Metall-Tarifrunde: Auftakt für Entlassungen in der Autoindustrie

In der Auto- und Zulieferindustrie vergeht kaum ein Tag, an dem kein Stellenabbau angekündigt wird. Die IG Metall bereitet sich unterdessen auf die kommende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie vor.

Sie will sie nutzen, um durch niedrige Reallöhne und den Abbau von Arbeitsplätzen die Kosten der Konzerne zu senken. Anders kann man die Forderung nicht deuten, die die IGM-Tarifkommission am kommenden Dienstag für die in gut zwei Monaten beginnenden Verhandlungen endgültig beschließen will.

Beschäftigte von Autozuliefern demonstrieren 2021 in Stuttgart (Bild: IGM/Julian Rettig) [Photo by IGM/Julian Rettig)]

Die Gewerkschaft fordert für die rund vier Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie, davon rund 800.000 in der Auto- und Zulieferindustrie, 7 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Ausbildungsvergütungen sollen überproportional um 170 Euro pro Monat erhöht werden. Die unteren Entgeltgruppen sollen zusätzliche Festbeträge erhalten, von der IGM „soziale Komponente“ genannt.

Die Tarifkommission der IG Metall bei Volkswagen hat für ihre Haustarifrunde für die rund 125.000 in Deutschland beschäftigten Stammkräfte die gleichen Forderungen beschlossen.

Die Reallöhne sind in Deutschland seit 2020 aufgrund der Preissteigerungen – zunächst wegen der Corona-Pandemie und dann wegen des Kriegs in der Ukraine – regelrecht eingebrochen. Sie liegen immer noch unter dem Niveau von 2015. Das gilt auch für die Elektro- und Metallindustrie. Hier hat die IG Metall 2020 Tarifabschlüsse unterzeichnet, die zu einer massiven Senkung der Reallöhne geführt haben.

Der letzte Tarifabschluss aus dem Jahr 2022 (Laufzeit: 24 Monate) hat diese Verluste nicht ausgeglichen. Die darin vereinbarten Einmalzahlungen hat die Inflation aufgefressen. Die Verbraucherpreise verharren auf hohem Niveau, insbesondere bei Waren und Dienstleistungen, die täglich anfallen – wie Lebensmittel, Sprit, Heizung und Strom.

Dies war offensichtlich auch die Meinung vieler Beschäftigter. „Die Prozente müssen dauerhaft in die Entgelttabellen eingehen. Das machen auch die bisherigen Debatten in den Betrieben deutlich“, berichtet die IG Metall.

Mit der Forderung nach lediglich 7 Prozent versichert die (wie sie sich selbst nennt) „größte Einzelgewerkschaft der Welt“ den Unternehmen, dass sie an den niedrigen Reallöhnen festhält. Herauskommen wird ein Abschluss, der irgendwo zwischen drei und vier Prozent liegt – in zwei Stufen bei einer Laufzeit von mindestens 24 Monaten.

Gleichzeitig versucht die IG Metall, den Unternehmen eine Brücke zur Kostensenkung zu bauen. Sie hat angekündigt, „die Verhandlungen im Herbst mit einer Debatte über das Thema Arbeitszeit“ zu begleiten. Beschäftigten wird dann wahrscheinlich die Möglichkeit angeboten, Tariflohnerhöhungen gegen tarifliche Freistellungszeiten einzutauschen.

Die Unternehmen haben die Beschäftigten bereits auf Kürzungen eingestimmt. Harald Marquardt, Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Baden-Württemberg, wo ein Pilotabschluss verhandelt wird, provozierte bereits vor knapp einem Monat: „Die richtige Zahl in der Lohnentwicklung wäre eine Null.“

Der Chef des Autozulieferers gleichen Namens begründet seine Forderung nach einer Nullrunde bei den Löhnen mit der angeblich schlechten wirtschaftlichen Lage vieler Firmen. Laut ihm benennen 91 Prozent der Verbandsfirmen „hohe Arbeitskosten“ als besonders belastend für ihr Geschäft, noch vor Steuerlast, Energiepreisen und „Bürokratie“.

Was der Chef des Marquardt-Konzerns wirklich sagt, ist, dass die Beschäftigten die Folgen des wachsenden internationalen Konkurrenzdrucks mit niedrigen Löhnen ausgleichen müssen. Sein Familienunternehmen, das für die Autohersteller Batteriemanagement-, Fahrberechtigungs- und Schließsysteme sowie Fahrzeug-Displays produziert, hatte im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang um 2,2 Prozent auf rund 1,4 Milliarden Euro gemeldet. Gleichzeitig baute es weltweit rund 700 Arbeitsplätze ab, etwa 7 Prozent von insgesamt 10.000.

Der Arbeitgebersprecher drohte denn auch gleich, bei steigenden Kosten würden die Unternehmen seines Verbands vor allem im Ausland investieren. Marquardt selbst investiert aktuell in Produktionsstätten in China, Indien und Tunesien.

Bereits Anfang Juni hatte der Chef des globalen Autoriesen Stellantis, Carlos Tavares, auf einer Konferenz gedroht, der Übergang zu Elektroautos werde für die Zulieferer eine „erhebliche Belastung“ darstellen. Die westlichen Automobilhersteller bemühten sich, ihre Kosten zu senken, um mit den chinesischen Wettbewerbern zu konkurrieren. Dabei werde man „eine enorme Verlagerung der Lieferantenbasis erleben“, so Tavares, der für seine brutalen Kostenreduzierungsprogramme berüchtigt ist. „Die Beschaffung wird sich von der westlichen Welt in die kostengünstigsten Länder verlagern.“

Während die Autohersteller ihre Kosten auf die Zulieferer abladen und viele in den Ruin treiben, reagieren sie auf die nachlassende Inlandsnachfrage nach Elektro-Autos, indem sie bei der eigenen Belegschaft durch Einsparungen und Arbeitsplatzabbau Kosten reduzieren. Im Mai wurden in Deutschland über 30 Prozent weniger E-Autos als im selben Monat des Vorjahres zugelassen. Nur jede achte Neuzulassung ist ein E-Auto.

Die Autohersteller haben auf die sinkende Nachfrage mit Kurzarbeit reagiert, die Zulieferer auf den wachsenden Kostendruck mit Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen.

  • Ford hat vor zwei Wochen bekanntgegeben, dass am Stammsitz in Köln, wo nur noch Elektroautos gebaut werden sollen, mehrere Tausend Jobs gestrichen werden, und zwar sowohl in der Verwaltung und Entwicklung als erneut auch in der Produktion.
  • Volkswagen plant, die Personalkosten in der Verwaltung um ganze 20 Prozent zu senken. Die Beschäftigten sollen über Frühverrentung und Vertragsauflösungen ihre Jobs aufgeben. Im VW-Nutzfahrzeuge-Werk in Hannover werden die Verträge von rund 900 befristeten Zeitarbeitern nicht verlängert, weil der Multivan T6.1 dort künftig nicht mehr produziert wird.
  • In Zwickau, wo E-Modelle des VW-Konzerns gebaut werden, sollen die Verträge von 1000 bis 1200 befristet Beschäftigten Ende des nächsten Jahres auslaufen. Die Entscheidung dazu soll im August fallen. Bereits Ende 2023 mussten 269 Zeitarbeiter gehen, dieses Jahr war der Abbau von rund 500 weiteren Stellen geplant.
  • Beim Zulieferer ZF Friedrichshafen sind am Produktionsstandort Friedrichshafen seit 1. Juli rund 1500 Beschäftigte in Kurzarbeit, die am Lastwagen-Getriebe Traxon für den Hauptkunden MAN arbeiten. Alle ZF-Produktionsstätten wurden zu einer mindestens zehnprozentigen Rendite verdonnert. Liegt ein Betrieb darunter, droht ihm die Schließung. Die Schließung der Werke in Gelsenkirchen und Eitorf (NRW) ist bereits beschlossen.
  • Das Unternehmen Preh, das Bediensysteme, Schalter und Elektronik für Elektroautos produziert, will bis Ende des Jahres 420 der rund 2000 Arbeitsplätze am Standort Bad Neustadt abbauen. Alle Bereiche sind betroffen.
  • Scheinwerferproduzent Hella will an seinem Stammsitz in Lippstadt 420 Stellen streichen. Damit fällt jeder zehnte Arbeitsplatz weg.
  • Der Automobilzulieferer Kico in Halver hat angekündigt, Ende 2024 sein Werk ganz zu schließen. Dann nehmen 85 Jahre Firmengeschichte ein Ende. 150 Arbeiter sind betroffen.
  • In der neuen „Fabrik der Zukunft“ des Nürnberger Kabel- und Bordnetze-Spezialisten Leoni herrscht schon kurz nach Produktionsbeginn Kurzarbeit für etwa die Hälfte der rund 800 Beschäftigten.
  • Der Automobilzulieferer Valeo beendet die Produktion am Standort Ebern und streicht über 280 Arbeitsplätze. Nur noch die Forschung, Entwicklung und Produktion von Gummi- und Metallkomponenten sowie Kupplungs-, Brems- und Sonderhydraulik bleiben dort erhalten.
  • Der Baumaschinenhersteller Liebherr hat 350 Beschäftigte am Schweizer Standort Bulle in Kurzarbeit geschickt. Dort werden Verbrennungsmotoren für die Bau-, Land- und Forstwirtschaft gefertigt. Bereits im Januar wurden im deutschen Biberach, wo Turmdrehkräne gebaut werden, rund 1000 Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt.
  • Die Firma Mubea (Fahrwerks-, Motor- und Getriebekomponenten) schickt 650 ihrer 1400 Mitarbeiter am Standort Attendorn (Sauerland) in Kurzarbeit. Auch die etwa 40 Leiharbeitenden müssen ihre Arbeit im Familienunternehmen einstellen.

Das sind nur die Ankündigungen des vergangenen Monats. Die IG Metall, die in allen diesen Betrieben ihre Vertreter hat, denkt nicht daran, das sich anbahnende Jobmassaker abzuwehren. Vielmehr belässt sie es bei standortbezogenen, handzahmen Protesten, die die Belegschaften spalten und isolieren. So fängt sie die Wut auf und setzt den Abbau durch.

Dieselbe Erfahrung mussten im letzten Herbst bereits die amerikanischen Autoarbeiter machen. Die Gewerkschaft UAW (United Auto Workers) hatte trotz eines überwältigenden Streikvotums der Mitglieder nur lokal und zeitlich begrenzte Pseudostreiks organisiert.

Als der Unmut und die Streikbereitschaft der Autoarbeiter anwuchsen, unterschrieb UAW-Chef Shawn Fain, ein enger Vertrauter von Präsident Joe Biden, rasch einen miserablen Abschluss, Nur wenige Wochen später begannen die großen Autokonzerne mit Massenentlassungen, die sie während der Tarifverhandlungen aufgeschoben hatten. Hinterher stellte sich heraus, dass Fain und die UAW von den geplanten Angriffen gewusst hatten.

Um die Angriffe der globalen Konzerne abzuwehren, müssen sich die Arbeiterinnen und Arbeiter über die Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg zusammenschließen. Das geht nur vollständig unabhängig von den Gewerkschaften, wie der IG Metall und der UAW.

Es müssen in allen Werken und an allen Standorten unabhängige Aktionskomitees gegründet werden, die alle Beschäftigten vereinen, die wirklich um ihre Lebensgrundlage – um Arbeitsplätze und Löhne – kämpfen wollen. Kontaktiert uns dazu über das untenstehende Formular und schreibt eine WhatsApp-Nachricht an +49 163 33778340.

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