Österreich: Flüchtlingshetze dominiert Wahlkampf

Bei den Wahlen zum Nationalrat, dem österreichischen Parlament, an diesem Sonntag könnte allen Umfragen zufolge die rechtsradikale Freiheitliche Partei (FPÖ) stärkste Kraft werden. Der gesamte Wahlkampf hat deutlich gemacht, dass die etablierten Parteien die FPÖ mit ihrer rechten Politik gestärkt haben und dass sie diese Politik – mit oder ohne Regierungsbeteiligung der FPÖ – fortsetzen und verschärfen werden.

Österreichischer Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) [AP Photo/Jordan Pettitt]

Die FPÖ erreicht den jüngsten Umfragen nach zwischen 27 und 29 Prozent der Stimmen und würde damit im Vergleich zur letzten Wahl um 10 bis 12 Prozent zulegen. Die regierende ÖVP von Kanzler Karl Nehammer verliert ebenso viele Prozentpunkte und kommt noch auf 22 bis 24 Prozent. Der Koalitionspartner in der Regierung, die Grünen, verlieren etwa die Hälfte ihrer Stimmen und kommen nur noch auf etwa 7 Prozent.

Die oppositionelle SPÖ würde mit rund 20 Prozent in etwa ihr Ergebnis der letzten Nationalratswahl wiederholen, ebenso wie die rechtsliberalen NEOS mit rund 10 Prozent. Rechnerisch wäre sowohl ein Bündnis der FPÖ mit der ÖVP als auch mit den Sozialdemokraten möglich. Ohne die Einbeziehung der FPÖ bliebe eine Koalition aus ÖVP und SPÖ, jeweils gemeinsam mit den Grünen oder den NEOS.

Trotz teilweise gegenteiliger Beteuerungen von ÖVP und SPÖ sind alle diese Optionen auch politisch möglich. Abgesehen davon, dass beide Parteien auf Bundes- oder Länderebene schon mit den Rechtsextremen paktiert haben, zeigt sich gerade in der Flüchtlingsfrage, dass es hier keine grundlegenden Unterschiede zwischen den Parteien gibt.

Die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl geben mit faschistischen Tiraden gegen Flüchtlinge den Ton an. „Wir brauchen Remigration“, erklärte Kickl öffentlich bei der Vorstellung des Wahlprogramms, das den Titel „Festung Österreich, Festung der Freiheit“ trägt. Auf Veranstaltungen bekräftigte er die Forderung, ungeachtet gesetzlicher Regelungen sofort jeden Asylantrag in Österreich abzulehnen und die Grenzen des Landes gegen Flüchtlinge abzuschotten.

Kickl bezeichnet sich im Wahlkampf selbst als „Volkskanzler“, eine bewusste Anspielung auf Hitler, der sich ebenfalls so bezeichnen ließ.

Die ÖVP-Grünen-Regierung stellt die Hetze gegen Flüchtlinge ebenfalls ins Zentrum ihres Wahlkampfs. Nachdem die Regierung in Deutschland angekündigt hatte, Grenzkontrollen einzurichten und Flüchtlinge rigoros abzuweisen, erklärte die Regierung in Wien ihrerseits, sie werde an der deutschen Grenze zurückgewiesene Personen nicht zurücknehmen. „Da gibt es keinen Spielraum“, so der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Er habe den Chef der österreichischen Bundespolizei angewiesen, „keine Übernahmen durchzuführen“.

Für den Fall, dass sich Deutschland auf die Notstandsklausel beruft, um seine Grenzen dicht zu machen, werde Österreich dies ebenfalls tun, bekräftigte Nehammer. Gegen Rückweisungen aus dem Nachbarland werden wir „unsere Grenzen ganz klar schützen“, so der Kanzler.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will in der nächsten Legislaturperiode einen Verfassungskonvent einberufen und den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft für Flüchtlinge faktisch unmöglich machen. Laut ihr sei die Genfer Flüchtlingskonvention aus „vorglobalisierter Zeit“ und müsse „weiterentwickelt“ werden, was nur eine Umschreibung der FPÖ-Forderung nach einer Abschaffung der Konvention ist.

Auch die SPÖ steht dem in nichts nach. In Sachen Asylpolitik geben die beiden notorisch rechten Landespolitiker Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser den Ton an. Ihr Papier unterscheidet sich nur in Nuancen von den Forderungen der FPÖ.

Im Sommerinterview mit dem ORF erklärte Spitzenkandidat und SPÖ-Chef Andreas Babler, er wolle Ungarn verklagen, weil es „zigtausende“ Menschen nach Österreich schicke. Er griff dabei ÖVP und FPÖ von rechts an und warf ihnen vor, Beziehungen zu Ungarns Regierungschef Viktor Orbán zu pflegen, obwohl dieser für steigende Flüchtlingszahlen in Österreich verantwortlich sei.

In diesem Klima verwundert es nicht, dass die Anzahl der rechtsextremen Straftaten im ersten Halbjahr 2024 in Österreich stark gestiegen ist, von 386 in der ersten Jahreshälfte 2023 auf 556.

Zusätzliches Wasser auf die Mühlen der FPÖ ist die uneingeschränkte Unterstützung der Kriegspolitik durch ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. Alle Parteien stehen voll hinter dem Nato-Krieg gegen Russland und der Eskalation von Krieg und Völkermord im Nahen Osten durch Israel.

Obwohl Österreich formal zur militärischen Neutralität verpflichtet ist, genehmigt es Durchfuhren von Waffenlieferungen und unterstützt Kiew mit militärischer Infrastruktur. Österreich lieferte der Ukraine unter anderem 10.000 Schutzhelme sowie 9000 Splitterschutzwesten. Außerdem beteiligt sich Österreich an den Kosten der „European Union Military Assistance Mission Ukraine“ (EUMAM), die ukrainische Soldaten ausbildet.

Auf politischer Ebene unterstützen Vertreter aller Parteien im EU-Parlament Resolutionen für Aufrüstung und Kriegsführung. In der UN-Vollversammlung stimmte Österreich mehrmals gegen einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza und die Verurteilung des Vorgehens des israelischen Militärs.

Die Aufrüstung wurde in den letzten Jahren in der Alpenrepublik massiv forciert. Seit 2022 wurden rund 17 Milliarden Euro für die Nachrüstung des Bundesheers bereitgestellt. Österreich trat auch der Initiative „Sky Shield“ bei, einem deutsch-europäischen Raketenabwehrschirm, an dem sich neben Österreich 21 andere Staaten beteiligen.

Mit Ausnahme der NEOS, die offen für ein Ende der militärischen Neutralität des Landes und zum Aufbau einer EU-Armee aufrufen, erklären alle Parteien, sie wollten die Neutralität nicht antasten. Tatsächlich gibt es hinter vorgehaltener Hand immer wieder derartige Forderungen aus allen Parteien.

Dies steht in krassem Gegensatz zur Stimmung in der Bevölkerung. Trotz des medialen Trommelns für Krieg und Aufrüstung wollen einer Umfrage von Anfang 2024 zufolge 80 Prozent der Österreicher die Neutralität beibehalten; 50 Prozent würden „auf keinen Fall“ ihr Land mit der Waffe verteidigen.

Der mögliche Wahlerfolg der FPÖ ist das Ergebnis der Rechtswende der gesamten bürgerlichen Politik. Flüchtlinge werden zum Sündenbock für die soziale Krise gemacht, die die Parteien selbst verursacht haben. Bewusst stärkt die herrschende Klasse die rechtesten Kräfte, um die wachsende Opposition in der Bevölkerung zu unterdrücken.

Die Kriegsentwicklung fordert immer heftigere soziale Angriffe, um die Aufrüstung zu finanzieren. Hinzu kommen ein wirtschaftlicher Abschwung, die Zunahme von Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau. Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs schrumpft Österreichs Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern schließen Betriebe und/oder bereiten Massenentlassungen vor. Dies sind nur einige akuelle Beispiele:

  • Die österreichische Tochter des US-Elektroautoherstellers Fisker hat zuletzt Insolvenz beantragt. Nachdem zuvor bereits 450 Mitarbeiter gehen mussten, stehen nun weitere 500 Stellen vor dem Aus.
  • Hammerer Aluminium Industries (HAI), mit Sitz in Ranshofen, plant im Laufe des Jahres konzernweit 250 von 2.100 Arbeitsplätzen abzubauen, davon 100 der 750 Stellen im oberösterreichischen Innviertel. Der Konzern betreibt acht Standorte in Österreich, Deutschland, Rumänien und Polen. Seit dem zweiten Halbjahr 2023 sei die Nachfrage eingebrochen.
  • Der oberösterreichische Technologiekonzern Fronius streicht ebenfalls erneut Arbeitsplätze. Im Juni wurden 350 Beschäftigte der Solarsparte entlassen, und nun baut der Konzern weitere 450 Arbeitsplätze in Österreich sowie 200 in Tochtergesellschaften in Deutschland und Tschechien ab.
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