Thyssenkrupp: IG Metall stimmt Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen zu

Die IG Metall hat mit dem Aufsichtsrat und dem Vorstand des Thyssenkrupp-Konzerns den Abbau von mehreren Tausend Stellen im Stahlbereich vereinbart.

Bereits Ende April hatten Sprecher des Konzerns den Arbeitsplatzabbau sowie den Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky bei der Stahl AG angekündigt. Damals ging die IG Metall sofort auf die Barrikaden. Sie versammelte einige tausend Stahlbeschäftigte aus allen Standorten vor der Thyssenkrupp-Stahl-Verwaltung im Duisburger Norden und der Hauptverwaltung in Essen, die sich das lautstarke Getöse der Betriebsräte und der IG Metall anhören sollten.

Protest vor der ThyssenKrupp-Zentrale in Duisburg

Doch der Protest galt nicht der geplanten Zerstörung der Lebensgrundlage von vielen Tausend Stahlarbeitern und ihren Familien. Er galt dem Erhalt ihrer einträglichen Posten in dem Joint Venture, das mit der Übernahme von 50 Prozent der Thyssenkrupp Stahl Anteile durch Kretinskys Unternehmen EP Corporate Group (EPCG) entsteht. Die Bürokraten befürchteten, das neue Unternehmen werde seinen Hauptsitz möglicherweise außerhalb Deutschlands haben und die gesetzlich geregelte Korruption namens „Montanmitbestimmung“ werde damit wegfallen.

Nun hat ein illustrer Kreis dem Thyssenkrupp-IGM-Apparat den Erhalt seiner Pfründe zugesichert. Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López, Stahlchef Bernhard Osburg, der Milliardär Kretinsky sowie die Personalvorstände des Gesamtkonzerns, Oliver Burkhard, und des Stahlkonzerns, Markus Grolms, (beide ehemalige IGM-Funktionäre) haben eine dreiseitige Erklärung unterschrieben, die der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vorliegt. Diese hebt einen Satz daraus hervor: „Übertragung der derzeitigen Mitbestimmungsregelungen der Thyssenkrupp AG auf die neue Obergesellschaft.“

Allein darum ging es den IGM-Apparatschiks. Die Betriebsräte und gewerkschaftlichen Aufsichtsräte erhalten hohe, bis zu sechsstellige Summen im Jahr. Wirklich lukrativ wird es für sie, wenn sie auf den Sessel eines Personalvorstands wechseln. Dann wird so mancher Funktionär im Handumdrehen zum Einkommensmillionär. Markus Grolms und Oliver Burkhard sind nur zwei davon.

Daher kämpfen die Funktionäre und freigestellten Betriebsräte leidenschaftlich, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Die Beschäftigten dienen ihnen dabei nur als Druckmittel in ihrer Auseinandersetzung mit der Konzernspitze. Sie werden regelrecht vorgeführt.

So ließen Gewerkschaft und Betriebsrat noch am Freitagmorgen letzter Woche Beschäftigte vor der Villa Hügel, dem Sitz der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, mit Trillerpfeifen, Trommeln und roten IGM-Fahnen protestieren. Die Stiftung ist mit einem Anteil von rund 21 Prozent die größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp. Deren Kuratoriumsvorsitzende Ursula Gather hatte sich hinter die Umbaupläne von Vorstandschef López gestellt.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol verwies vor der Krupp-Villa auf die „historische Verantwortung“ der Krupp-Stiftung gegenüber der Stahlbelegschaft. „Es ist ernst“, sagte Nasikkol mit Blick in die besorgten und wütenden Gesichter der Arbeiter. Daher dürfe die Stiftung jetzt nicht „stiften gehen“.

Über die Zustimmung zum Arbeitsplatzabbau bewahrte der Betriebsratschef Stillschweigen. Er überließ es dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Gesamtkonzerns, dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), sowie dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden des Stahlbereichs, dem früheren IGM-Chef Detlef Wetzel, das Abkommen bekanntzumachen. Während Nasikkol vor der Villa Hügel große Töne spuckte, plauderten Gabriel und Wetzel nicht unweit davon mit der WAZ über das Abkommen, das den Abbau der Arbeitsplätze besiegelt.

Gabriel und Wetzel waren vom Thyssenkrupp-Stahl-Aufsichtsrat beauftragt worden, in dem nun unterzeichneten Papier die „Grundsätze der Zusammenarbeit“ zwischen Thyssenkrupp AG, Thyssenkrupp Stahl und der EPCG von Kretinsky niederzuschreiben.

Die „Mitbestimmung“ wird beibehalten und gleichzeitig dem von López geforderten Abbau zugestimmt. Wie immer wird dies mit dem Verweis auf den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen gerechtfertigt. Wetzel sagte der WAZ: „Dass wir betriebsbedingte Kündigungen bei Thyssenkrupp Steel im Zuge der Restrukturierung ausschließen können, ist ein wichtiger Schritt. Absehbar ist aber auch: Es wird noch vielen Menschen im Unternehmen viel abverlangt werden.“

Tatsächlich sind seit der Wiedervereinigung 1990 in der deutschen Stahlindustrie die Hälfte aller Arbeitsplätze vernichtet worden, insgesamt 90.000. Dabei wurde nicht einem Stahlarbeiter „betriebsbedingt“ gekündigt. Der Verzicht auf „betriebsbedingte Kündigungen“ ist der Modus Operandi, mit dem die Gewerkschaftsapparate „sozialpartnerschaftlich“ Arbeitsplätze vernichten. Sie kennen zahlreiche andere Wege, die Arbeiter aus dem Betrieb zu treiben.

In den kommenden Wochen und Monaten werden die IG Metall, der Gesamtbetriebsrat unter Nasikkol und der Stahlbetriebsrat unter Ali Güzel den massiven Arbeitsplatzabbau durchsetzen. Sie werden über eine in dem Papier verabredete „Begleitkommission“ „für die gesamte Dauer der Vorbereitung und Realisierung der geplanten Restrukturierung“ einen „geregelten Austausch“ haben und „umfassend“ am Abbau beteiligt werden.

Allein bei Thyssenkrupp Stahl mit seinen 27.000 Beschäftigten sollen bis zu 5000 Jobs auf der Kippe stehen, genaue Zahlen geben Thyssenkrupp und IG Metall nicht bekannt.

Völlig unklar ist das Schicksal der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) im Duisburger Süden. Thyssenkrupp ist mit 50 Prozent an der Hütte beteiligt, in der noch etwa 3000 Menschen arbeiten. Weitere Anteilseigner sind der niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter (30 Prozent) und der französische Rohrhersteller Vallourec (20 Prozent). Der hat sich inzwischen ganz aus Deutschland zurückgezogen und im letzten Jahr seine beiden Röhrenwerke (ehemals Mannesmann) in Düsseldorf und Mülheim/Ruhr mit einst 2000 Beschäftigten geschlossen. Thyssenkrupp hat sich zu seinen Plänen für HKM noch nicht geäußert.

Noch arbeiten rund 90.000 Beschäftigte in der Stahlindustrie in Deutschland. Das globale Anwachsen von Handelskrieg und Krieg treibt die Konkurrenz um Rohstoffe, Energie und Absatzmärkte gefährlich in die Höhe. Das setzt die Stahlindustrie in Deutschland und ganz Europa gehörig unter Druck.

In Tschechien ist letzte Woche die Zahlungsunfähigkeit des größten Stahlwerkes des Landes gerichtlich bestätigt worden. Das Werk Liberty Ostrava gehört zu Liberty Steel, das wiederum Teil des GFG-Konzern des britisch-indischen Milliardärs Sanjeev Gupta ist. GFG hatte das Werk 2019 vom Luxemburger Konzern Arcelor Mittal übernommen. Mit mehr als 5000 Beschäftigten ist es einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region.

In Italien ist Arcelor Mittal vor vier Monaten aus dem insolventen Stahlwerk in Taranto, einem der größten in Europa, ausgestiegen. Acciaierie d'Italia (ADI) – das italienische Stahlunternehmen, früher unter dem Namen Ilva bekannt – war von Arcelor Mittal erst 2018 mehrheitlich übernommen worden. Nun hat es Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unter staatlicher Aufsicht gestellt. 8000 Beschäftigte fürchten um ihren Arbeitsplatz.

Die Stahlarbeiter dürfen sich in dieser Situation nicht von der IG Metall an die Konzerne und die Bundesregierung ketten lassen. Diese sind dabei, die Lebensgrundlage der Arbeiterklasse ihren Kriegsplänen zu opfern.

Die IG Metall Baden-Württemberg hatte sofort nach Beginn des Ukrainekriegs in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Unternehmerverband Südwestmetall den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland unterstützt und angekündigt: „Diese Maßnahmen werden uns allen Opfer abverlangen.“ Die IGM hat letztes Jahr auch an der von Kanzler Olaf Scholz einberufenen Konzertierten Aktion teilgenommen, um abzusprechen, wie die Milliardenkosten auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.

Gemeinsam mit der Rüstungsindustrie fordert sie die Stärkung der heimischen Kriegsgüter- und Waffenindustrie. Mit Oliver Burkhard ist ein ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär Chef eines der größten deutschen Rüstungskonzerne, nämlich von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS).

Bei Thyssenkrupp will nun diese eingeschworene Bande aus Betriebsräten, IGM-Funktionären, Aufsichtsräten und Personalvorständen die nächste Runde des Abbaus einläuten. Die Stahlarbeiter bei Thyssenkrupp, HKM, Salzgitter, Arcelor Mittal, Georgsmarienhütte usw. sind mit dieser gemeinsamen Front konfrontiert. Sie sollen mit ihren Arbeitsplätzen für die Kriegspolitik bezahlen.

Das darf nicht zugelassen werden. Der Kampf gegen Arbeitsplatzabbau muss mit dem Kampf gegen Krieg verbunden werden. Das ist nur gegen die IG Metall möglich, nicht mit ihr.

Deshalb ist der Aufbau von gewerkschaftsunabhängigen Aktionskomitees in allen Konzernen an allen Standorten notwendig. Diese müssen sich untereinander vernetzen und den Kampf organisieren – in Deutschland, Europa und international.

Wir rufen alle Beschäftigten von Thyssenkrupp und der anderen Stahlkonzerne auf, Kontakt mit uns aufzunehmen. Schreibt eine Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 oder registriert euch gleich über das untige Formular.

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