Perspektive

Bidens „Nato im Inland“: Die Gewerkschaftsbürokratie unterstützt die Eskalation des globalen Krieges

Präsident Joe Biden spricht während eines Besuchs in der AFL-CIO-Zentrale, am 10. Juli 2024 in Washington neben AFL-CIO-Präsidentin Liz Shuler (AP Photo/Evan Vucci) [AP Photo/Evan Vucci]

Am Mittwochmorgen, vor seiner Abreise zu Gesprächen auf dem Nato-Gipfel in Washington, besuchte Präsident Biden die AFL-CIO-Zentrale für eine Wahlkampfveranstaltung vor der Gewerkschaftsbürokratie. Der umstrittene 81-Jährige wird von den Arbeitern und Jugendlichen für seine Kriegspolitik, insbesondere den Völkermord in Gaza, gehasst, und seine Wiederwahlkampagne befindet sich im freien Fall. Doch die versammelten Gewerkschaftsfunktionäre bereiteten ihm einen Heldenempfang und begrüßten ihn als ihren Führer.

In seinen Bemerkungen, die er mit dem für ihn typischen Stottern vortrug und die mit absurden Behauptungen über die Stärke der US-Wirtschaft gespickt waren, äußerte sich Biden ungewöhnlich offen und klar über die Rolle der Bürokratie in seiner Klassenkampfpolitik. Er sagte:

Wir haben zwei starke Organisationen in Amerika, auf die ich für unsere Sicherheit schaue. Die eine ist die Nato, eine gemeinsame Versammlung von Demokratien, die sicherstellt, dass wir den Frieden bewahren und dass niemand uns verarscht, und die so stark ist wie nie zuvor. Und ich betrachte Sie als meine Nato im Inland.

In Wirklichkeit ist die Nato ein imperialistisches Bündnis, das ursprünglich gegründet wurde, um die Sowjetunion zu bekämpfen. Ihre Mitglieder waren in jahrzehntelange Eroberungskriege verwickelt, darunter zuletzt die Bombardierung Serbiens Ende der 1990er Jahre, die Invasionen im Irak und in Afghanistan Anfang der 2000er Jahre und die Zerstückelung Libyens im Jahr 2011. Auf dem Gipfeltreffen in dieser Woche lässt die Nato jeden Anschein fallen, dass sie sich nicht im Krieg mit Russland in der Ukraine befindet, was die Gefahr eines nuklearen Konflikts erhöht.

Die Gewerkschaftsbürokraten sind nicht minder die Feinde der Arbeiter. Seit Jahrzehnten von Nationalismus und Antikommunismus durchdrungen, haben sie dazu beigetragen, kontinuierliche Massenentlassungen, Lohnkürzungen und andere Angriffe auf Arbeiter durchzusetzen. Sie sind eng mit dem kapitalistischen Staat verbunden. Durch ihre Beteiligung an CIA-Fronten wie dem Solidarity Center der AFL-CIO fungieren sie seit langem auch als Werkzeuge der amerikanischen Außenpolitik.

Bidens Vergleich wirft die naheliegende Frage auf: Gegen wen führt diese „Nato im Inland“ Krieg? Es ist vor allem die amerikanische Arbeiterklasse, die von Armut und Ungleichheit die Nase voll hat und das gesamte politische System verachtet.

Die „Nato im Inland“ in Amerika spiegelt sich in anderen Nato-Ländern wider. Die neue Labour-Regierung in Großbritannien und die liberale Regierung von Justin Trudeau in Kanada stützen sich beide stark auf die Unterstützung des Gewerkschaftsapparats. Die deutschen Gewerkschaften sind an der „Konzertierten Aktion“ mit der Regierung und den Arbeitgebern beteiligt. Dies zeigt, dass Bidens Politik auf dem sozialen Charakter und der Funktion des Gewerkschaftsapparats beruht und nicht auf den subjektiven Qualitäten der derzeitigen Bürokraten in Amerika.

Biden, der sich selbst als der „gewerkschaftsfreundlichste Präsident in der Geschichte der USA“ bezeichnet, nutzt die Dienste der Bürokratie, um Streiks zu blockieren und Entlassungen durchzusetzen. Das Weiße Haus war in den letzten vier Jahren an der Ausarbeitung oder Durchsetzung von jedem größeren Tarifvertrag beteiligt. Dazu gehören der Vertrag für die Raffineriearbeiter im Jahr 2022, der Vertrag für die Eisenbahner im selben Jahr, im Rahmen dessen er intervenierte, um einen Streik zu verhindern; schließlich beim Vertrag der Hafenarbeiter an der Westküste und letztes Jahr bei UPS, das jetzt Tausende von Beschäftigten entlässt.

Die United Auto Workers, traditionell die politisch wichtigste Gewerkschaft in Amerika, hat besonders enge Beziehungen zum Weißen Haus. Letztes Jahr unterstützte Biden offen den Ausverkauf der Gewerkschaft durch ihren vorgetäuschten „Stand-Up-Streik“, der den Weg für Tausende von Stellenstreichungen geebnet hat. UAW-Präsident Shawn Fain ist ein wichtiger politischer Verbündeter Bidens.

Fain ist nicht nur eine Hauptfigur für Bidens Wiederwahlkampagne, sondern auch ein Vertreter seiner Außenpolitik. Er wurde in den Exportrat für Handelskriege berufen und zu Gipfeltreffen mit ausländischen Würdenträgern an der Seite von Milliardären und Kriegstreibern eingeladen.

Bidens Verwendung des Begriffs „Nato im Inland“ unterstreicht, dass das politische Establishment den Krieg gegen die Arbeiterklasse als einen zentralen Schauplatz des Dritten Weltkriegs betrachtet, der nicht weniger wichtig ist als die Unterwerfung und Aufteilung von Rivalen wie Russland und China. In seiner Nationalen Sicherheitsstrategie von 2022 brüstete sich Biden damit, dass seine Regierung „die Trennlinie zwischen Innen- und Außenpolitik überwunden“ habe. Die gesamte amerikanische Gesellschaft muss dem Krieg untergeordnet werden, und das erfordert die Unterdrückung des Widerstands in der Arbeiterklasse.

Im vergangenen Jahr hat Biden wiederholt das „Arsenal der Demokratie“ – der Propagandaname für die amerikanische Militärproduktion während des Zweiten Weltkriegs – als Vorbild für die heutige Zeit angeführt. Als er Anfang des Jahres die Unterstützung der UAW für seine Wiederwahl als US-Präsident annahm, erklärte er, die Arbeiter müssten „Flugzeugträger und Panzer“ bauen, wie sie es in den 1940er Jahren getan hätten, während Bürokraten Demonstranten aus dem Saal warfen, die gegen Völkermord protestierten. Fain hat dieses Motto seither aufgegriffen und trägt ein Sweatshirt mit der Aufschrift „Arsenal der Demokratie“ neben dem Bild eines B-24-Bombers.

Die Behauptung, der US-Kapitalismus habe den Zweiten Weltkrieg für die „Demokratie“ geführt, war immer falsch. In Wirklichkeit kämpfte er darum, die einzige Supermacht der Welt zu werden, und um dieses Ziel zu erreichen, zögerte er nicht, Atomwaffen einzusetzen, japanisch-amerikanische Zivilisten zu internieren und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Das so genannte „Arsenal der Demokratie“ wurde den Arbeitern durch den Streikverzicht der Gewerkschaftsbürokraten und durch die Verhaftung von Anti-Kriegs-Sozialisten aufgezwungen.

Der entscheidende Unterschied zwischen damals und heute ist jedoch, dass der US-Imperialismus keine aufstrebende Macht ist, sondern sich im Niedergang befindet. Er hat sich mit bekennenden Neonazis in der Ukraine verbündet und ist tief in eine zweite Auflage des Holocausts gegen das palästinensische Volk in Gaza verwickelt.

Anstelle von Jobprogrammen wie im New Deal der 1940er Jahre treibt die US-Regierung die Massenarbeitslosigkeit in die Höhe. Die amerikanische Demokratie schlittert unter der Last der unerträglichen sozialen Ungleichheit in Richtung Faschismus und Diktatur. Während die opportunistischen Gewerkschaftsbürokraten der 1940er Jahre noch eine gewisse Glaubwürdigkeit besaßen, weil sie während der Großen Depression an Streiks beteiligt waren, ist die Bürokratie heute bei den Arbeitern verhasst und völlig auf die Unterstützung des Staates und der Unternehmensführung angewiesen.

Die beiden Säulen von Bidens korporatistischem Bündnis zwischen der Regierung und der Gewerkschaftsbürokratie verfaulen bei lebendigem Leibe. Ob er nun der Kandidat der Demokraten im Herbst sein wird oder nicht, Bidens Senilität sowie die Tatsache, dass sein Gegner der alternde Faschist Trump ist, sind Ausdruck des fortgeschrittenen Verfalls der amerikanischen politischen Institutionen.

Die Bürokratie ist vollständig in diese Krise verwickelt. Zur gleichen Zeit, als in den herrschenden Kreisen Zweifel an Bidens Kandidatur aufkamen, bestätigten bahnbrechende Enthüllungen, dass die UAW-Führung unter Fain völlig illegitim zu ihren Ämtern gekommen ist. Ein gerichtlich eingesetzter Wahlaufseher untersucht Korruptionsvorwürfe gegen Fain und die UAW-Spitze. Unterdessen entschied ein Bundesrichter kürzlich zugunsten des sozialistischen Autoarbeiters Will Lehman, der geklagt hatte gegen die Unterdrückung von Wählerstimmen durch das Arbeitsministerium und den Wahlaufseher bei der Scheinwahl, durch die Fain an die Macht kam.

Als Reaktion darauf wächst unter den Autoarbeitern die Unterstützung für Neuwahlen in der UAW, dieses Mal unter Kontrolle der Basis und nicht derjenigen der Bürokraten oder ihren Freunden in der Regierung.

Die Arbeiter sollten die Rücksichtslosigkeit der herrschenden Klasse nicht unterschätzen. Aber diese Krise zeigt, dass sie nicht allmächtig ist. Die Arbeiter können und müssen auf der Grundlage einer unabhängigen Organisation und Strategie intervenieren.

Das bedeutet die Bildung von Aktionskomitees, die einen Aufstand vorbereiten, um den Gewerkschaftsapparat zu stürzen und die Macht an die Arbeiter selbst zu übertragen. Das wachsende globale Netzwerk der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) zeugt von der zunehmenden Unterstützung für eine solche Perspektive.

Vor allem aber sind die Arbeiter mit einem politischen Kampf konfrontiert. Die Bürokratie ist ein Instrument der herrschenden Klasse, deren gesellschaftliche Interessen mit der Lösung aller sozialen Probleme der Arbeiter unvereinbar sind. Die Arbeiterklasse muss ihre immense soziale Macht gegen das kapitalistische System selbst mobilisieren, das die Quelle von Krieg und Diktatur ist, und es durch eine Arbeiterregierung ersetzen.

Die IWA-RFC ist neben der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party gemeinsamer Ausrichter der Kundgebung am 24. Juli in Washington, D.C., um gegen den Völkermord in Gaza zu protestieren. Die Demonstration wird zeitgleich mit der Rede des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu vor dem Kongress stattfinden und dessen mörderisches Vorgehen verurteilen. Ziel der Kundgebung ist es, eine sozialistische Strategie für die Arbeiterklasse auszuarbeiten, um Völkermord und imperialistischem Krieg ein Ende zu setzen.

Die Entwicklung einer Rebellion der Basis gegen Bidens „Nato im Inland“ ist ein notwendiger Bestandteil dieses Kampfes. Wir rufen alle Arbeiter auf, sich für die Teilnahme anzumelden und sich aktiv zu beteiligen.

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