauen, das sind 40 Prozent der aktuell noch 27.000 Arbeitsplätze. Das gab Deutschlands größter Stahlkonzern am Montag bekannt. Die Stahlarbeiter an Rhein und Ruhr, im Sieger- und Sauerland sind schockiert. Die IG Metall hat währenddessen klargemacht, dass sie diese Angriffe mittragen wird – wenn, wie beim Abbau der letzten Jahrzehnte, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.

Stahlarbeiter demonstrieren am 9. Juni 2022 in Duisburg vor der Hauptverwaltung von Thyssenkrupp-Stahl

Am Montag legte der Vorstand der Stahlsparte dem Strategieausschuss des Aufsichtsrats das seit langem angekündigte „umfassende industrielle Zukunftskonzept“ vor. Es ist ein einziges Kahlschlagkonzept, das die Profite im eskalierenden weltweiten Handels- und Wirtschaftskrieg auf Kosten der Belegschaft sichern soll.

Bis 2030 sollen 5000 Arbeitsplätze in den Hüttenwerken und Fabriken aller Standorte vernichtet werden, dazu gehöre auch „eine deutliche Straffung der Verwaltungen“. Das Weiterverarbeitungswerk in Kreuztal-Eichen im Siegerland mit knapp 600 Beschäftigten soll geschlossen werden. Besonders betroffen dürfte auch das größte deutsche Stahlwerk im Duisburger Norden sein. Dort arbeiten bislang fast 13.000 Menschen.

Weitere 6000 Arbeitsplätze sollen durch Ausgliederungen an externe Dienstleister oder durch Verkäufe abgestoßen werden. Das betrifft vor allem die 3000 Stahlarbeiter der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) im Duisburger Süden.

Thyssenkrupp ist dort mit 50 Prozent größter Anteilseigner, Salzgitter Stahl hält 30 Prozent, der französische Konzern Vallourec 20 Prozent. Sollten die derzeitigen Kaufverhandlungen mit dem Hamburger Finanzinvestor CE Capital Partners (CEC) scheitern, „wird Thyssenkrupp Steel mit den weiteren Gesellschaftern Gespräche über einvernehmliche Schließungsszenarien führen“, erklärte der Konzern.

Die verbleibenden 16.000 Beschäftigten sollen Lohn- und Gehaltskürzungen von zehn Prozent akzeptieren, um die Personalkosten „auf ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau“ zu bringen, so der Konzern. Das soll u.a. über Kürzungen bei Sonderzahlungen und Boni erfolgen. Neueingestellte sollen niedrigere Löhne erhalten.

Der Personalvorstand des Mutterkonzerns, Oliver Burkhard, hat am Tag der Bekanntgabe des Kahlschlags angekündigt, dass er diesen Job zum 31. Januar 2025 aufgibt. Burkhard, der NRW-Bezirkschef der IG Metall war, bevor er in den Konzernvorstand wechselte, will sich ganz seinem Zweitjob als Vorstandsvorsitzender der Werften-Sparte Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) widmen.

Die Waffenschmiede mit 6500 Beschäftigten, in der U-Boote und Kriegsschiffe produziert werden, kann sich angesichts eskalierender Kriege vor Aufträgen kaum retten. Derzeit wird mit Hochdruck ihr Börsengang betrieben, und Burkhard sagt, er wolle sich voll und ganz auf diese Aufgabe konzentrieren.

Wer sein Nachfolger als Personalchef von ThyssenKrupp wird, ist noch nicht bekannt. Da werden innerhalb der IG Metall bereits die Messer gewetzt. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol wird sich mit anderen „verdienten“ Gewerkschaftsfunktionären um den Job streiten, der ein Gehalt von 400.000 Euro verspricht – im Monat.

Unter den Bewerbern dürfte auch Knut Giesler sein. Der Nachfolger von Oliver Burkhard bei der IG Metall hat sofort seine Bereitschaft erklärt, den Kahlschlag in der Stahlsparte mitzutragen. Gestern Morgen erklärte er im Deutschlandfunk, „die roten Linien“ der Gewerkschaft seien betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen. Sobald der Verzicht darauf zugesichert sei, könne man verhandeln.

Ins gleiche Horn stieß Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp, der forderte: „Wir erwarten klare Aussagen zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und zum Erhalt aller Standorte.“

Eine gemeinsame „Duisburger Erklärung“ aller Thyssenkrupp-Betriebsräte ist noch deutlicher. „Wir verschließen unsere Augen nicht vor der Realität der schwachen Konjunktur und dem schwachen Absatzmarkt in der Automobilindustrie“, heißt es darin. Ebenso sei ihnen bewusst, „dass die europäischen Rahmenbedingungen für die Stahlindustrie herausfordernd sind“.

Auch die Betriebsräte fordern den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und auf Standortschließungen. Mit dieser nichtssagenden Formel hat die IG Metall bereits in der Vergangenheit dem Abbau zehntausender Arbeitsplätz zugestimmt – sie kennt auch andere Methoden, die Arbeiter aus dem Betrieb zu drängen – und schließlich doch die Schließung der meisten Stahlwerke akzeptiert.

Der Thyssenkrupp-Vorstand kennt dieses Spiel. Er hat bereits versichert, es bleibe sein „erklärtes Ziel“, „betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden“.

Es ist also schon jetzt klar, dass die IG Metall und ihre Betriebsräte dem Konzern-Vorstand folgen werden. „Wir wissen, dass eine Restrukturierung notwendig ist“, bestätigte Giesler im Deutschlandfunk. „Dem haben wir uns nie entgegengestellt.“ Doch die Zerschlagung müsse „Sinn machen“.

So verlangen er und die IGM eine Finanzierungszusage für die Stahlsparte von mehr als zwei Jahren, wie sie der Mutterkonzern unter Vorstandschef Miguel López bereits gegeben hat. Der Mutterkonzern versucht gerade, die Stahlsparte in ein Joint Venture mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky zu überführen. Dieser ist bislang mit seiner EP Corporate Group (EPCG) zu 20 Prozent an der Stahlsparte beteiligt. Ob es am Schluss bei den angestrebten 50 Prozent bleibt, ist unklar.

Die Auseinandersetzungen über die Höhe der Finanzierungszusage hatte Anfang August zum Abgang mehrerer Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Stahl-Sparte geführt. Vorstandschef Bernhard Osburg, Personalvorstand Markus Grolms (IG Metall), Produktionsvorstand Heike Denecke-Arnold, der Aufsichtsratsvorsitzende Sigmar Gabriel (SPD) und sein Stellvertreter, der ehemalige IGM-Chef Detlef Wetzel, waren damals zurückgetreten

Damals hatte der Vorsitzende des Stahlbetriebsrats Ali Güzel im Beisein von Gabriel und Wetzel angekündigt: „Wir werden ab morgen kämpfen. Einer muss diesen Wahnsinn stoppen.“ Fast vier Monate später ist nichts dergleichen passiert. Die IG Metall hat, wie das berühmte Kaninchen im Angesicht der Schlange, gebannt auf die Ankündigung des jetzt vorgelegten Arbeitsplatzmassakers gewartet. Es übersteigt selbst die Horrorszenarien der Gewerkschaft, die vor dem Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen gewarnt hatte.

Dennoch frohlockt Giesler, dass die Kapazitätssenkung bei der Stahlproduktion weniger hart ausfalle als befürchtet. Thyssenkrupp Stahl will seine Produktionskapazitäten von derzeit 11,5 auf 8,7 bis 9 Millionen Tonnen pro Jahr senken.

Giesler gab sich zufrieden: „Das würde den Erhalt beider Stahlwerke im Duisburger Norden bedeuten.“ Auch das Bekenntnis zur DRI-Anlage sei „das richtige Signal“, so der IGM-Bezirksleiter. Mithilfe der Direktreduktions-Anlage soll der Stahl mit „grünem Wasserstoff“, und damit CO2-frei, gekocht werden. Der erste Hochofen ist im Bau, Thyssenkrupp erhält dafür Steuergelder von 2 Milliarden Euro vom Bund und dem Land NRW.

Der Bau einer zweiten DRI-Anlage steht jedoch in den Sternen. Trotzdem plant der Vorstand, nach der Inbetriebnahme der ersten Direktreduktionsanlage die Hochöfen 8 und 9 für immer herunterzufahren und 2031 den Hochofen 1 (den „Schwarzen Riesen“) stillzulegen.

Die Betriebsräte klagen, dadurch sei man auf Stahlzulieferer angewiesen. Zudem benötige der Betrieb des Schwarzen Riesen für weitere sieben Jahre Investitionen von 300 bis 400 Millionen Euro. Niemand glaube, dass dies für die alte, CO2-schleudernde Stahlwerkstechnologie eingebracht werde.

Die Stahlarbeiter von Thyssenkrupp und HKM können ihre Arbeitsplätze nicht verteidigen, ohne mit der IG Metall und ihren Betriebsräten zu brechen. Sie müssen sich mit den Kolleginnen und Kollegen in der Auto-, Chemie- und anderen Industrien verbünden, wo ebenfalls zehntausende Arbeitsplätze vernichtet werden. Und sie müssen sich mit den Arbeitern anderer Länder zusammenschließen und den Kampf international führen.

Das Arbeitsplatzmassaker in der Stahlindustrie ist keine Naturkatastrophe, sondern eine Folge des Bankrotts des kapitalistischen Systems, das die Bedürfnisse der Gesellschaft dem Profithunger milliardenschwerer Oligarchen unterordnet. Auf dem Rücken der Arbeiter wird ein erbarmungsloser Kampf um Rohstoffe, Energie und Absatzmärkte ausgetragen, der sich inzwischen – wie im Nato-Krieg gegen Russland und im Nahen Osten – zu einem dritten Weltkrieg ausweitet.

Die Stahlindustrie ist von den Folgen besonders betroffen – von der Konjunkturkrise im Allgemeinen, der Absatzflaute der Autoindustrie, die zu den Hauptabnehmern von Stahl zählt, und dem Preiskampf auf dem Weltmarkt. Nun hat der designierte US-Präsident Donald Trump angekündigt, die Zölle auf Stahl weiter anzuheben, was die europäischen Stahlproduzenten besonders treffen wird.

Die Gewerkschaftsfürsten mit ihren hohen fünf-, sechs- und siebenstelligen Einkommen reagieren darauf, indem sie die Belegschaften für die Kriegspolitik und die Profitinteressen der Aktionäre zahlen lassen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angekündigt, die heimische Industrie aus Sicherheitsgründen – als Lieferant der Rüstungsindustrie – gegen internationale Konkurrenz zu schützen. Mit anderen Worten: Er dreht weiter an der Schraube von Handelskrieg und Krieg.

Die IG Metall Baden-Württemberg hat nach Beginn des Ukrainekriegs in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Unternehmerverband Südwestmetall den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland unterstützt und angekündigt: „Diese Maßnahmen werden uns allen Opfer abverlangen.“

Die IGM-Bürokraten kennen keine „roten Linien“. Sie werden den Profiten der Konzerne und der Kriegspolitik jede soziale Errungenschaft und Millionen Arbeitsplätze opfern. Der Kampf gegen Arbeitsplatzabbau muss daher mit dem Kampf gegen Krieg verbunden werden. Das wiederum ist nur gegen die IG Metall möglich, nicht mit ihr.

Wir rufen alle Thyssenkrupp-Arbeiter auf, am Aufbau eines Aktionskomitees zur prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze und Arbeiterrechte mitzuwirken.

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