„Wer hat das Recht auf Rechte?“

Mahmoud Khalil verurteilt aus dem Gefängnis in Louisiana den Völkermord und die Angriffe auf demokratische Rechte

Mahmoud Khalil als studentischer Verhandlungsführer in einem pro-palästinensischen Protestcamp an der Columbia University in New York am 29. April 2024 [AP Photo/Ted Shaffrey]

Mahmoud Khalil veröffentlichte am Dienstag aus der Haftanstalt für Einwanderer eine starke Erklärung. Trotz seines gültigen Aufenthaltsstatus wurde er von der Trump-Regierung wegen seiner Rolle bei den Protesten gegen den Völkermord in Gaza an der Columbia University entführt und inhaftiert. Nach dem Willen der Regierung soll er abgeschoben werden.

Obwohl der 30-jährige Khalil keines Verbrechens angeklagt wurde, sitzt er noch immer in einer Haftanstalt der Einwanderungsbehörde ICE, fast 2.100 Kilometer entfernt von seiner Frau, einer amerikanischen Staatsbürgerin, die im April die Geburt ihres ersten Kindes erwartet.

Khalils Erklärung, die zuerst vom Guardian veröffentlicht wurde, trägt den Titel „Brief eines palästinensischen politischen Gefangenen aus Louisiana“ und wurde per Telefon aus dem Gefängnis diktiert. Es ist seine erste öffentliche Äußerung, seit er am 8. März in New York entführt wurde. Darin heißt es:

Mein Name ist Mahmoud Khalil und ich bin ein politischer Gefangener. Ich schreibe euch aus einer Haftanstalt in Louisiana, wo ich morgens in der Kälte aufwache und lange Tage damit verbringe, Zeuge der stillen Ungerechtigkeit zu werden, die vielen Menschen widerfährt, die vom Schutz des Gesetzes ausgeschlossen sind.

Wer hat das Recht auf Rechte? Sicherlich nicht die Menschen, die hier in den Zellen zusammengepfercht sind. Es ist nicht der Senegalese, den ich kennengelernt habe, der seit einem Jahr seiner Freiheit beraubt ist, dessen rechtliche Situation in der Schwebe ist und dessen Familie einen Ozean weit entfernt ist. Nicht der 21-jährige Insasse, den ich getroffen habe, der im Alter von neun Jahren in dieses Land gekommen ist, nur um dann abgeschoben zu werden, ohne auch nur angehört zu werden.

Die Gerechtigkeit entzieht sich den Strukturen der Einwanderungseinrichtungen dieses Landes.

Khalil beschreibt, wie Agenten des Heimatschutzministeriums (DHS), die „sich weigerten, einen Haftbefehl vorzulegen, mich und meine Frau belästigten, als wir vom Essen heimkamen. ... Bevor ich wusste, wie mir geschieht, hatten die Agenten mir Handschellen angelegt und mich in ein Auto ohne Kennzeichen gezwungen.“

Er berichtet weiter:

Das DHS wollte mir stundenlang nichts sagen. Ich wusste nicht, warum ich verhaftet wurde oder ob mir die sofortige Abschiebung droht. In der Federal Plaza 26 schlief ich auf dem kalten Boden. In den frühen Morgenstunden brachten mich die Agenten in eine andere Einrichtung in Elizabeth (New Jersey). Dort schlief ich auf dem Boden, und man verweigerte mir trotz meiner Bitte eine Decke.

Meine Verhaftung war eine direkte Folge davon, dass ich von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht habe, als ich für ein freies Palästina und ein Ende des Völkermords in Gaza eingetreten bin, der am Montagabend wieder in vollem Umfang fortgesetzt wurde. Nachdem der Waffenstillstand vom Januar nun gebrochen ist, müssen Eltern im Gazastreifen wieder kleine Leichentücher in den Armen wiegen, und Familien sind gezwungen, Hunger und Vertreibung gegen Bomben abzuwägen.

Er schildert kurz die Geschichte seiner Familie. Er ist in einem Flüchtlingslager in Syrien aufgewachsen, nachdem seine Familie 1948 während der Nakba vertrieben worden war. Dann klagt er die Biden- und die Trump-Regierung sowie die Leitung der Columbia University an – nicht nur für seine Verhaftung, sondern auch dafür, dass sie die demokratischen Rechte aller mit Füßen treten. Er schreibt:

Ich habe immer geglaubt, dass es nicht nur meine Pflicht ist, mich selbst vom Unterdrücker zu befreien, sondern auch meine Unterdrücker von ihrem Hass und ihrer Angst zu befreien. Meine ungerechtfertigte Inhaftierung ist beispielhaft für den Rassismus gegen Palästinenser, den sowohl die Biden- als auch die Trump-Regierung in den letzten 16 Monaten an den Tag gelegt haben. Die USA haben Israel immer weiter mit Waffen beliefert, um Palästinenser zu töten, und eine internationale Intervention verhindert.

Er erklärt weiter:

Während ich auf die rechtlichen Entscheidungen warte, die die Zukunft meiner Frau und meines Kindes in der Schwebe halten, sitzen diejenigen, die meine Verfolgung ermöglicht haben, noch immer bequem an der Columbia University. Die Präsidenten Shafik und Armstrong sowie der Dekan Yarhi-Milo haben die Grundlagen dafür gelegt, dass die US-Regierung mich verfolgen konnte. Sie haben pro-palästinensische Studenten willkürlich bestraft und es zugelassen, dass Verleumdungskampagnen auf der Grundlage von Rassismus und Desinformation unkontrolliert viral gehen konnten.

Die Columbia University habe

sich dem Druck der Bundesbehörden gebeugt, indem sie dem Kongress Daten über Studierende zur Verfügung gestellt und den jüngsten Drohungen der Trump-Regierung nachgegeben hat. Eindeutige Beispiele dafür sind meine Verhaftung, der Ausschluss oder die Suspendierung von mindestens 22 Columbia-Studierenden – einigen wurde nur wenige Wochen vor ihrem Diplom der Bachelor-Abschluss aberkannt – und der Ausschluss des Präsidenten der SWC (Student Workers of Columbia), Grant Miner, kurz vor Beginn der Arbeitsvertragsverhandlungen.

Khalil verwies auf die Rolle von Studierenden bei Protesten gegen Krieg und Rassismus in der Geschichte und warnte:

Meine Verfolgung durch die Trump-Regierung ist Teil einer größeren Strategie zur Unterdrückung abweichender Meinungen. Besitzer von Visa und Greencards ebenso wie Staatsbürger werden alle für ihre politischen Ansichten verfolgt werden. In den kommenden Wochen müssen sich Studierende, Anwälte und gewählte Volksvertreter zusammentun, um das Recht, für Palästina zu demonstrieren, zu verteidigen. Auf dem Spiel steht nicht nur unsere Meinungsfreiheit, sondern die grundlegenden Bürgerrechte aller.

Khalil veröffentlichte seine Stellungnahme am selben Tag, an dem Präsident Donald Trump auf seinem Truth-Social-Account den Bundesrichter James Boasberg bösartig attackierte, weil er eine 14-tägige einstweilige Verfügung erlassen hatte, mit der die Abschiebung von Einwanderern unter Anwendung des Alien Enemies Act von 1798 blockiert wurde.

Trump schrieb:

Dieser linksradikale Irre von einem Richter, dieser Unruhestifter und Agitator, der leider von Barack Hussein Obama ernannt wurde, ist nicht zum Präsidenten gewählt worden – Er hat nicht die WAHLEN GEWONNEN (mit großem Abstand!), er hat nicht IN ALLEN SIEBEN SWING STATES GEWONNEN, er hat nicht 2.750 zu 525 Counties gewonnen, ER HAT GAR NICHTS GEWONNEN! ICH HABE AUS VIELEN GRÜNDEN MIT EINEM ÜBERWÄLTIGENDEN MANDAT GEWONNEN, ABER DER KAMPF GEGEN ILLEGALE EINWANDERUNG WAR WAHRSCHEINLICH DER WICHTIGSTE GRUND FÜR DIESEN HISTORISCHEN SIEG. Ich tue nur, was die WÄHLER von mir wollen.

Dann forderte er die Absetzung des Richters:

Dieser Richter, genau wie so viele der betrügerischen Richter, vor denen ich erscheinen muss, sollte ABGESETZT WERDEN!!! WIR WOLLEN KEINE BÖSARTIGEN, GEWALTTÄTIGEN UND GEISTESKRANKEN KRIMINELLEN IN DIESEM LAND, VON DENEN VIELE ABARTIGE MÖRDER SIND. MAKE AMERICA GREAT AGAIN!!!

Trumps Tiraden sind nicht nur „gemeine Tweets“, sondern sollen seine faschistischen Anhänger aufstacheln, darunter Milizen wie die Proud Boys und Oath Keepers, die versucht hatten, die Wahlen von 2020 zu kippen, und die er Anfang des Jahres begnadigt hat. Im Gegensatz zu Hitler, der mit Tausenden von SA-Braunhemden unter seinem Kommando an die Macht kam, versucht Trump, eine paramilitärische Truppe aufzubauen, indem er das Amt des Präsidenten, die rechtsextreme Republikanische Partei und die mitverantwortliche Demokratische Partei benutzt.

Trumps Angriffe auf die Justiz veranlassten den Obersten Richter John Roberts am Dienstag zu eine seiner seltenen Stellungnahmen, in der er Trump zurechtwies. In einer Pressemitteilung schrieb Roberts:

Es steht seit mehr als zwei Jahrhunderten fest, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten über eine richterliche Entscheidung ist. Für diesen Zweck gibt es das normale Berufungsverfahren.

Als Reaktion auf Roberts’ Erklärung setzte Trump in einem Interview mit Laura Ingraham von Fox News seine Angriffe auf den Richter fort und behauptete, er habe nicht gegen dessen richterliche Anordnung verstoßen – eine eklatante Lüge, da sich Trump der richterlichen Anweisung widersetzt hatte, die Flugzeuge mit entführten venezolanischen Einwanderern wieder in die USA zurückzubeordern. Etwa 260 angebliche Mitglieder der Bande Tren de Aragua wurden von der ICE nach El Salvador geflogen, wo sie in dem berüchtigten Terroristengefängnis inhaftiert sind.

Trump erklärte:

Ich habe mich nie einer richterlichen Anordnung widersetzt... Allerdings haben wir schlechte Richter. Wir haben sehr schlechte Richter, und diese Richter sollten nicht zugelassen werden... Ich glaube, irgendwann muss man anfangen, zu überlegen, was man tut, wenn man einen Schurken als Richter hat.

Der Richter, von dem wir hier reden... Er ist ein Verrückter.

Trumps Hetze gegen „schlechte Richter“ ist Teil seiner offenen Missachtung der Gerichte und seiner Überschreitung des politischen Rubikons in Richtung Präsidialdiktatur. Acht Wochen nach Beginn seiner zweiten Amtszeit regiert Trump, wie angekündigt, „als Diktator“ per Dekret und ignoriert den Kongress sowie die Gerichte.

Während Trump in seinem Interview mit Ingraham behauptete, er habe sich nie einer richterlichen Anordnung widersetzt, haben hochrangige Vertreter seiner Regierung öffentlich erklärt, sie würden sich nicht an gerichtliche Verfügungen halten.

Am Montag warf Trumps Justizministerin Pam Bondi in einem Interview mit Fox News Richter Boasberg vor, er versuche „sich in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und der Außenpolitik einzumischen. ... Das darf er nicht.“

Sie fuhr fort:

Was er getan hat, ist eine Einmischung in die Autorität des Präsidenten. Wissen Sie, dieser eine Bundesrichter denkt wieder mal, er könne die Außenpolitik des gesamten Landes kontrollieren. Und das kann er nicht, und im Moment prüfen wir unsere Optionen.

Auf die Frage, ob die Regierung „plane, diese Flüge weiterhin durchzuführen“, antwortete Bondi:

Absolut. Das sind ausländische Terroristen. Der Präsident hat sie identifiziert und als solche bezeichnet, und wir werden uns weiterhin an den Alien Enemies Act halten.

Auch Trumps „Grenzzar“ Tom Homan kündigte an, gerichtliche Verfügungen zu ignorieren, und erklärte am Montag: „Ich bin stolz, Teil dieser Regierung zu sein. Wir hören nicht auf. Es ist mir egal, was die Richter denken oder was die Linke denkt, wir kommen.“

Trumps faschistische Verbündete im Repräsentantenhaus, darunter die Abgeordneten Eli Crane, Andy Ogles, Andrew Clyde und Brandon Gill, haben am Dienstag in den sozialen Netzwerken Posts verbreitet, in denen sie die Amtsenthebung nicht nur von Boasberg, sondern auch von den Richtern Paul Engelmayer, John Bates und John McConnell Jr. fordern.

Crane, Ogles und Clyde haben allesamt in der Zeit vor Trumps Putsch vom 6. Januar 2021 eine führende Rolle in der „Stop the Steal“-Bewegung gespielt. Die Tatsache, dass keiner von ihnen im Gefängnis sitzt, sondern in Positionen, in denen sie die Verfassung stürzen können, ist allein die Schuld der Demokraten. Die Abstimmung über Trumps Folgeresolution zur Finanzierung seiner Diktatur hat bewiesen, dass die Demokraten keine Oppositionspartei sind. Sie sind Partner bei dem parteiübergreifenden Angriff auf demokratische und soziale Rechte wie das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen und die Renten im Interesse der Finanzoligarchie und des Imperialismus.

Khalils Aufruf zum Handeln, um seine Freiheit und die Freiheit aller verfolgten Einwanderer und Gegner von Völkermord und Krieg zu fordern, muss aufgegriffen werden und auf eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gerichtet sein – gegen die Ursache dieser Probleme: den Kapitalismus und seine beiden Parteien.