Ford Köln: Wieder sollen tausende Arbeitsplätze vernichtet werden

Am Stammsitz von Ford in Köln droht ein weiteres Arbeitsplatzmassaker. In den letzten fünf Jahren haben vier so genannte „Restrukturierungsmaßnahmen“ bereits 7000 Arbeitsplätze gekostet. Am Dienstagmorgen kündigte Betriebsratschef Benjamin Gruschka auf einer Betriebsversammlung das nächste Arbeitsplatzvernichtungsprogramm an.

Betriebsratchef Benjamin Gruschka (links) und Ford-Deutschland-Chef Martin Sander, der am 6. Juni zurückgetreten ist [Photo by Ford]

Gruschka nannte keine Zahlen, aber allen Ford-Beschäftigten war sofort klar, dass es hier um mehrere Tausend Jobs geht. Derzeit hat Ford in Köln noch knapp 13.000 Beschäftigte, weniger als 4000 davon arbeiten in der Produktion.

Betriebsratschef Gruschka nannte fünf Punkte, die ihm das Management mitgeteilt habe. Der erste wird mit Bürokratieabbau umschrieben, ein Synonym für die Entlassung von Beschäftigten der unteren und mittleren Führungsebene.

Die Punkte zwei und drei umfassen die Bereiche Verwaltung, Marketing, Vertrieb und Services sowie Produktentwicklung. Hier war – vor allem im europäischen und internationalen Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich – erst im letzten Jahr der Abbau von 2300 Beschäftigten angekündigt worden. Etwa 1700 der ursprünglich 3600 Beschäftigten sollen bis 2026 das Unternehmen verlassen. Obwohl sich bisher noch keine 1700 dazu haben drängen lassen, rollt schon die nächste Entlassungswelle an.

Punkt vier nimmt erneut die Fahrzeugproduktion ins Visier, obwohl dort bereits mit dem Sparprogramm von 2019 mehrere Tausend Stellen vernichtet wurden und erst vor zwei Wochen mit halbjähriger Verspätung die Produktion des neuen E-Modells Explorer begann.

Im Management-Sprech wird die bevorstehende Arbeitsplatzvernichtung mit der „effizienteren“ Organisation „industrieller Abläufe“ und der Ausrichtung der „Strukturen an den strategischen Prioritäten von Ford“ verklausuliert. Doch jeder Arbeiter weiß, was es bedeutet, wenn das laut Ford „die Überprüfung der Stückzahlen, der Effizienz und des Personaleinsatzes in allen Produktionsbereichen, sowie bei fertigungsnahen Dienstleistungen und Komponenten“ einschließt.

Unter Punkt fünf heißt es lapidar, Ford Europa wolle sich nur noch „auf das Kerngeschäft konzentrieren“. Welche Bereiche nicht zum Kerngeschäft gehören und ausgelagert werden, ließen Gruschka und Ford offen. In den letzten zwei Jahren hatten Beschäftigte, darunter viele aus der Produktion, auf Kosten von Ford an Fort- und Weiterbildungen teilgenommen, um auf andere Berufe umzusatteln. Ob ihnen – anders als die meisten hofften – nun nahegelegt wird, anderswo nach Arbeit zu suchen, ist unklar.

Genauso unklar ist, wie viele Jobs genau wegfallen. Die Geschäftsführung will konkrete Zahlen Ende nächster Woche bekanntgeben. Von der Führungsspitze war am Dienstag niemand zur Betriebsversammlung gekommen, es gab auch keine offizielle Erklärung. Gruschka berichtete lediglich mündlich.

Dass auf die Verkündung der Zahlen nächste Woche ein Beben folgen wird, lässt sich an mehreren Entwicklungen ablesen.

Ford-Deutschland-Chef Martin Sander, der in Europa auch für die Elektrifizierung zuständig war, gab am 6. Juni, nur zwei Tage nach Wiederaufnahme der Produktion, bekannt, dass er Ford verlässt und zurück in den VW-Konzern wechselt. Schon am 1. Juli tritt er in Wolfsburg seinen Posten als Vorstand für Marketing, Vertrieb und Verkauf an.

Die Reaktion von Betriebsratschef Gruschka deutet darauf hin, dass er und das Management gewaltigen Unmut erwarten. Er bezeichnete die neuen Entlassungspläne als „Kampfansage an die deutsche Belegschaft“. Doch solche radikalen Phrasen ist man von Betriebsratsfürsten gewohnt. Gruschka, der auch europäischer Betriebsratsvorsitzender ist, wird auch bei der fünften Kahlschlagrunde dafür sorgen, dass der Arbeitsplatzabbau reibungslos über die Bühne geht.

Denn wie haben er und seine Betriebsratskollegen in den vergangenen Jahren auf die „Kampfansagen“ des Konzerns reagiert? Sie haben getan, was das Management gefordert hat – in Köln, in Saarlouis und auch in Valencia.

Als 2019 europaweit 12.000 Arbeitsplätze vernichtet werden sollten, davon 5000 in Deutschland, stellten sich die Gewerkschaften und die Betriebsräte in jedem Land hinter das nationale Management und boten Kürzungen an, damit der Abbau in einem anderen Land stattfindet. So erreichte der Konzern genau das, was er von Anfang an gewollt hatte. Allein in Deutschland wurden 5400 Arbeitsplätze vernichtet, 4000 davon in Köln. Zusätzlich vereinbarten die Betriebsräte Lohnkürzungen und andere Zugeständnisse, die angeblich die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Standortes sichern sollten.

Das gleiche Prozedere vollzog sich dann im internen Bieterwettbewerb zwischen dem Werk in Saarlouis und im spanischen Almussafes (Valencia). Der Betriebsratschef von Saarlouis, Markus Thal, und Gruschka behaupteten hinterher, das deutsche Werk habe den Konkurrenzkampf verloren und werde deshalb geschlossen, während das spanische Werk in Betrieb bleibe.

Das war eine Lüge. In Wirklichkeit diente der Bieterwettbewerb als Mechanismus, um die längst geplante Schließung des saarländischen Werks durchzusetzen. In Saarlouis ist der IG-Metall-Betriebsrat unter Thal dabei, das gesamte Werk abzuwickeln. Von einst 7000 Beschäftigten werden ab nächstem Jahr nur noch maximal 1000 übrigbleiben. Die Fahrzeugproduktion wird dann eingestellt. Ab 2032 ist Ford in Saarlouis Geschichte, dann werden nach den erledigten Aufräumarbeiten die letzten Tore geschlossen.

Doch das Werk in Almussafes war damit keineswegs „gerettet“. Was jetzt mit dem angeblichen „Sieger“ im Bieterwettbewerb geschieht, belegt, dass das gesamte Vorgehen ein abgekartetes Spiel der Gewerkschaften und Betriebsräte in Deutschland und Spanien war.

Von den 9300 Beschäftigten, die vor dem Bieterwettbewerb im spanischen Werk arbeiteten, sollen nach einer inzwischen geplanten dritten Abbaurunde nur noch 3200 übrigbleiben. Es werden noch einmal 1600 Jobs gestrichen. 600 Beschäftigte müssen gehen, weitere 1000 werden mit einer möglichen Übergangslösung oder einer Rückkehr-Option vertröstet. Sie sollen zurückkommen können, wenn 2027 die geplante Produktion eines neuen Hybridmodells anläuft, was jedoch in den Sternen steht.

Auch hier besteht die Gefahr, dass schrittweise das ganze Werk geschlossen wird. Die Gewerkschaft UGT (Unión General de Trabajadores) und der von ihr dominierte Betriebsrat agieren nicht anders als die IG Metall in Deutschland.

Gruschka und sein IGM-Betriebsrat sind bereits wieder dabei, in der Belegschaft Verwirrung zu stiften, um Kampfmaßnahmen gegen den Kahlschlag zu verhindern. Gruschka erklärte, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Belegschaft erneut derart verunsichert werde: „Anstatt sich auf den wichtigsten Job, nämlich das erste und bald auch zweite E-Auto auf Köln zu konzentrieren und alle Kräfte endlich darauf zu fokussieren, wird die Belegschaft erneut demotiviert. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz und nicht nachvollziehbar!“

Diese Aussage enthält so viele Unwahrheiten wie Sätze. Denn für den Konzern ist nicht der Bau des ersten und des zweiten E-Modells in Köln und die Motivierung der Belegschaft der „wichtigste Job“, sondern die Erhöhung der Rendite für die Eigentümer und Aktionäre. Dazu dient der Arbeitsplatzabbau. Die Lebensgrundlage der Beschäftigten wird den Profiten der Aktionäre geopfert. Der Abbau ist kein Nebenkriegsschauplatz, sondern der Kriegsschauplatz.

Genauso wie die Bundesregierung alle gesellschaftlichen Interessen ihrer Kriegspolitik unterordnet und die Sozialausgaben kürzt und zusammenstreicht, ordnen Aktionäre, Management, Gewerkschaften und Betriebsräte alles der Profitmaximierung unter. Leidtragende sind die Arbeiter, die den gesamten gesellschaftlichen Reichtum schaffen, den die Superreichen abgreifen.

Gruschka kündigte am Dienstag an: „Wir werden kämpfen, und wir können kämpfen.“ Wenn ein IGM-Funktionär oder -Betriebsrat einen „Kampf“ ankündigt, sollten Arbeiter gewarnt sein. Darauf folgen zwangsläufig Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen oder gar Werksschließungen. Gruschka wird wie im letzten Jahr einige hohle Proteste veranstalten, um die Wut der Ford-Arbeiter aufzufangen, während er gleichzeitig hinter dem Rücken der Belegschaft mit dem Management das gemeinsame Vorgehen beim Arbeitsplatzabbau ausarbeitet.

Die Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne bei Ford in Köln können nur abgewehrt werden, wenn sich die Beschäftigten nicht spalten lassen und sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Saarlouis, in Spanien, Rumänien, der Türkei, Großbritannien und vor allem in den USA vereinen.

Die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte vor Ort hintertreiben das und setzten den Abbau im Auftrag ihrer Herren in den oberen Konzernetagen gegen die Belegschaften durch. Daher müssen sich die Ford-Beschäftigten unabhängig von ihnen in Aktionskomitees organisieren. In Saarlouis haben dies Ford-Kolleginnen und -Kollegen begonnen. Auch in Köln und anderen Ford-Standorten müssen solche Aktionskomitees aufgebaut werden. Kontaktiert uns dazu über eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +49 163 33 78 340 und registriert euch über das untenstehende Formular.

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