Bundesverwaltungsgericht setzt Verbot von rechtsextremem Compact-Magazin aus

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat das Verbot des rechtsextremen Magazins Compact und der ihm angeschlossene Medien, das das Bundesinnenministerium (BMI) unter Nancy Faeser (SPD) Mitte Juli verhängt hat, vorläufig aufgehoben. Die Gerichtsentscheidung zielt weniger auf den Erhalt der Pressefreiheit, als auf die Legitimierung rassistischer Hetze.

Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer, Stephanie Elsässer und Identitären-Chef Martin Sellner (links) am 27. Juli 2024 in Gera [Photo by Dirk Bindmann / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Mit dem Compact-Verbot hatte Faeser einen Präzedenzfall für die Beseitigung demokratischer Grundrechte geschaffen, der auch gegen linke Organisationen eingesetzt werden kann. Sie nutzte das Vereinsrecht, um die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit außer Kraft zu setzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandet, sondern ausdrücklich bestätigt. Stattdessen hob es das Verbot auf, weil es bezweifelt, ob rechtsextreme Hetze tatsächlich „prägend“ für das faschistische Magazin sei.

Die COMPACT-Magazin GmbH, Herausgeberin des Magazins, gegen die sich das Verbot formell richtete, hatte eine Klage dagegen angestrengt und beantragt, per einstweiliger Anordnung die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung des BMI wiederherzustellen.

Das BMI hatte sein Verbot damit begründet, dass die „Vereinigung“ [die herausgebende GmbH] die verfassungsmäßige Ordnung ablehne und eine verfassungsfeindliche Grundhaltung aufweise. Dies komme u. a. in zahlreichen Beiträgen des monatlich erscheinenden COMPACT-Magazin für Souveränität zum Ausdruck.

Die Meinungs- und Pressefreiheit und der Schutz vor Zensur sind in Deutschland in Artikel 5 des Grundgesetzes gewährleistet. Schranken findet dieses Recht, so heißt es in demselben Verfassungsartikel, nur in „allgemeinen Gesetzen“.

Das Wort „allgemein“ wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts üblicherweise so verstanden, dass grundsätzlich bestimmte Meinungen nicht wegen eines unerwünschten Inhalts sanktioniert werden dürfen, sondern nur wegen Verstoß gegen Gesetze, die für Meinungen jeglichen Inhalts gleichermaßen gelten – etwa Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Volksverhetzung, Aufruf zu oder Billigung von schweren Straftaten usw.

Ein Verbot von Medienerzeugnissen ist gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen. In den diversen Pressegesetzen der Bundesländer sind etwa Gegendarstellungsansprüche geregelt. Meist heißt es dort: „Die Verantwortlichkeit für strafbare Handlungen, die mittels eines Druckwerks begangen werden, bestimmt sich nach den allgemeinen Strafgesetzen.“ Zusätzlich kann es deswegen strafrechtliche Sanktionen gegen verantwortliche Redakteure oder Verleger geben.

Ansonsten finden sich dort als schärfstes Mittel Regelungen zur Beschlagnahme bestimmter einzelner Medienerzeugnisse. Für Totalverbote von Medien, erst recht wegen deren politischer Ausrichtung, gibt es dort ebenso wenig eine Rechtsgrundlage wie im Medienstaatsvertrag der Bundesländer, der die Zugänglichmachung von Rundfunk und Telemedien regelt. Auch das Telemediengesetz (TMG) sieht keine Totalverbote von Medien vor.

Lediglich Anfang der 1950er Jahre, in der Hochphase des Kalten Krieges, sollte einmal eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, „verfassungsfeindliche Zeitungen“ zu verbieten. Verwirklicht wurde dieser Gesetzentwurf jedoch nie. Spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hätte ein Verbot wegen politischer Ausrichtung wohl wenig Aussicht auf Bestand. Verbote pro-kurdischer Zeitungen unter dem Vorwurf der PKK-Propaganda durch die Türkei wurden vom EGMR schon vor Jahren abgelehnt.

Da der Hauptzweck der Compact-GmbH in der Herausgabe von Compact bestand, hatten daher viele Juristen argumentiert, ihr Verbot durch das BMI auf Grundlage des Vereinsgesetzes sei nicht haltbar, da hier nicht das Vereinsrecht, sondern das Presserecht anzuwenden sei.

Hier war das Bundesverwaltungsgericht allerdings eindeutig: Es bestünden „keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte und als Presse- und Medienunternehmen tätige Antragstellerin“, hieß es in der Pressemitteilung des Gerichts.

Dass das BVerwG mithilft, mittels des Vereinsrechts die Meinungs- und Pressefreiheit auszuhebeln, ist nicht wirklich überraschend. Dies hatte sich bereits angedeutet, als es das Verbot von linksunten.indymedia absegnete, ohne die Begründetheit der Klage dagegen auch nur geprüft zu haben.

Die Bedeutung hiervon ist extrem weitreichend: Nicht nur sieht das Vereinsgesetz – das ist praktisch seine wichtigste Regelung – ausdrücklich ein Verbot aller möglichen Vereinigungen vor. Verbote können einfach von der Regierung verfügt und von den Betroffenen nur im Nachhinein gerichtlich angefochten werden. Verbotsgründe müssen nicht einmal Straftaten sein, rein politische Gründe, wie das „sich Richten gegen“ die „verfassungsmäßige Ordnung“ oder den „Gedanken der Völkerverständigung“, reichen aus.

Bemerkenswert ist auch, dass das BMI laut der Pressemitteilung des BVerwG Compact trotz seiner notorischen rassistischen Hetze nicht vorwarf, gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“ zu verstoßen. Kurz vorher war die „Palästina-Solidarität Duisburg“ mit dieser Begründung verboten worden, weil sie sich gegen die illegale Besatzung Palästinas durch Israel wendet. Kampf gegen rassistische Unterdrückung wird in Deutschland verboten, Kampf dafür hingegen nicht.

Das BVerwG sah bei Compact ausdrücklich „eine Verletzung der Menschenwürde“ sowie „in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ – eine vornehme Umschreibung für seine hemmungslose Hetze gegen Flüchtlinge, Juden, Muslime, People of Color, LGBT. Dennoch sei es zweifelhaft, ob „angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge“ trotz der Verletzung der Menschenwürde durch das Magazin ein Verbot verhältnismäßig sei.

Dazu sei die Verletzung der Menschenwürde womöglich – so die Pressemitteilung des BVerwG – nicht „prägend“ genug für die Ausrichtung der „Vereinigung“. Dies bei einem Leitmedium der ultrarechten Szene, das „in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ einnehme!

Dieses Geschwurbel bedeutet nichts anderes als: Rassismus, rassistische und antisemitische Hetze mögen antidemokratisch sein und die Menschenwürde der Betroffenen verletzen – das Gericht betrachtet sie trotzdem als legitimen, grundrechtlich geschützten Debattenbeitrag.

Angesichts des staatlichen Vorgehens gegen Flüchtlinge, der Unterstützung des Völkermords in Gaza, der Aufrüstung der Bundeswehr und der Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland passt dies ins Bild.

Anders als sich liberal wähnende Journalisten meinen, hat die rasche Eilentscheidung des BVerwG wenig mit der Verteidigung demokratischer Grundrechte zu tun – dann hätte das Gericht das Konstrukt des BMI ablehnen müssen, mittels Vereinsgesetz das Grundrecht auf Pressefreiheit zu umgehen – sondern mit der Verteidigung rechtsextremer Propaganda.

Wie deutsche Gerichte hingegen damit umgehen, wenn man gegen Rassismus und nicht dafür kämpft, zeigt die Verfassungsbeschwerde der Sozialistischen Gleichheitspartei beim Bundesverfassungsgericht gegen ihre Überwachung und Diffamierung durch den Verfassungsschutz. Obwohl die Beschwerde inzwischen über zwei Jahre zurückliegt, hat das höchste deutsche Gericht bis heute nicht darauf reagiert.

Noch offensichtlicher ist der Gegensatz im Fall der Palästina-Solidarität Duisburg (PSDU), die im Mai dieses Jahres vom Innenminister Nordrhein-Westfalens, Herbert Reul (CDU), verboten wurde. Obwohl hier wie dort das Verbot gestützt auf das Vereinsgesetz erging, dagegen geklagt und vorläufiger Rechtsschutz beantragt wurde, wird das „Eilverfahren“ im Falle der PSDU unter tatkräftiger Mithilfe des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen über mehrere Monate verschleppt.

Das „Komitee zur Verteidigung von Palästina-Solidarität Duisburg“ zieht eine bittere Bilanz. „Ein rechtsradikales Magazin, das seit mindestens zehn Jahren Rassismus gegen Muslime und Geflüchtete verbreitet, offen für die AfD wirbt und Verbindungen zu Neonazis hat,“ bekomme „einen schnellen Prozess im eigenen Interesse“.

Für die PSDU, die sich „gegen Besatzung und Genozid, gegen deutsche Beihilfe zu Kriegsverbrechen, gegen Rassismus und Faschismus in Palästina wie in Deutschland“ und „immer gegen Antisemitismus und Nazi-Faschismus gestellt hat“, sei „in Deutschland offenbar aktuell kein Platz“.

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