Netanjahu erklärt offenen Krieg vor der UNO, Israel massakriert Hunderte in Beirut

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nutzte seine Rede vor der UN-Vollversammlung am Freitag, um faktisch einen offenen Krieg im gesamten Nahen Osten gegen den Iran zu erklären. Dabei fühlte er sich offenkundig sicher, dass er von den USA und den anderen imperialistischen Mächten weiterhin uneingeschränkt unterstützt wird.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht bei der 79. Sitzung der UN-Vollversammlung am 27. September 2024 [AP Photo/Richard Drew]

Netanjahu erklärte, Israel kämpfe „an sieben Fronten“ einen Krieg um seine Existenz gegen den Iran und seine Stellvertreter und werde bis zum „vollständigen Sieg“ in Gaza und im Libanon weiterkämpfen. Seine Aussage entlarvte die angeblichen Vorschläge der Biden-Harris-Regierung und ihrer Verbündeten für einen Waffenstillstand ein weiteres Mal als Farce.

Er drohte: „Im Iran gibt es keinen Ort, den Israels langer Arm nicht erreichen kann. Und das gilt für den gesamten Nahen Osten.“

Kaum eine Stunde nachdem Netanjahu seine Rede beendet hatte, demonstrierte sein Regime den völkermörderischen Inhalt seiner Kriegserklärung: Im dichtbesiedelten Süden Beiruts legten riesige Explosionen mindestens sechs Wohngebäude in Schutt und Asche und töteten hunderte Zivilisten.

In einer Operation, für die Netanjahu in New York persönlich grünes Licht geben hatte, warf die israelische Luftwaffe schwere, von den USA gelieferte und lasergesteuerte bunkerbrechende Bomben ab, um den Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah zu ermorden und die gesamte Bevölkerung des Libanon zu terrorisieren.

Netanjahus Büro erklärte, er werde sofort nach Hause fliegen, womit er sogar gegen eine übliche Regel verstieß, die Reisen am jüdischen Sabbat verbietet. Es veröffentlichte ein Foto auf dem der Ministerpräsident den Angriff anordnete, offenbar von einem Festnetztelefon in einer provisorischen Kommandozentrale in New York aus.

Seit Freitagabend gehen überall in den südlichen Vororten von Beirut, in denen fast eine Million Menschen leben, und in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanon die Bombenangriffe weiter. Das Ergebnis ist ein ähnliches Ausmaß an Zerstörung und Vernichtung von Menschenleben wie es im vergangenen Jahr bereits die Bevölkerung des Gazastreifens erlitten hat.

Die genaue Zahl der Todesopfer durch die Bombardierungen von Beirut ist zwar nicht bekannt, doch das israelische Militär selbst schätzt, wie Haaretz berichtet, dass bei der ersten Zerstörung der Wohnblöcke 300 Menschen getötet wurden.

Hala Jaber, eine Journalistin aus Beirut, die nicht weit vom Ort der Explosionen entfernt lebt, berichtete: „Sechs Gebäude mitsamt Bewohnern, und zwar Zivilisten, wurden buchstäblich in die Luft gesprengt. Die Rettungskräfte haben momentan große Schwierigkeiten, Leichen zu finden.“

Al Jazeera berichtete: „Sie versuchen, Leichen zu bergen. Wir haben mit Leuten vor Ort gesprochen, mit Zeugen, die berichteten, wie Kinderleichen von den Rettungskräften geborgen und in verschiedene Krankenhäuser gebracht wurden.“

Der Einsatz der neuesten Generation von bunkerbrechenden Raketen des Typs GBU-72 mit einem Gewicht von 2.200 Kilogramm, die 2001 für die US Air Force entwickelt wurden, zeigt erneut, dass diese Barbarei nicht nur vom zionistischen Regime in Israel ausgeht, sondern ihre Wurzeln in Washington hat. Frühere Versionen dieser Bomben wurden von den USA 1991 und 2003 im Irak benutzt und 2021 in Gaza von Israel.

Die daraus resultierenden Todesopfer erhöhen die Zahl der von Israel im gesamten Libanon getöteten mehr als 700 Menschen noch weiter. Dazu kommen noch viele weitere Verstümmelte in der letzten Woche und die riesige Zahl der vor zwei Wochen durch Pager-Angriffe im ganzen Land wahllos Getöteten.

Netanjahus kriegslüsterne Rede und die weitere brutale Eskalation von Israels Krieg, der von Washington unterstützt wird, verdeutlicht die Agenda, die von Anfang an dahinter steckte: einen größeren Flächenbrand auszulösen, um die unangefochtene Hegemonie der USA und ihrer Partner über die gesamte strategisch wichtige und rohstoffreiche Region herzustellen.

Netanjahu erwähnte ausdrücklich das von Israel besetzte palästinensische Westjordanland, den Libanon, Gaza, den Irak, Syrien, den Jemen und den Iran als „Fronten“ in Israels Krieg. Ermutigt durch die milliardenschweren Waffenlieferungen der Biden-Harris-Regierung rief er alle „verantwortungsbewussten Regierungen“ auf, sich an Israels Krieg gegen den Iran zu beteiligen.

Genau wie bei früheren Auftritten bei den UN hielt der israelische Regierungschef dreist Karten hoch, auf denen der gesamte Nahe Osten als „verfluchte“ Zone dargestellt wurde. Er erklärte, er müsse vom iranischen Einfluss gesäubert werden, um eine angeblich „gesegnete“ Region des Friedens und Wohlstands zu schaffen, möglicherweise gemeinsam mit dem despotischen saudischen Regime. Seine Karten zeigten obendrein den Gazastreifen und das Westjordanland als Teile von Israel.

Nachdem einige Regierungschefs bei der UN-Vollversammlung zuvor einen Waffenstillstand oder eine „Deeskalation“ gefordert hatten und einige Delegationen während seiner Rede den Saal verließen, bezeichnete Netanjahu die UN als „Sumpf antisemitischer Galle“ mit einer „automatischen Mehrheit, die bereit ist, den jüdischen Staat für alles zu verteufeln“.

Die Realität völlig auf den Kopf stellend, warf er der Hamas vor, seit dem 7. Oktober 2023 einen Holocaust im Stil der Nazis anzustreben, und wiederholte die Lügen über Massenvergewaltigungen, Enthauptungen und bei lebendigem Leib verbrannten Babys. Gleichzeitig eskaliert Israel seinen seit einem Jahr andauernden Angriff auf den Gazastreifen, wo das Militär mehr als 40.000 Menschen ermordet und fast die gesamte Bevölkerung vertrieben hat, und auf das Westjordanland, wo es innerhalb von zwölf Monaten Hunderte getötet hat.

Weil Netanjahu weiß, dass er für diese zunehmenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Immunität und den Schutz der USA und ihrer Verbündeten genießt, attackierte Netanjahu den Internationalen Strafgerichtshof, weil er auch nur erwägt, Haftbefehle gegen ihn und seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant auszustellen.

Dieser Kurs in Richtung eines totalen Kriegs entlarvt den am Mittwoch veröffentlichten angeblichen gemeinsamen Aufruf der USA, Frankreichs und anderer Verbündeter zu einem „sofortigen“ 21-tägigen Waffenstillstand im Libanon als Betrug. Diese Farce diente als Deckmantel für den Angriff, von dem sie zweifellos wussten, dass er sich in der letzten Vorbereitungsphase befand.

Die Biden-Harris-Regierung stritt wieder einmal ab, im Vorfeld von den jüngsten Gräueltaten gewusst zu haben, während sie gleichzeitig ihre unerschütterliche Unterstützung für Israel deutlich machte. US-Außenminister Antony Blinken erklärte, Israels Ziel im Libanon sei „wichtig und legitim... Israel hat das Recht, sich gegen Terrorismus zu verteidigen, [auch wenn] die Art und Weise, wie es das tut, wichtig ist“. Die letztere Floskel ist eine dünne Fassade für weitere Waffenlieferungen an Israel.

Tatsächlich hat Washington rasch weitere Schritte unternommen, um seine Truppenstärke in der Region auszubauen und demonstriert damit seine Bereitschaft zu einem umfassenderen Krieg. Laut dem Weißen Haus hat Präsident Joe Biden das Pentagon angewiesen, „die US-Truppenstärke [im Nahen Osten] abzuschätzen und notfalls anzupassen, um den Schutz der Streitkräfte zu gewährleisten und die gesamte Bandbreite der US-Ziele zu unterstützen“.

Im gesamten Nahen Osten sind bereits jetzt etwa 40.000 US-Soldaten stationiert, darunter im Irak und Syrien. Der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln befindet sich bereits in der Region, und die USS Harry S. Truman ist ebenfalls auf dem Weg in das Gebiet.

Bisher waren der Iran und die Hisbollah trotz zunehmender Provokationen entschlossen, einen totalen Krieg mit Israel zu vermeiden. Die iranische Botschaft im Libanon bezeichnete den Angriff auf Beirut jedoch als „gefährliche Eskalation, die die Situation grundlegend verändert“.

Das iranische Außenministerium erklärte, der „brutale terroristische Luftangriff auf mehrere Wohngebäude in Beirut“ habe gezeigt, dass „die Aufrufe der USA und einiger westlicher Staaten zum Waffenstillstand ein offensichtlicher Trick sind, um dem zionistischen Regime Zeit zu verschaffen, seine Verbrechen gegen das palästinensische und libanesische Volk fortzusetzen“.

Das israelische Regime, dem rechtsextreme und faschistische Minister angehören, ist dazu entschlossen, seine Angriffe zu verschärfen, obwohl sie wissen, dass dies zu massiven zivilen Todesopfern führen wird. Der Sprecher der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF), Konteradmiral Daniel Hagari, erklärte, die anhaltenden Raketentreffer auf Wohngebäude „könnten sie möglicherweise zum Einsturz bringen“.

Genau wie im gesamten Gazastreifen rechtfertigt das israelische Militär seine Angriffe auf zivile Ziele, die offene Verstöße gegen das Völkerrecht darstellen, zynisch mit der Behauptung, es gäbe militärische Aktivitäten der Hamas und der Hisbollah unter diesen Gebäuden. Damit wird die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens sowie des südlichen und östlichen Libanons zu ausgewiesenen Zielen.

Das israelische Militär hat bereits angedeutet, dass es einen Einmarsch im Libanon plant. Beim letzten Einmarsch im Jahr 2006 wurden mehr als 1.100 Menschen getötet und eine Million Einwohner vertrieben. Die IDF haben bisher zwei Reservebrigaden, die 6. und die 228., für „Kämpfe im Rahmen des Nord-Feldzugs“ mobilisiert.

Auch die Angriffe Israels in Gaza werden fortgesetzt. Bei einem israelischen Luftangriff im Norden des Gazastreifens auf die Al-Faluja-Schule im Flüchtlingslager Dschabaliya, die in eine Notunterkunft umgewandelt wurde, wurden am Donnerstag 15 Menschen getötet.

Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete am Freitag, dass auch im besetzten Westjordanland die Zahl der israelischen Razzien zugenommen hat. So stürmten sie die Stadt al-Khader südlich von Bethlehem und eröffneten das Feuer auf Bewohner von Idhna westlich von Hebron. In Beita südlich von Nablus wurde eine Demonstration gegen illegale jüdische Siedlungen attackiert.

Die Eskalation im Libanon bestätigt die Warnungen der WSWS, dass Israel und seine imperialistischen Hintermänner die Anschläge vom 7. Oktober ausgenutzt haben, um nicht nur in Gaza einen Völkermord zu begehen, sondern auch um einen regionalen Krieg anzuzetteln, um den Nahen Osten vollständig zu beherrschen.

Für den US-Imperialismus ist dieser Konflikt im Cockpit der eurasischen Landmasse nur eine Front in einer globalen Offensive gegen Russland und China mit dem Ziel, die Hegemonie der USA weltweit zu sichern – selbst auf die Gefahr eines Atomkriegs hin.

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