Bei den starken Regenfällen und Sturzfluten um die ostspanischen Städte Valencia, Albacete und Cuenca seit Dienstag wurden mindestens 159 Menschen getötet, Dutzende weitere werden noch vermisst. Ganze Dörfer wurden weggespült. Zehntausende saßen in ihren Häusern fest, bei 120.000 Einwohnern fiel der Strom aus, und zahlreiche Straßen wurden unpassierbar.
Menschen wurden bei den Überschwemmungen weggespült, Kinder und Ältere kämpften ums Überleben. Versuche, den Notruf 112 zu erreichen, scheiterten, da die Telefonleitungen zusammengebrochen waren. In der Stadt brach Chaos aus, da hunderte Menschen in Autos, Lastwagen oder auf Hausdächern festsaßen.
Viele Anrufe bei den Rettungskräften kamen von Arbeitern, die in ihren Betrieben festsaßen. Obwohl sie frühzeitig Warnungen vor den Auswirkungen der Unwetter erhalten hatten, weigerten sich viele Unternehmen, den Betrieb einzustellen und gefährdeten so das Leben ihrer Arbeiter. In Industriegebieten wie dem Industriepark El Oliverial wurde die Arbeit trotz der Gefahr wie gewohnt fortgesetzt. Auch Konzerne wie IKEA und Mercadona beharrten darauf, dass ihre Beschäftigten trotz der drohenden Überschwemmungen zur Arbeit erschienen.
In Paiporta brach das Chaos am Dienstag um 19 Uhr aus. Óscar Pozo, ein Einwohner des Ortes, erklärte gegenüber eldiario.es: „die Polizei warnte uns, dass der Fluss bereits über die Ufer getreten sei. Nur wenige Minuten später stand uns das Wasser zwischen den Knöcheln und bis zur Hüfte“. Bereits nach wenigen Minuten wurde der Strom abgeschaltet. „„Sie haben uns erst gewarnt, als das Wasser bereits in den Straßen stand, und die Polizei war schon direkt am Flussbett“, sagte er und beklagte das ‚schlechte Management‘ des Notfalls. „Der Alarm kam viel zu spät“, sagte er.
Durch die Überschwemmung wurden in den betroffenen Gebieten Berge von Schutt verteilt. Aufnahmen aus Valencia zeigen Autos, die am Straßenrand aufgestapelt sind; der spanische Verteidigungsminister bestätigte, dass eine Bahnlinie zwischen Madrid und Valencia schwer beschädigt wurde, und die Reparaturen erst in den nächsten vier Tagen beginnen könnten. Die Unwetter bewegen sich in nördlicher Richtung durch Spanien; für Cadiz wurde die höchste Hochwasserwarnung ausgegeben.
Diese Katastrophe, die durch den Klimawandel ausgelöst wurde, ist die schwerste Überschwemmung in der jüngeren Geschichte Spaniens – noch schlimmer als die Überschwemmung in Valencia von 1957 mit 80 Todesopfern, als der Fluss Turia durch sintflutartige Regenfälle über die Ufer trat.
67 Jahre später ist dieser tragische Verlust von Menschenleben keine Naturkatastrophe mehr, sondern eine soziale Katastrophe in Folge des menschengemachten Klimawandels. Sie entlarvt die Unfähigkeit der kapitalistischen herrschenden Klasse, grundlegende Katastrophenschutzmaßnahmen einzuleiten, geschweige denn geplante und koordinierte Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel aufzuhalten.
Dr. Ernesto Rodriguez Camino, ein führender staatlicher Meteorologe und Mitglied des spanischen Meteorologenverbandes, erklärte: „Allgemein gesagt, wissen wir, dass diese Art von schweren und außergewöhnlichen, seltenen Regenereignissen im Kontext des Klimawandels häufiger und heftiger auftreten und damit destruktiver sein werden. ... Wenn es durch starke Regenfälle zu Sturzfluten kommt, künnen sich diese mit gewaltiger Geschwindigkeit durch die Einzugsgebiete von Flüssen bewegen. So war es zwar seit Jahrhunderten, aber durch die Zunahme extremer Regenfälle entwickeln sich neue Gebiete zu gefährdeten Zonen.“
Dr. Friederike Otto vom Imperial College in London erklärte gegenüber der Daily Mail: „mit jedem Bruchteil eines Grades Erwärmung durch fossile Brennstoffe kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was zu stärkerem Regenfall führt. Diese tödlichen Überschwemmungen erinnern erneut daran, wie gefährlich der Klimawandel bereits durch eine Erwärmung um nur 1,3 Grad geworden ist. Doch letzte Woche warnten die UN, die Temperaturen könnten bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 3,1 Grad steigen.“
Die Provinz Valencia ist zwar eine der am stärksten von Überschwemmungen gefährdeten Gebiete Europas, doch die Behörden haben seit Jahrzehnten nichts Nennenswertes unternommen. Die Stadt und die umliegende Region an der spanischen Ostküste ist schweren Überschwemmungsrisiken ausgesetzt: Im Herbst kommt es zu extremen Regenfällen und plötzlichen heftigen Gewittern, die als Gota Fría bekannt sind. Besonders anfällig ist das Gebiet für Sturz- und Küstenfluten, da Urbanisierung und intensive Landwirtschaft die natürlichen Absorptionsbereiche reduziert haben, wodurch der Abfluss verstärkt wurde und die Entwässerungssysteme überlastet werden.
Im Jahr 2019 kam es in Valencia durch Rekordregenfälle zu schweren Überschwemmungen und mindestens sechs Toten. Im Jahr 2022 veröffentlichte das Rote Kreuz eine detaillierte Studie über Flutrisiken in der Region Valencia, die auf den Überschwemmungen von 2019 basierten, und forderte die spanischen Behörden auf, Katastrophenschutzpläne auszuarbeiten. Ihr Bericht forderte auf, „die Entwicklung von regionalen und lokalen Plänen zum Wiederaufbau nach Katastrophen zur gesetzlichen Pflicht zu machen, um einen effektiven Wiederaufbau zu gewährleisten.“
Doch in den letzten fünf Jahren seit 2019 wurde nichts unternommen, um Valencia auf neue Überschwemmungen vorzubereiten.
Tatsächlich hat die Regionalregierung von Valencia, die von der rechten Partido Popular (PP) geführt wird, erst vor wenigen Monaten ein Dekret zur Gründung der Notfalleinheit UVE zurückgenommen. Regierungssprecherin Ruth Merino behauptete pathetisch, dies sei Ausdruck von [Carlos] Mazóns Eintreten für die „Optimierung aller Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes auf effizientes Management.“
Tatsächlich schuf diese Entscheidung die Grundlage für das katastrophale Versagen der spanischen Behörden, in irgendeiner Form auf die eindringlichen Warnungen von Wissenschaftlern zu reagieren.
Die ersten Warnungen kamen am 25. Oktober, fünf Tage vor der Katastrophe. Der leitende staatliche Meteorologe Juan Jesus Gonzalez Aleman, ein Forscher der staatlichen meteorologischen Behörde, schrieb auf X: „in den nächsten fünf Tagen hat dieses DANA [spanisches Akronym für Tiefdruckgebiete] durch seine Charakteristika und sein Verhalten beträchtliches Potenzial für schwerwiegende Auswirkungen... Es wird zu denen gehören, an die man sich auf der Mittelmeerhalbinsel erinnern wird.“
Am Sonntagmittag gab die Behörde eine offizielle Warnung über die Auswirkungen in der Provinz Valencia heraus, in der mehr als fünf Millionen Menschen leben. Unter Anwendung wissenschaftlicher Vorhersagemethoden ermittelte sie korrekt, dass der Höhepunkt am Dienstag erfolgen werde: „Am Dienstag, dem 29., wird vermutlich der Höhepunkt dieser Episode sein; die größte Wahrscheinlichkeit für heftige Regenfälle wird in dieser Mittelmeerregion der Halbinsel herrschen. In Teilen der Regionen Valencia und Murcia könnten innerhalb von 24 Stunden 150mm Regen fallen.“
Am Dienstag löste Mazón erst viel zu spät einen Alarm aus, obwohl bereits um acht Uhr morgens eine Warnung des Wetterdienstes vorlag. Bis Mittag meldete die Hydrografische Vereinigung Júcar überlaufende Flussläufe und einen schnellen Anstieg des Flusses Albaida. Aber Mazón spielte die Warnungen herunter: „Laut der Vorhersage bewegt sich der Sturm auf die Serrania de Cuenca zu. Daher wird damit gerechnet, dass sich die Intensität in der Region Valencia verringern wird.“ Diese Erklärung wurde später aus den offiziellen Medienkanälen gelöscht.
Erst um 20:12 Uhr löste die Provinzregierung von Valencia eine automatische Notfallmeldung an Handys aus – zu diesem Zeitpunkt saßen jedoch bereits viele Menschen in den Fluten fest.
Auch die nationale Regierung aus PSOE und Sumar hat nichts unternommen, um die spanischen Katastrophenschutzpläne zu stärken oder die Regionalbehörden von Valencia zum Handeln zu drängen. Ministerpräsident Pedro Sanchez befand sich am Montag und Dienstag in Indien, um Spaniens militärisch-industriellen Komplex durch den Verkauf des Flugzeugs Airbus C-295 an die indische Luftwaffe zu stärken. Jetzt hat er das Militär in die Nothilfe eingebunden und mehr als 1.000 der militärischen Notfalleinheit UME zur Unterstützung der Rettungseinsätze mobilisiert.
Am Mittwoch erklärte der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell zynisch, die Ereignisse in Spanien hätten „verdeutlicht, wie dringend die Klimakrise bekämpft werden muss, da die hohe Temperatur des Mittelmeers einer der Gründe für die steigende Häufigkeit und Heftigkeit dieser Extremwetterereignisse ist.“
Borrell ist einer der führenden EU-Politiker, die sich dafür ausgesprochen haben, den Krieg gegen Russland zu eskalieren und der Ukraine Waffen und Geld in Höhe von hunderten Milliarden Euro zu liefern. Auf diese Weise wurden die Ukraine zu einem Schlachtfeld und ihre Bevölkerung zu Kanonenfutter für den Nato-Krieg gegen Russland.
Diese Kriege verdeutlichen, dass auf der Grundlage des kapitalistischen Nationalstaatensystems kein Kampf gegen die Krise des menschengemachten Klimawandels möglich ist. Statt ein geplantes, globales Vorgehen zum Schutz der Umwelt zu koordinieren, verschwendet das kapitalistische System gigantische Mittel für einen brudermörderischen Krieg, der zum Einsatz von Atomwaffen eskalieren könnte. Die Überschwemmungen in Valencia entlarven erneut die Unfähigkeit der kapitalistischen Regierungen jeder politischen Couleur, Maßnahmen zum Umweltschutz durchzuführen oder auch nur grundlegende Katastrophenschutzmaßnahmen zur Befriedigung existentieller sozialer Bedürfnisse der Bevölkerung zu planen.
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