Thyssenkrupp bereitet Kahlschlag in der Stahlsparte vor

Am Donnerstag protestierten erneut Tausend Stahlarbeiter von Thyssenkrupp im Duisburger Norden gegen die drohenden Massenentlassungen. Die IG Metall und ihre Betriebsräte treibt dagegen die Sorge, dass sie die Kontrolle über die wachsende Empörung verlieren.

Aktion der IG Metall am 14. Juni in Duisburg, um Subventionen für Thyssenkrupp zu fordern

In der Hauptverwaltung des Stahlbereichs fand vorgestern eine kurze Aufsichtsratssitzung statt, in welcher der schon zuvor angekündigte Rausschmiss von drei der fünf Stahl-Vorstände behandelt wurde. Vorstandschef Bernhard Osburg, Personalvorstand Markus Grolms sowie Produktionsvorstand Heike Denecke-Arnold hatten kurz vorher vom Gesamtkonzernchef Miguel López Aufhebungsverträge erhalten. Die Geschäfte übernehmen erst einmal die verbliebenen zwei Stahlvorstände Dennis Grimm (Technik) und Philipp Conze (Finanzen).

Zugleich legten am Donnerstag vier Aufsichtsratsmitglieder ihre Ämter nieder, der Aufsichtsratsvorsitzende Sigmar Gabriel (SPD) und sein Stellvertreter, der ehemalige IGM-Chef Detlef Wetzel, zudem Elke Eller, die auf Bitte Gabriels in den Aufsichtsrat kam, und Wilfried Schäffer, ehemaliger Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium.

Die IG Metall und die Betriebsräte jammerten anschließend vor der Hauptverwaltung über die Entscheidung aus der Konzernzentrale in Essen und lobten Stahlvorstand Osburg und den SPD-Politiker Gabriel über den Klee. Der Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol erklärte Gabriel zugewandt: „Du bist ein Kollege, einer von uns. Du hast uns echt gutgetan.“ Nasikkol bescheinigte Gabriel, der seit 45 Jahren IGM-Mitglied ist und SPD-Generalsekretär, Vizekanzler, Bundesumwelt-, Bundeswirtschafts- und Außenminister war, habe „gekämpft bis zum bitteren Ende“.

Gabriel behauptete, er und sein Stellvertreter Wetzel hätten ihre Ämter niedergelegt, „weil wir uns solidarisch verhalten“.

Welch absurde Lüge. Während Gabriel sich genauso wenig wie die Vorstände und Aufsichtsräte um die eigene finanzielle Zukunft sorgen muss, stehen die 27.000 Stahlbeschäftigten von Thyssenkrupp vor einer ungewissen Zukunft.

Die Demission von Osburg hatte sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Er stritt sich mit López öffentlich über die Bedingungen, unter denen die Stahlsparte vom Konzern abgespalten und in ein Joint Venture mit der EP Corporate Group (EPCG) des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky überführt werden soll.

López verfolgt nach Angaben der IG Metall die Halbierung der Produktion, was Werksschließungen und den Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen bedeuten würde. Thyssenkrupp betreibt Stahlwerke nicht nur in Duisburg, sondern unter anderem auch in Bochum, Gelsenkirchen, Dortmund, Hagen, Siegen und Finnentrop. Zudem wolle López der Stahltochter nur 2 Milliarden Euro als „Mitgift“ in die Partnerschaft mit Kretinskys Unternehmen geben.

Osburg verlangt rund 4 Milliarden Euro. Er und Gabriel hatten bereits im April angekündigt, die Stahlproduktion stark zu kürzen, was den Abbau von 2.000 bis 5.000 Arbeitsplätzen bedeutet hätte. Die IG Metall hatte dies sofort unterstützt und lediglich darauf beharrt, dass diese Stellen wie in der Vergangenheit ohne betriebsbedingte Kündigungen abgebaut werden. Zudem bestanden sie darauf, dass auch im neuen Unternehmen mit der EPCG die legale Korruption namens „Mitbestimmung“ beibehalten werde. Weil Osburg dies zusagte, priesen Gewerkschaft und Betriebsrat ihn als „den besten Stahlvorstand, den wir je hatten“, und lobten ausdrücklichen seinen „Businessplan“.

Nun stehen IG Metall und Betriebsräte mit Lopez einem Vorstand gegenüber, der brutal die Profitinteressen der Aktionäre gegen die Belegschaften durchsetzen will und auf die inzestuöse Zusammenarbeit mit der IGM in Vorstand und Aufsichtsrat wenig Wert legt.

Ihre Befürchtung ist daher, dass wegen López‘ harter Haltung die Stahlarbeiterinnen und -arbeiter tatsächlich kämpfen und sprichwörtlich „die Ruhr brennt“, so wie sie dies in ihren Sonntagsreden immer prophezeien, aber niemals wahrmachen. Wenn es nach ihnen ginge, wären brennende Ölfässer wie vor der Mahnwache, die sie seit einigen Wochen vor Tor 1 halten, das einzige, was brennt.

Während sich IGM und Betriebsrat auf López einschießen und zu „López raus“-Rufen animieren, müssen sich die Thyssenkrupp-Stahlarbeiter besinnen und die notwendigen Schlussfolgerungen aus den vergangenen Kämpfen und Auseinandersetzungen ziehen. In den letzten Jahrzehnten, seit dem Arbeitskampf der Krupp-Arbeiter in Duisburg-Rheinhausen 1987/88, sind in der deutschen Stahlindustrie die Hälfte aller Arbeitsplätze vernichtet worden, insgesamt 90.000.

Die Rheinhauser Krupp-Stahlarbeiter standen noch auf den Barrikaden und kämpften um den Erhalt ihres Stahlwerks, da hatte die IG Metall – damals unter Franz Steinkühler – in der berüchtigten, gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband unterzeichneten Frankfurter Erklärung bereits dem Abbau von 25.000 Arbeitsplätzen zugestimmt.

Seitdem folgte ein „Zukunftskonzept“ dem anderen. In jedem unterschrieben die IGM und ihre Betriebsräte Lohnsenkungen und Arbeitsplatzabbau, angeblich immer, um die jeweiligen Standorte zu retten.

Keiner der so vernichteten 90.000 Stahlarbeitsplätze ist durch „betriebsbedingte Kündigungen“ abgebaut worden, sondern einvernehmlich – „sozialverträglich“. Die IGM-Funktionäre wurden zur Belohnung dafür nicht selten als Arbeitsdirektoren in die Vorstände des Konzerns geholt und erhielten Millionen. Der jetzt geschasste Markus Grolms und der Personalvorstand des Gesamtkonzerns und gleichzeitige Chef der Tochter Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), Oliver Burkhard, sind nur zwei von ihnen.

Ohne Zweifel werden auch Nasikkol und der Stahlbetriebsratsvorsitzende Ali Güzel finanziell davon profitieren, wenn sie es schaffen, die geplanten Angriffe López gegen die Belegschaften durchzusetzen.

Güzel sagte am Donnerstag nach der Aufsichtsratssitzung im Beisein von Nasikkol, Gabriel und Wetzel: „Wir werden ab morgen kämpfen. Einer muss diesen Wahnsinn stoppen. Wer, wenn nicht wir?“

Am folgenden Tag, gestern, geschah: Nichts.

Den „Wahnsinn“ – die Vernichtung der Lebensgrundlage von Zehntausend Stahlbeschäftigten und ihren Familien im Interesse der Aktionäre – können nur die Beschäftigten selbst stoppen, wenn sie sich unabhängig von der IG Metall und deren Betriebsräten organisieren. Arbeiterinnen und Arbeiter müssen diese Bankrotteure als ihre Gegner verstehen. Sie sind nicht am Erhalt der Werke und Arbeitsplätze interessiert, sondern an „Ruhe und Ordnung“ und nicht zuletzt an ihren eigenen Pfründen.

Detlef Wetzel hat dies am Donnerstag noch einmal klargemacht. Er erklärte: „In den nächsten Wochen und Monaten wird nicht viel passieren“. Die von López eingesetzten neuen Vorstände „müssen sich mit den gleichen Problemen rumschlagen wie die jetzigen – nur möglicherweise schlechter“. Auch diese könnten „nicht mehr Stahl verkaufen, mehr höhere Preise auf dem Weltmarkt erzielen“. Mit anderen Worten: Die Stahlbeschäftigten sind machtlos den kapitalistischen Rahmenbedingungen des Weltmarkts ausgeliefert und müssen sich dem unterordnen.

Doch was treibt den Weltmarkt? Es ist das globale Anwachsen von Handelskrieg und Krieg, das die Konkurrenz um Rohstoffe, Energie und Absatzmärkte gefährlich in die Höhe treibt.

Die IG Metall Baden-Württemberg hatte sofort nach Beginn des Ukrainekriegs in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Unternehmerverband Südwestmetall den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland unterstützt und angekündigt: „Diese Maßnahmen werden uns allen Opfer abverlangen.“ Die IGM hat letztes Jahr auch an der von SPD-Kanzler Olaf Scholz einberufenen Konzertierten Aktion teilgenommen, um abzusprechen, wie die Milliardenkosten der Kriegspolitik auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.

Die Leidtragenden sind die Stahlbelegschaften in Deutschland und ganz Europa. In Tschechien meldete im Juni Liberty Ostrava, mit mehr als 5000 Beschäftigten das größte Stahlwerk des Landes, seine Zahlungsunfähigkeit. In Italien ist ArcelorMittal vor vier Monaten aus dem insolventen Stahlwerk in Taranto, einem der größten in Europa, ausgestiegen. 8000 Beschäftigte fürchten um ihren Arbeitsplatz.

Konzerne, IG Metall und die Bundesregierung sind dabei, die Lebensgrundlage der Arbeiterklasse ihren Kriegsplänen und Profitinteressen zu opfern. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Gesamtkonzerns und Chef des Bundeverbands der Deutschen Industrie (BDI) Siegfried Russwurm hat nun auch noch angekündigt, dass der geplante Bau einer Direktreduktionsanlage (DRI), mit deren Hilfe das Unternehmen erstmals grünen Stahl in Duisburg erzeugen will, wieder unsicher ist.

„Auch bei dem erst im vergangenen Jahr angelaufenen Großinvestitionsprojekt DRI in Duisburg gibt es bereits nach kurzer Zeit Risiken ungeplanter Mehrkosten, die aktuell bewertet werden“, heißt es in einer Erklärung von ihm. Dabei sollte dieses Vorhaben, für das Thyssenkrupp 2 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen kassieren will, den größten deutschen Stahlstandort langfristig sichern.

So sind zigtausende Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und darüber hinaus in Gefahr. Die Stahlarbeiter bei Thyssenkrupp, HKM, Salzgitter, ArcelorMittal, Georgsmarienhütte usw. sollen mit ihren Arbeitsplätzen für Kriegspolitik und Aktionärsinteressen zahlen.

Das darf nicht zugelassen werden. Der Kampf gegen Arbeitsplatzabbau muss mit dem Kampf gegen Krieg verbunden werden. Das ist nur gegen die IG Metall möglich, nicht mit ihr.

Wir rufen alle Thyssenkrupp-Arbeiter auf, am Aufbau eines Aktionskomitees zur prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze und Arbeiterrechte teilzunehmen.

Kontaktiert uns! Es ist Zeit, aktiv zu werden. Schreibt eine Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 oder registriert euch gleich über das folgende Formular.

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