In dem reaktionären Karneval, der sich in dieser Woche auf dem Parteitag der Republikaner abspielt, verdient eine Rede am ersten Abend besondere Aufmerksamkeit: die von Sean O’Brien, dem Vorsitzenden der Transportarbeiter-Gewerkschaft Teamsters. Sie ist ein klarer Beweis dafür, dass ein Teil der Gewerkschaftsbürokratie bereit ist, sich offen hinter den Faschismus zu stellen.
O’Briens Auftritt passt ins politische Kalkül von Trumps rechtsextremen Beratern, die den Pseudopopulismus seiner Wahlkampagne vorantreiben wollen. Im Vorfeld hatten sich die Teamsters und die extremen Rechten der Republikaner monatelang gegenseitig den Hof gemacht. O’Brien traf sich mehrfach mit Trump und unterstützte den Senator von Missouri, Josh Hawley, ein wichtiger Komplize Trumps beim Putschversuch am 6. Januar. Zudem sind Zehntausende Dollar an Spenden für die Republikaner geflossen.
In seiner Rede forderte der Gewerkschafter eine überparteiliche Politik des Nationalismus, Militarismus und der Integration der Gewerkschaften in den Unternehmens- und Staatsapparat. „Wir sind niemandem verpflichtet, auch keiner Partei“, erklärte er. Das heißt, die Gewerkschaftsbürokratie ist bereit, mit allen kapitalistischen Politikern zu verhandeln, einschließlich Biden und Trump. Er wies darauf hin, dass die Teamsters früher regelmäßig republikanische Präsidentschaftskandidaten unterstützt haben, darunter Nixon, Reagan und George H. W. Bush – allesamt ultrareaktionäre und verhasste Politiker, die für imperialistische Kriege und massive Angriffe auf die Arbeiterklasse stehen.
Doch hinter der gespielten „Überparteilichkeit“ machte O’Brien unmissverständlich klar, dass seine besonderen Sympathien dem entstehenden amerikanischen Faschismus unter Trump gelten. Mit Blick auf das Attentat am Samstag lobte O’Brien Trump als „einen harten Kerl“. Hawley und J. D. Vance, Trumps Vize-Kandidat, stellte er als vermeintliche Freunde der Arbeiter dar, die „nicht von Think Tanks mit großem Geld finanziert werden“.
Den versammelten Delegierten erklärte O’Brien, dass es im Interesse ihrer Partei sei, auf „Kurzschlussreaktionen“ gegen die Gewerkschaften zu verzichten. Er verwies auf die entscheidende Rolle der Teamsters für die US-Lieferketten und bot an, ein korporatistisches Bündnis mit den Republikanern aufzubauen. Neben seinen demagogischen Tiraden gegen die „Gier der Unternehmer“ – vor einigen der skrupellosesten amerikanischen Kapitalisten in seinem Publikum – lobte er die Rolle der Teamsters beim UPS-Konzern, den er als „effizientestes Paketzustellunternehmen der Welt“ bezeichnete.
Die Kosten für diese „Effizienz“ zahlen die UPS-Arbeiter, nachdem die Teamster-Gewerkschaft letztes Jahr einen Ausverkauf in den Tarifverhandlungen organisiert hat. Im Rahmen des Tarifvertrags, den O’Brien und seine pseudolinken Unterstützer zynisch als „historischen“ Sieg feierten, sollen über 12.000 Beschäftigte entlassen und Hunderte Standorte geschlossen oder automatisiert werden.
Das ist kein Einzelfall, sondern bringt die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie als Betriebspolizei auf den Punkt. Die Gewerkschaft der US-Autoarbeiter, United Auto Workers, unterstützt ebenfalls Tausende Entlassungen, nachdem im letzten Jahr ein Tarifvertrag mit Rückendeckung der Biden-Regierung durchgesetzt wurde. Eine ähnliche Rolle spielen die Gewerkschaften bei der Post, der Eisenbahn und in anderen Branchen.
Als O’Brien auf die Weltwirtschaft zu sprechen kam, wurde es besonders reaktionär: „Es muss für Unternehmen einfacher werden, in Amerika zu bleiben.“ Im Klartext bedeutet das noch mehr Sparmaßnahmen, um die USA endgültig in ein Billiglohnland zu verwandeln, das mit China, Indien und anderen „Entwicklungsländern“ um die schlechtesten Arbeitsbedingungen konkurrieren kann.
Dann griff er multinationale Unternehmen wegen ihrer angeblichen „Illoyalität“ gegenüber den Vereinigten Staaten an. „Es ist widerlich, dass Amazon jegliche nationale Verbundenheit aufgegeben hat“, sagte er. „Die Eliten haben keine Partei, die Eliten haben keine Nation.“
Diese Aussage ist direkt von Hitler abgekupfert, der häufig gegen „wurzellose internationale“ – insbesondere jüdische – Banker wetterte, die nicht mit dem deutschen „Blut und Boden“ verbunden seien. Sie erinnert auch an einen Vorfall von 2018, als Alexander Gauland, Bundestagsabgeordneter der rechtsextremen AfD (Alternative für Deutschland), eine Hitler-Rede paraphrasierte.
Inhaltlich ist die Aussage völlig falsch. Wie Marx und Engels im Kommunistischen Manifest erklärt haben, sind es die Arbeiter, die kein Vaterland haben, weil sie im Kapitalismus eigentumslos sind und aufgrund ihrer gemeinsamen internationalen Interessen vereint sind.
Der amerikanische Kapitalismus versucht, seinen rasanten Niedergang aufzuhalten. Deshalb stützt sich die herrschende Klasse immer stärker auf den Staatsapparat als Waffe gegen äußere und innere Feinde, führt neue katastrophale Kriege und taumelt in Richtung Diktatur. Auf dem Parteitag der Republikaner zeigte sich diese Entwicklung in aller Schärfe.
In einer vorbereiteten Antwort unterstützte Hawley die Rede von O’Brien und nannte sie einen „Wendepunkt“ und den Beginn eines nationalistischen Bündnisses der Republikaner mit der Gewerkschaftsbürokratie. „Es gibt vieles, worauf sich Republikaner und Gewerkschaften bereits einigen können“, sagte er, darunter Handelskriegsmaßnahmen gegen China und eine „America-First-Energiepolitik“.
Einige Konzernmedien, die ihre politischen „Analysen“ auf Banalitäten stützen – vor allem die falsche Identifizierung der Gewerkschaftsbürokratie mit den Arbeitern – hatten Mühe, O’Briens Auftritt zu verstehen. In Wirklichkeit findet der Faschismus in der Gewerkschaftsbürokratie eine natürliche Unterstützerbasis.
Die Bürokratie ist vollständig ins Unternehmensmanagement integriert und abhängig vom Staatsapparat. Sie steht der Arbeiterklasse zutiefst feindlich gegenüber. Die Gewerkschaften werden als bürokratische Diktaturen geführt, die auch vor Betrug und Gewalt nicht zurückschrecken, um den Widerstand an der Basis zu brechen. Ideologisch werden die Gewerkschaftsbürokratien von Nationalismus und Antikommunismus dominiert, getrieben von ihrer Todesangst vor der revolutionären Bedrohung durch die Arbeiterklasse.
Die Unterstützung der Gewerkschaften für Trump markiert keine grundlegende Wende, sondern ist das Ergebnis ihrer Politik, die von den Bedürfnissen des Kapitalismus bestimmt wird. Wie Trotzki 1940 feststellte:
Die Gewerkschaftsbürokraten leisten in Wort und Tat ihr Bestes, um dem „demokratischen“ Staat zu beweisen, wie verlässlich und unentbehrlich sie im Frieden und besonders im Kriege sind. Indem der Faschismus die Gewerkschaften in Organe des Staates verwandelt, erfindet er nichts Neues; er entwickelt nur die dem Imperialismus innewohnenden Tendenzen zu ihrer letzten Schlussfolgerung.
Hätte O’Brien dieselbe Rede auf dem Parteitag der Demokraten gehalten und dabei Biden statt Trump begrüßt, wäre sie nicht unpassend gewesen.
Die Biden-Regierung ist ganz darauf orientiert, die amerikanische Gesellschaft auf Krieg vorzubereiten. Deshalb stärkt sie das korporatistische Bündnis zwischen dem Staat, den Gewerkschaften und den Arbeitgebern. Das Ziel ist es, den Widerstand der Arbeiterklasse zu brechen und Entlassungen und Sparmaßnahmen durchzusetzen, um Ressourcen für das Militär freizumachen. Diese Strategie wurde letzte Woche auf den Punkt gebracht, als Biden die Zentrale des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO besuchte und die Gewerkschaften als „meine Nato im Inland“ bezeichnete.
Biden nennt häufig die Mobilisierung der US-Industrie während des Zweiten Weltkriegs als Beispiel für heute. Allein das zeigt, dass sich die herrschende Klasse auf den Dritten Weltkrieg vorbereitet. Aber die Vereinigten Staaten sind eine Macht im Niedergang, nicht im Aufstieg. Bidens korporatistische Politik hat mehr mit den sozialen Maßnahmen in Italien unter Mussolini gemeinsam als mit dem New Deal unter Präsident Roosevelt.
Die Pseudolinken, darunter die DSA (Democratic Socialists of America) und Labor Notes, spielen eine Schlüsselrolle in dieser Politik. Sie haben O’Brien jahrelang als einen der Führer einer so genannten „Reform“-Bewegung innerhalb der Gewerkschaftsbürokratie unterstützt. Sie sind immer noch in einer Koalition mit O’Brien im Vorstand der Teamsters, wo einige ihrer Mitglieder die Fraktion Teamsters for a Democratic Union (TDU) vertreten.
Die Pseudolinken haben O’Briens Rede kritisiert – aber nicht wegen ihrer ultranationalistischen Ausrichtung, die sie teilen, sondern wegen seiner Wahl des Orts. „Es war verständlich, warum Sean O’Brien ein Druckmittel gegenüber den unternehmensfreundlichen Demokraten und den arbeiterfeindlichen Republikanern suchte“, twitterte Jacobin-Redakteur Bhaskar Sunkara. Er beschwerte sich nur darüber, dass O’Brien „anständige Klassenkampf-Parolen“ – so nennt er O’Briens faschistoide Demagogie – mit „Katzbuckeln vor Trump“ kombinierte.
Andere hingegen äußerten sich voll und ganz für ein Bündnis mit der extremen Rechten. Cenk Uygur sprach von der „progressivsten Rede, die ich je auf einem Parteitag der Republikaner oder der Demokraten gehört habe“.
Im Moment sind die Teamsters die einzige große Gewerkschaft, die sich auf die Seite von Trump geschlagen hat. Aber da Biden und sein Wahlkampfteam sich immer weiter selbst zerlegen, könnte sich das noch ändern. Erhebliche Teile der herrschenden Klasse, die aufgrund des inneren Zerfalls demoralisiert sind und sich vor einer sozialen Revolution fürchten, werden von der Idee angezogen, dass Trump oder ein anderer starker Mann die Macht übernimmt, um die „nationale Einheit“ durchzusetzen. Die enthusiastische Reaktion der „liberalen“ Medien auf den Parteitag der Republikaner könnte ein Zeichen für eine solche Entwicklung sein.
Die Verteidigung der demokratischen Rechte ist nur möglich, wenn eine Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und die Diktatur der Konzerne aufgebaut wird. Sie muss politisch unabhängig von der bürgerlichen Klasse sein, die die Welt in den Abgrund treibt. Eine solche Bewegung braucht eine sozialistische und internationalistische Führung, die alle Versuche zurückweist, die Arbeiter dem Nationalstaat unterzuordnen. Dafür ist auch eine Rebellion der Arbeiter gegen die Gewerkschaftsbürokratie notwendig, die als Betriebspolizei fungiert. Sie muss zerschlagen und durch echte Organe der Arbeitermacht ersetzt werden.