Die katastrophalen Auswirkungen und die Zahl der Todesopfer der Überschwemmungen in Valencia am vergangenen Dienstag sind eine verheerende Anklage der gesamten gesellschaftlichen und politischen Ordnung. Valencia ist bekanntlich eines der am stärksten von Überschwemmungen gefährdeten Gebiete Europas. Wissenschaftler haben die spanischen und europäischen Behörden seit Jahren gewarnt, wie dringend notwendig es ist, die Bevölkerung zu schützen. Dennoch wurden unzählige Menschen am Dienstag nicht gewarnt, bevor die Wasserwände der Sturzfluten über ihre Häuser und Arbeitsplätze hereinbrachen.
Die spanischen Behörden versuchten, das Ausmaß der Katastrophe zu verschleiern. Sie weigerten sich, die Zahl der Todesopfer zu veröffentlichen, die erst am Freitagabend bekannt wurde, als Aufzeichnungen einer Sitzung der Regionalbehörden von Valencia an die Presse gelangten. Daraus ging hervor, dass 1.900 Menschen vermisst werden und fast 200 Tote bestätigt sind. Seitdem ist die Zahl der bestätigten Toten in ganz Spanien auf 217 gestiegen, davon 213 in der Region Valencia.
Fotodaten des Notfalldienstes des Copernicus-Raumprogramms der Europäischen Union (EU) zufolge sind mindestens 77.000 Gebäude mit 199.000 Bewohnern von den Überschwemmungen betroffen. Der Schlamm hat viele der Leichen begraben, andere wurden von den Fluten ins Meer hinausgetragen. Die Straßen sind mit Autos übersät, die von den Fluten wie Streichholzschachteln umhergeschleudert wurden. Tausende Menschen haben immer noch keinen Zugang zu fließendem Wasser, Strom, Heizung oder Medikamenten. In der gesamten Region liegen Geschäfte und Supermärkte in Trümmern.
Premierminister Pedro Sanchez (Sozialistische Partei, PSOE) hat zwar 10.000 Soldaten und Militärpolizisten in die Region beordert, doch werden die Rettungsmaßnahmen immer noch weitgehend von Freiwilligen durchgeführt. Das spanische Gesundheitsministerium hat davor gewarnt, dass die Krankenhäuser „am Rande des Kollaps“ stehen. Bis Freitag gingen bei der Notfall-Hotline 75.000 Anrufe ein. Die Routen des Mittelmeerkorridors, auf denen 40 Prozent der spanischen Waren transportiert werden, sind gesperrt. Die Autobahn A3 Madrid-Valencia ist unterbrochen, die Züge in Valencia stehen still, und dutzende Straßen und Brücken weisen Risse auf.
Außerdem wütet der Sturm immer noch in Ostspanien: In Murcia, Almeria, Alicante, Castellon, Tarragona und nun auch im Süden Valencias besteht Hochwasseralarm.
Valencia ist der Schauplatz eines sozialen Verbrechens. Wissenschaftler warnen seit langem davor, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel die Anfälligkeit des Mittelmeerraums und insbesondere Ostspaniens für katastrophale Überschwemmungen erhöht. Nach der Überschwemmung Valencias im Jahr 2019 warnte das Rote Kreuz in einem Bericht vor der schwachen Infrastruktur, dem Bau von Gebäuden in überschwemmungsgefährdeten Gebieten und der nicht vorhandenen Katastrophenplanung in Valencia und forderte Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor künftigen Überschwemmungen. Keine dieser Warnungen wurde in offiziellen Kreisen beachtet.
Die PSOE und Compromis, die valencianischen Verbündeten der pseudolinken Mittelklasse-Parteien Podemos und Sumar, gründeten kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Valencianische Notstandsunion (UVE), ohne sie zu finanzieren. Ihr Nachfolger, der valencianische Ministerpräsident Carlos Mazón von der rechten Volkspartei (PP), hat die UVE nach seiner Wahl im Jahr 2023 abgeschafft. Gleichzeitig senkte Mazón die Erbschaftssteuer für Landbesitzer und gewährte Volkswagen 90 Millionen Euro an Unternehmenssubventionen.
Als der Sturm herannahte, weigerte sich Mazón, Maßnahmen zu ergreifen, obwohl die staatliche meteorologische Agentur Spaniens fünf Tage im Voraus warnte und den Höchststand des Hochwassers für Dienstag korrekt vorhersagte. Haltlos versicherte er der Öffentlichkeit, dass die Regenfälle im Laufe des Tages nachlassen würden. Erst am Dienstag kurz nach 20:00 Uhr gab seine Regierung eine SMS-Warnung heraus, in der sie den Bewohnern riet, in den Häusern zu bleiben. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Region bereits überschwemmt und hunderte Menschen waren bereits tot.
In Die Lage der arbeitenden Klasse in England lieferte Friedrich Engels, der große Weggefährte von Karl Marx, eine berühmt gewordene Definition von sozialem Mord: „Wenn aber die Gesellschaft Hunderte von Proletariern in eine solche Lage versetzt, dass sie notwendig einem vorzeitigen, unnatürlichen Tode verfallen“, schrieb er, „und doch diese Bedingungen bestehen läßt – so ist das ebensogut Mord wie die Tat des einzelnen“.
Die Wut über die gesellschaftlichen Mörder, die die spanische und europäische Gesellschaft regieren, ist groß. Gestern besuchten Sanchez, Spaniens König Felipe VI. und Königin Letizia Paiporta, eine der am schlimmsten betroffenen Städte Valencias, wobei sie die Versorgung mit Hilfsgütern blockierten, indem die Polizei einen Sicherheitsbereich um sie herum einrichtete. Empörte Bewohner umringten Sanchez und das Königspaar, bewarfen sie mit Schlamm und skandierten: „Raus hier!“, „Pedro Sanchez, wo bist du?“ und „Mörder!“
Die milliardenschweren kapitalistischen Aristokraten haben Arbeiter zum Tode verurteilt, indem sie von ihnen verlangt haben, inmitten der Flut zur Arbeit zu kommen. Der reichste Mann Spaniens, Amancio Ortega (Nettovermögen 127 Mrd. EUR), verbietet den Beschäftigten von Inditex etwa den Besitz von Handys am Arbeitsplatz, wodurch sie sogar die hoffnungslos verspäteten offiziellen Notfalltexte verpassten. Arbeiter konfrontierten den Eigentümer der Mercadona-Supermärkte, Juan Ruig (9 Mrd. EUR), weil er während der Sturmflut Mercadona-Lastwagen losgeschickt hatte, woraufhin Ruig mit Obszönitäten antwortete.
Mit dem Klimawandel stehen Arbeiter und Jugendliche vor einer weltweiten Krise, die im verrotteten Rahmen des kapitalistischen nationalstaatlichen Systems nicht gelöst werden kann. Es ist allgemein bekannt, dass die globale Erwärmung zu immer heftigeren Stürmen auf dem Planeten führen wird. Es werden jedoch keine koordinierten Maßnahmen ergriffen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten oder die notwendigen Ressourcen zu investieren, um Infrastrukturen und Katastrophenschutzpläne einzurichten, die solchen Notfällen standhalten können.
Stattdessen stehen die Vertreter des Staates und der herrschenden Klasse in jedem Land der arbeitenden Bevölkerung mit bösartiger Gleichgültigkeit gegenüber und überlassen sie schutzlos den immer katastrophaleren Unwettern. In den Vereinigten Staaten verursachte der Hurrikan Helene kürzlich schwere Überschwemmungen, die über 230 Todesopfer forderten, während anhaltende Regenfälle in Mitteleuropa nur wenige Wochen vor der Katastrophe von Valencia zu Überschwemmungen und 20 Todesopfern führten. Überschwemmungen in Nigeria, im Tschad und in Ghana haben mehr als 1.500 Menschen getötet.
Die industriellen, technologischen und wissenschaftlichen Ressourcen sind vorhanden, um der globalen Erwärmung Einhalt zu gebieten und die Menschheit vor ihren Auswirkungen zu schützen, doch sie können nicht für diesen Zweck mobilisiert werden, solange sie sich im Griff einer herrschenden Klasse befinden, die zum Herrschen völlig ungeeignet ist.
Wo, muss man sich fragen, sind die Ressourcen geblieben, die für den Aufbau einer flutsicheren Infrastruktur und die Rettung von Menschenleben in Valencia hätten eingesetzt werden können? Seit dem Wall-Street-Crash von 2008 hat die Europäische Zentralbank ihre Bilanz massiv ausgeweitet und fast fünf Billionen Euro an öffentlichen Geldern gedruckt, die in Form von Rettungspaketen der Finanz- und Unternehmensaristokratie überwiesen wurden. Im gleichen Zeitraum haben die EU-Mächte gemeinsam hunderte Milliarden Euro für die Aufstockung ihrer Militärbudgets ausgegeben.
Unter den Regierungen PSOE-Podemos und PSOE-Sumar erreichte der spanische Militärhaushalt einen Rekordwert von 26 Milliarden Euro. Podemos- und Sumar-Minister beaufsichtigten die Auszahlung von EU-Rettungsgeldern an spanische Unternehmen, während Madrid inmitten des israelischen Völkermords in Gaza weiter Waffen mit Israel handelte.
Ihre Feindseligkeit gegenüber der Arbeiterklasse brachte Arbeitsministerin Yolanda Díaz von Sumar (ehemals Podemos) auf den Punkt, als sie auf dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie – die in Spanien zu über 140.000 Todesfällen geführt und Millionen Menschen mit Long Covid zurückgelassen hat – berüchtigterweise Arbeiter zurück zur Arbeit beorderte. Letzte Woche rief sie die Unternehmensleitungen zynisch zur „Verantwortung“ während der Überschwemmung auf, damit „niemand unter Risiken arbeitet“.
Bittere Erfahrungen zeigen jedoch, dass es sinnlos ist, moralische Appelle an das Gewissen von parasitären Kapitalisten wie Sanchez oder Ruig zu richten. Sie und ihre pseudolinken Verteidiger wie Díaz und Podemos sind für die legitimen Forderungen der Massen ebenso unempfänglich wie die Rechten der PP.
Es gibt keine einfache Lösung für die Klimakrise und ihre Auswirkungen. Um neue Katastrophen wie die Überschwemmungen in Valencia zu verhindern, muss auf internationaler Ebene eine sozialistische Bewegung in der Arbeiterklasse aufgebaut werden, die imperialistischen Kriegen und Völkermord Einhalt gebietet, den Kapitalisten die Kontrolle über den von den Arbeitern geschaffenen gesellschaftlichen Reichtum entreißt und ihn zur Befriedigung der drängenden sozialen Bedürfnisse der Menschheit einzusetzen.